KREIS WESEL. Die Überprüfung, die der Kreis Wesel für etwaige Vorkaufsrechte von Grundstücken für die Kommunen Rheinberg, Alpen, Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort vornimmt, stößt auf Seiten der Kiesunternehmen auf Gegenwehr. In einem durch das Weseler Kiesunternehmen Hülskens in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten wird dem Landrat, den Bürgermeistern und den Kreistags- und Ratsmitgliedern nun strafbare Untreue vorgeworfen für den Fall, dass sie sich mittels Vorkaufsrecht für den kommunalen Erwerb von vom Regionalplan betroffenen Grundstücken einsetzen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz kritisierten die Bürgermeister die Vorwürfe scharf.

„Es ist alles legitim, dagegen kann man nichts sagen“, erklärt Kamp-Lintforts Bürgermeister Prof. Dr. Christoph Landscheidt über die Prüfung des Kreises. Ziel sei es, den „in dieser Form bisher nicht gekannten Raubbau für die Auskiesung am Niederrhein einzudämmen.“ Die Bürgermeister halten es seitens des Kiesunternehmens für unklug und befremdlich, einerseits von Dialogbereitschaft zu sprechen und gleichzeitig auf diese Art zu drohen. „Das wollen wir so nicht stehen lassen, dass legitime Bürgerinteressen in irgendeiner Form strafrechtlich relevant wären. Das ist auch juristisch nicht haltbar.“ Daher wolle man das Gutachten auch nicht überbewerten.

-Anzeige-

Neben der Stellungnahme soll es daher keine konkreten Schritte gegen das Gutachten selbst geben. Abseits möglichen Grundstückserwerbs sind die Kommunen an einer Klage beteiligt, setzen aber auch auf die Mobilisierung, Sensibilisierung und dabei auch die Unterstützung der Bürger, welche im besten Fall zwischen dem 24. Januar und 29. April persönlich formulierte Einsprüche gegen die geplante Auskiesung einreichen. „Dann muss auch jeder Einspruch individuell vom RVR beantwortet werden“, sagt Ralf Köpke, Bürgermeister in Neukirchen-Vluyn. Landscheidt spricht von der erfreulichen Situation, dass sich bereits Widerstand bei den Bürgern in den betroffenen Städten rege.

Keine verschwendung öffentlicher Mittel, sagen Bürgermeister

Dennoch gehen die Bürgermeister im Gespräch noch auf einige Punkte des Gutachtens ein. So sei nach der Logik des Gutachtens der kommunale Erwerb von Grundstücken, die von der Auskiesung bedroht seien, bereits deswegen ein Verstoß gegen das gemeindliche Wirtschaftlichkeitsgebot, weil „der Landkreis in Ansehung der fehlenden adäquaten Nutzungsmöglichkeit einen deutlich über dem Wert liegenden Kaufpreis aus öffentlichen Mitteln zahlen dürfte. Es handelt sich im vorliegenden Fall dann um eine bewusste Verschwendung öffentlicher Mittel […]“, zitieren sie das Gutachten.

Von einer Verschwendung könne jedoch keine Rede sein, dabei verweisen die Bürgermeister auf die Bewahrung der Landwirtschaft und auf den Landschafts-, Hochwasser-, Natur- und Grundwasserschutz. Rheinbergs Bürgermeister Dietmar Heyde betont zudem den Status des Kreises als Öko-Modellregion, wo es darum gehe, regionale Landwirtschaft zu fördern und zwar vor dem Hintergrund dringend erforderlicher Klimaanpassungserfordernisse. „Wir müssen nicht nur unsere niederrheinische Kulturlandschaft erhalten, sondern auch ökologisch jede Grünfläche.“ Köpke: „Alles, was wir jetzt tun, muss immer dahingehend überprüft werden, was die Folgen für die nachkommenden Generationen sind. Da passt dieser extensive Kiesabbau nicht hinein.“

Infrage stellen sie auch die These des Unternehmens, dass ein gemeindliches Vorkaufsrecht ausgeschlossen sei. Die Verwaltungen wüssten um die gesetzlichen Voraussetzungen. Diese seien jedoch nicht vom Gutachter im Detail geprüft worden, weshalb das Gutachten aus Sicht der Kommunen praktisch unbrauchbar sei. Die Bürgermeister verweisen zudem darauf, dass fast alle neuen Abgrabungsflächen zu potenziellen Überschwemmungsgebieten gehören würden. Für solche Bereiche sehe das Gesetz ausdrücklich ein Vorkaufsrecht unter gewissen Bedingungen vor.

Ein Zeichen der Nervosität

Für Heyde ist die Drohgebärde vor allem ein Zeichen: „Die Maßnahme zeigt, dass Nervosität besteht auf Seiten der Kiesunternehmen.“ Keine der Kommunen möchte sich vorschreiben lassen, wie man im Interesse der Bürger zu handeln habe, daher appellieren sie an die Grundbesitzer, den vielleicht angedachten Verkauf an die Kiesunternehmen zu überdenken und zuvor Kontakt zur Kommune aufzunehmen.

Köpke hat bereits erste Gespräche mit Eigentümern geführt und erzählt, dass kurz nach der Offenlage des Plans ein Makler aus Köln Eigentümer kontaktiert hatte, mit dem Hinweis, der RVR habe entschieden und der Verkauf könne nun geschehen. „Es ist noch gar nichts vorbei, der Kampf um die Flächen fängt jetzt erst an“, betont er.

Die Kiesindustrie könne nicht so tun, als seien alle Entscheidungen bereits getroffen worden. Köpke und Heyde sagen jedoch auch, dass sie Verkäufe an Kies­unternehmen nicht pauschal verurteilen.

Vorheriger ArtikelAktuelle 7-Tage-Inzidenz im Kreis Kleve liegt bei 322,1
Nächster ArtikelFamilienangelegenheiten