KREIS WESEL. Mit der neuen Kriminalitätsstatistik des Kreises Wesel für das Jahr 2023 sind naturgemäß wieder gute und schlechte Nachrichten verbunden. So gibt es zwar allgemein mehr Straftaten, vor allem bei der Gewaltkriminalität, aber: „Seit 2014 haben wir insgesamt einen Rückgang von circa 14,48 Prozent zu verzeichnen“, sagt die stellvertretende Leiterin der Direktion Kriminalität, Stefanie Teipel. Erfreulich ist auch: Die Aufklärungsquote konnte um rund zwei Prozent gesteigert werden.
In Zahlen ausgedrückt heißt das: 26.874 Straftaten in 2023 (2022:26.823) stehen einer Aufklärungsquote von 53 Prozent (2022: 51,2) gegenüber. „Dafür haben wir einiges getan, wir wollen die Quote aber stetig weiter verbessern“, verspricht Stefanie Teipel.
Beim Pressegespräch zeigte sich Landrat Ingo Brohl froh darüber, dass Innenminister Herbert Reul zuletzt die Diskussion um Straftaten durch Migranten eröffnet habe. Auch wenn man sich in Zukunft im Kreis Wesel an der Diskussion beteiligen wolle, sei man laut Brohl mit der Analyse derzeit noch nicht so weit. Es gelte nämlich, das Thema fachlich fundiert anzugehen und die Statistik richtig zu interpretieren. Er betont: „Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Der weit überwiegende Teil der Menschen mit Migrationshintergrund sind rechtschaffene und liberal eingestellte Menschen.“
7.792 deutsche Tatverdächtige (2022: 7.539) und 2.911 nicht-deutsche Verdächtige (2.548) in 2023: Mit Blick auf diese Zahlen verweist auch der leitende Polizeidirektor Ulrich Kühn auf einen wichtigen Umstand: „Es sind im ersten Ansatz Tatverdächtige.“ Es handle sich nämlich um eine Eingangsstatistik, es müssten also nicht diejenigen sein, die am Ende auch tatsächlich abgeurteilt würden. Außerdem gebe es gewisse Formen von Kriminalität, die nur von Ausländern begangen werden könnten – Verstöße gegen Aufenthaltsbestimmungen etwa.

Weniger Diebstahl

Beim Diebstahl sind die Zahlen leicht gestiegen: von 10.837 (2022) auf 10.917 (2023). „Aber auch hier ist seit 2014 insgesamt ein Rückgang zu verzeichnen“, verkündet Teipel. Verbessert hat sich zudem die Aufklärungsquote: von 21 auf 23 Prozent. Während immer weniger hochwertige KFZ gestohlen werden würden, sehe es bei den klimafreundlichen Zweirädern genau anders aus. Im Rahmen des 2. strategischen Behördenziels zur Verhinderung und Vermeidung von Unfällen mit Fahrrad- und Pedelec-Fahrern sei man an diesem Thema aber dran. In den Auftrieb beim Ladendiebstahl wiederum würden nicht nur Faktoren wie die Inflation hineinspielen, „wir stellen auch ein geändertes Anzeigenverhalten fest. Es wird mehr denn je angezeigt“, sagt Teipel.
Im Rahmen des 3. Behördenziels zur „Bekämpfung der bürgerbelastenden Kriminalität“ führe man verschiedene Aktionen durch, auch was den Taschendiebstahl angehe. Hier sind die Zahlen von 546 auf 529 gesunken. Allerdings sei die Aufklärungsquote hier nicht die beste, gibt Stefanie Teipel zu. „In 2023 liegen wir bei 1,32 Prozent an aufgeklärten Taten.“ Beim Taschendiebstahl handle es sich aber um ein „schwer aufklärbares Delikt“, bei dem nicht selten Täter von außerhalb zuschlagen würden und bei dem es daher auch kaum Ermittlungsansätze gebe.
Schön dagegen: Auch die Fälle von Rauschgiftkriminalität sind gesunken. Sie fließen in die übergeordnete Kategorie der Straßenkriminalität: Deren Fallzahl sank von 6.941 (2022) auf 6.579 (2023) inklusive einer gestiegenen Aufklärungsquote – ein Erfolg des 3. Behördenziels. Auf Prävention setzt man bei der Polizei zwar ebenso beim Thema Wohnungseinbruch, gestiegen sind die Zahlen dennoch: von 758 (2022) auf 862 (2023).

