KREIS WESEL. Die Verkehrsunfallentwicklung für das Jahr 2023 im Kreis Wesel wartet mit positiven wie negativen Schlaglichtern auf: Auf der einen Seite stehen mehr Verkehrsunfälle, Verkehrsunfalltote und Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen. Erfreulich dagegen: Verkehrsunfälle unter aktiver Beteiligung von Kindern sind rückläufig, der Anstieg von Unfällen mit Rad- und Pedelecfahrern kam zum Halt und die Aufklärungsquote von Verkehrsunfallfluchten ist gestiegen.

Etwas mehr ins Detail ging Christian Klur, Leiter der Direktion Verkehr, auf der diesjährigen Pressekonferenz der Kreispolizeibehörde (KPB) Wesel. Bezüglich der Langzeitentwicklung aller bekannt gewordenen Unfälle sprach er von einem Anstieg von 5,6 Prozent: von 13.957 (2022) auf 14.733 Unfälle (2023). „Statistisch gesehen ereignete sich im Kreis Wesel alle 35 Minuten ein Verkehrsunfall“, sagt Klur. Langfristig gebe es dennoch eine positive Entwicklung zu verzeichnen: Nämlich seit 2016 in Form einer rückläufigen Tendenz von 3,2 Prozent.

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Damit die Zahlen vergleichbar sind, gibt es die Unfallhäufigkeitszahl (Unfälle pro 100.000 Einwohner). Im Vergleich zum Land NRW steht der Kreis Wesel besser da: In NRW stieg die Zahl von 3.376 (2022) auf 3.528 (2023) an, im Kreis Wesel hingegen von 2.996 auf 3.163.
Bei den Unfällen mit Sachschäden spricht die Statistik kreisweit von einem Anstieg um 4,8 Prozent (2022: 12.456; 2023: 13.052). Unfälle mit Personenschäden haben um zwölf Prozent zugenommen (von 1.501 auf 1.681). „Der Anteil der Verkehrsunfälle mit Personenschäden an der Gesamtzahl beträgt 11,4 Prozent“, ergänzt Klur.

Waren die Zahlen bei den Schwerverletzten und Toten 2022 noch etwas rückläufig, sind sie nun wieder gestiegen: Gab es 2022 271 Schwerverletzte, waren es 2023 320. Die Zahl der Toten hat sich von zehn auf 14 verschlechtert. Dennoch: In der Langzeitbetrachtung seit 2016 der bei Unfällen Verstorbenen lasse sich eine rückläufige Tendenz erkennen, „auch wenn es hier und da Spitzen gab“, sagt Klur. Betroffen sind dabei vor allem Senioren: starben 2022 vier Senioren infolge von Unfällen, waren es 2023 sogar acht.

Weniger Unfälle mit Kindern

Um vier Prozent gesunken sind allerdings die Unfälle mit Kindern (2022: 125; 2023: 120). „Die Zahl der Verunglückten ist jedoch ungleich höher“, sagt Christian Klur. Gemeint sind damit die bei Unfällen verletzten oder getöteten Kinder. 2022 verunglückten demnach 177 Kinder, 2023 waren es 182. „Das ist ein Anstieg von 2,8 Prozent.“ Diese Zahlen umfassen jedoch alle Kinder, egal ob passiv (etwa als Beifahrer) oder aktiv (etwa als Radfahrer) verunglückt. Schaut man auf die aktiv verunglückten Kinder, ist die Zahl allerdings um 17,2 Prozent gesunken. „Das ist ein Bereich, den wir versuchen mit präventiven Maßnahmen zu beeinflussen.“

Im Fokus stehen auch die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren: Hier gab es 2022 533 Unfälle, 2023 581, „ein Anstieg von neun Prozent. Auch bei den Verunglückten-Zahlen haben wir einen Anstieg von 4,2 Prozent.“ Konkret heißt das: 237 Verunglückte in 2022 und 247 in 2023. „Im Vergleich zum Bevölkerungsanteil von 6,4 Prozent verunglückt diese Altersgruppe überdurchschnittlich oft mit 10,5 Prozent“, sagt Klur. Präventiv im Blick habe man hier besonders die Raser-, Poser- und Tuningszene. „Die Zielgruppe ist dabei relativ häufig vertreten.“ Ähnliches gelte für Autorennen.

Mehr betroffene Senioren

Senioren hingegen waren 2022 bei 896 Unfällen beteiligt, 2023 waren es 923. Das ergibt einen Anstieg von drei Prozent. Bei den verunglückten Senioren liegt der Anstieg bei 21,1 Prozent (2022: 313; 2023: 379).

Mit dem Rad oder Pedelec/E-Bike waren 2023 149 Senioren an einem Unfall beteiligt (2022:140). Das macht einen Anteil von 39,3 Prozent an der Gesamtzahl der verunglückten Senioren aus.

Apropos Fahrräder: Laut dem Zweirad-Industrie-Verband sind vergangenes Jahr erstmals mehr E-Bikes als herkömmliche Räder in Deutschland verkauft worden. Laut Christian Klur sei aber auch die Zahl der Fahrräder und Pedelecs ganz allgemein gestiegen. Umso besser passt das strategische Behördenziel, Unfälle im Bereich der Fahrrad-/Pedelecfahrer zu verringern.

Die Maßnahmen scheinen zu greifen: Die allgemeine Zahl der Unfälle unter Beteiligung von Rad- und Pedelec-Fahrern ist beinahe gleichgeblieben, mit einem minimalen Anstieg von 663 auf 664 Unfälle.

Die Zahl der verunglückten Pedelec-/E-Bike-Fahrer ist 2023 allerdings auf 206 gestiegen (2022: 178). Die Zahl der verunglückten Radfahrer ist dagegen von 437 auf 417 gesunken. „24 Prozent der verunglückten Rad- und Pedelec-Fahrer sind Senioren. Daher legen wir auf sie einen Fokus, aber nicht ausschließlich.“ Bei knapp 43 Prozent der Unfälle seien die Radfahrer auch Unfallverursacher gewesen. 21 Prozent machten hingegen Alleinunfälle ohne Beteiligung anderer aus.

Schwerpunkt auf Prävention

Um die Situation gemäß dem Behördenziel weiter zu verbessern, setzt die KPB auf verschiedene Präventionsmaßnahmen: Dazu gehörten 2023 unter anderem 37 Pedelec-Trainingseinheiten am Fahrsimulator verbunden mit Outdoor-Trainings, 103 Radfahraufbaukurse an weiterführenden Schulen, 320 Radfahrausbildungen an Grundschulen, zwölf Radfahrtrainings für Menschen mit Handicap und 20 Crashkurse links- und rechtsrheinisch. „Wir sind auch mit unserer Verkehrspuppenbühne in den Kitas aktiv. Man kann nicht früh genug anfangen, auch die Kleinsten zu erreichen“, sagt Klur. Diese Gelegenheit nutze man zudem dafür, auch die Eltern zu sensibilisieren.

Grundsätzlich betont Christian Klur: „Schutzausstattung ist das A und O. Ein Fahrradhelm rettet viele Leben.“ Weiter gibt es zu bedenken: „Im Auto würde niemand auf die Idee kommen, den Airbag auszuschalten. Auf dem Fahrrad hat man noch weniger Knautschzone.“

Landrat Ingo Brohl ruft in diesem Zusammenhang zudem dazu auf, sich an die Verkehrsregeln zu halten, was viele Rad- und Pedelec-Fahrer längst nicht immer täten: „Die Regeln gelten für alle und haben Sinn.“ Als KPB wolle man für die Durchsetzung sorgen, vor allem, um sämtliche Verkehrsteilnehmer zu schützen.

Anstieg bei Scootern und Co.

Verbesserungsbedarf gibt es offenbar auch beim Umgang mit Elektrokleinstfahrzeugen wie E-Scootern. Hier ist der Anstieg der Unfälle besonders groß: Waren es 2022 49 Verkehrsunfälle, stieg die Zahl 2023 um 53 Prozent auf 75. Bei den Verunglückten liegt der Anstieg bei 54 Prozent: von 39 auf 60. „Bei 45,3 Prozent waren die Fahrer auch Unfallverursacher. Die gleiche Prozentanzahl waren Alleinunfälle. Da zeigt sich: Die Handlungssicherheit muss man erst einmal erlernen“, sagt Klur. Auch hier gelte natürlich: „Ein Helm schützt Leben.“

Mehr Unfallfluchten, gestiegene Aufklärungsquote

Ein Problem ist darüber hinaus: Verkehrsunfall-Fluchten sind von 3030 in 2022 um 7,7 Prozent auf 3.262 in 2023 gestiegen. „Das ist ein größerer Anstieg als bei der Verkehrsunfallentwicklung insgesamt, da hatten wir 5,6 Prozent mehr. Jeder fünfte Verkehrsunfall geht mit einer Verkehrsunfallflucht einher und ist damit eine Straftat“, sagt Klur. Unfallfluchten im Kontext von Personenschäden seien sogar um 17,3 Prozent gestiegen (von 144 auf 169). Das bedeutet: Auf jeden 10. Unfall folgt eine Flucht.

Dafür ist die Aufklärungsquote gestiegen: Konnten 2022 noch 1.188 Fluchten aufgeklärt werden (39,21 Prozent), waren es 2023 1.329 (40,74). „Wir werden weiterhin alles daran setzen, um diese Verkehrsunfallfluchten aufzuklären“, sagt Christian Klur. Dabei lobt er nicht nur die akribische Arbeit der Sachbearbeiter, sondern verweist gleichzeitig auf die Arbeit der Verkehrsunfallaufnahme-Teams. Diese wurden seit 2021 sukzessive aufgestellt. Mittlerweile gibt es in NRW 17 solcher Einheiten, im Kreis Wesel allerdings noch keine. Hier hilft meist das Team aus Kleve aus.

Wie dessen Leiterin Christina Rabs erklärt, gehe es dabei nicht einfach nur um eine bessere Qualität der Unfallaufnahmen, diese stünden auch in Verbindung mit dem Opferschutz. „Die Opfer und Angehörigen möchten natürlich wissen, was passiert ist“, erläutert sie.
Hinzu kämen die Zivilverfahren. „Bei Verletzten gibt es möglicherweise bleibende Schäden. Da muss im Nachgang viel geregelt werden.“ Ein anderer Vorteil: Kenne man die Ursachen eines Unfalls besonders gut, könne man noch besser präventiv agieren.

Angefordert werden die Teams bei Unfällen mit Getöteten, mit Schwerverletzten in akuter Lebensgefahr, bei Unfallfluchten mit Schwerverletzten, bei Kraftfahrzeugrennen mit Personenschaden und bei Unfällen, an denen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
„Wir sind für den objektiven Befund zuständig, also für den Sachbeweis“, sagt Rabs.

Um diese Aufgabe erfüllen zu können, steht den Mitarbeitern eine entsprechende technische Ausstattung zur Verfügung, die autarke Arbeit bei Tag und Nacht ermöglicht: Dazu gehören unter anderem Beleuchtungstechnik, Kameras, Drohnen und 3D-Laser-Scanner.

Die Statistiken sind öffentlich abrufbar unter wesel.polizei.nrw/artikel/verkehrsunfallstatistik-1.

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