Kampf gegen Straftaten zum Nachteil älterer Menschen

Ein großer Fokus liegt auf den Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Die Prävention macht sich hier angesichts der allgemeinen Rückläufigkeit jedoch bezahlt: 2022 wurden noch 613 Versuche gezählt, 2023 waren es 448. Vollendet wurden davon 36 (2022) und 37 (2023). „Die überregional agierenden Täter gehen sehr perfide vor“, sagt Stefanie Teipel. Eine große Hilfe bei der Überführung der Täter seien aber Informationen durch andere Landeskriminalämter.
Diese Zusammenarbeit ergibt auch angesichts der Vielfältigkeit der Maschen Sinn: Diese reichen vom falschen Polizeibeamten bis zum Enkeltrick. Gerade letzterer habe sehr zugenommen und werde mit viel Druck geführt. „Es ist eine brutale Last, die Telefonate werden über Stunden geführt“, sagt Kriminaloberkommissar Frank Baschke. In diesem Zusammenhang hebt er auch die Hilfe durch achtsame Dritte wie Bankmitarbeiter und Taxifahrer hervor. Aber selbst wenn man einen Betrugsversuch schnell erkenne, lautet sein Appell: „Bitte bringen Sie einen Fall immer zur Anzeige.“ Ingo Brohl ergänzt: „Man sollte keine Scham haben. Man war nicht dumm, sondern ist Opfer geschulter Täter geworden.“ Auf dem falschen Fuß könne man schnell erwischt werden.

Mehr Gewalt

Ein besonderes Problem stellt die Gewaltkriminalität im Sinne sämtlicher Körperverletzungen dar: 898 Fälle in 2022 stehen 1.020 Fällen in 2023 gegenüber. Die Vorfälle gefährlicher und schwerer Körperverletzung sind auf 746 gestiegen (2022: 647). Morde oder Mordversuche gab es fünf an der Zahl, drei Mal hingegen (versuchten) Totschlag. Auch in der Langzeitbetrachtung hat Teipel keine guten Neuigkeiten und berichtet seit 2014 von einem Anstieg von 24,3 Prozent. Für diesen Anstieg sieht sie verschiedene Gründe: „Es gibt in gewisser Weise eine gesellschaftliche Verrohung, aber auch hier fällt ein verändertes Anzeigenverhalten auf.“
Dabei zeigt sich, dass es immer mehr jugendliche Tatverdächtige gibt. Vor allem die Roheitsdelikte an und um Schulen sind gestiegen: Waren es 2021 noch 100 Fälle, stieg die Zahl zum Ende der Coronazeit 2022 auf 222 Fälle an, ein Jahr später auf 228.
Dennoch greife eine Diskussion über Strafmündigkeit zu kurz, findet Ingo Brohl. Ein wichtiger Baustein der Polizeiarbeit ist in diesem Sinne die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern. „Wir dürfen die Jugendliche nicht verlieren“, sagt Brohl. Teipel weist zudem auf die Pandemie und die „fehlende Sozialisierung“ hin. „Auch wenn das manchmal belächelt wird.“
Aber: „Die Aufklärungsquote ist mit 80,2 Prozent weiterhin gut. Wir konnten uns leicht steigern.“ Teipel ist es darüber hinaus wichtig zu betonen: „An der Gesamtkriminalität macht die Gewaltkriminalität mit 3,79 Prozent nur einen kleinen Anteil aus.“
Die steigende Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte bezeichnete Ingo Brohl zu dieser Gelegenheit deutlich als „no go“, dass konsequent bekämpft werde und ein gesellschaftliches Statement erfordere: 143 Fälle gab es 2022, ein Jahr später waren 153 zu verzeichnen. Besonders Taten mit Messern würden für Polizeibeamte im Nahbereich eine große Gefahr darstellen. „Ich glaube, wir brauchen schnellmöglich eine breit angelegte Diskussion.“ Dasselbe gelte für eine Änderung im Waffenrecht.

Schwerpunkt: KiPo

Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung präsentieren sich leicht steigend (2022: 613, 2023: 617). „Auch hier haben wir durch die Sensibilisierung ein anderes Anzeigenverhalten. So hat sich das Dunkelfeld erheblich erhellt“, sagt Teipel. Die Aufklärungsquote ist leicht gesunken: von 90,5 auf 89,6 Prozent.
Sehr schlechte Nachrichten gibt es bei der Verbreitung, dem Erwerb, Besitz und der Herstellung kinderpornografischer Schriften zu vermelden: Sie stiegen von 195 (2022) auf 218 (2023) Fälle. „Unsere Ermittlungsgruppe hat 2023 etwa 46 Terrabyte Datenmaterial ausgewertet.“ 2022 seien es noch 31 Terrabyte gewesen. „Aber wir sind gut aufgestellt. Es ist unser erstes Behördenziel.“ So konnten unter anderem mehr Personalressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Einen starken Rückgang gibt es bei den Geldautomatensprengungen: von sieben auf drei Fälle. Ein Beispiel erläuterte Baschke: im August 2023 konnten in Alpen drei Serientäter aus den Niederlanden dingfest gemacht werden.
Die Statistik zum Nachlesen inklusive Zahlen zu den einzelnen Kommunen gibt es unter https://wesel.polizei.nrw/artikel/polizeiliche-kriminalstatistik-3.
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