GELDERN. Die Gesamtschule Geldern zeigt klare Kante: Gegen Rassismus und für gegenseitigen Respekt. Mit der frisch verliehenen Zertifizierung als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und als neues Mitglied des gleichnamigen Netzwerks möchten die Lehrer und Schüler den Weg des gegenseitigen Verständnisses nun noch konsequenter verfolgen. Das zeigte sich auch während einer Feierstunde in aller Deutlichkeit.
„Rassismus geschieht dann, wenn Menschen unfair behandelt werden, nur weil sie eine andere Hautfarbe, Herkunft, Religion oder einen anderen kulturellen Hintergrund haben als man selbst“, sagte Lehrer Philipp Arians, einer der Projektverantwortlichen, in seiner Rede. Auch abseits der demokratiegefährdenden Versuche bestimmter Gruppen, den Druck auf Menschen mit Migrationshintergrund zu erhöhen, begegne Rassismus vielen Menschen immer wieder in ihrem Alltag – auch den Schülern der Gesamtschule, ihren Familien und Freunden. Und das in vielen Formen: nicht nur als Drohungen oder Beleidigungen, sondern auch bei der Wohnungs- oder der Jobsuche.
Schule ohne Rassismus
Michael Käseberg (l., Kommunales Integrationszentrum des Kreises Kleve) überreichte das Zertifikat feierlich. Mit dabei: Rohan (9a), Julia (9a), Schulleiterin Tanja Rathmer-Naundorf, Projektpatin Ulrike Michel (SPD) und Lehrer Philipp Arians. NN-Fotos (2): Thomas Langer

Nun darf sich die Gesamtschule zwar „Schule ohne Rassismus“ nennen, zu wörtlich dürfe man das laut Philipp Arians aber nicht nehmen: Auch ihr seien diskriminierende und rassistische Vorfälle nicht fremd, betont er – ob bewusst oder unbewusst geschehen. Den Lehrern und Schülern geht es mit dem neuen Titel darum, ein Zeichen zu setzen und die Position zum Thema auch im Schulkonzept zu verankern.

Deshalb war 2023 bereits das offene Angebot „Gesamtschule der Vielfalt“ entstanden, für das sich schnell einige Schüler mit „tollen Ideen“ fanden, erzählt Arians. Aber: „Uns ist der raue und oft nationalistisch-diskriminierende und beleidigende Umgangston der Lernenden untereinander immer wieder negativ aufgestoßen.“ Im Zuge dessen kamen die Dinge ins Rollen und schließlich wurde die Idee geboren, eine Schule der Courage zu werden.
Den Gedanken dahinter teilen offenbar auch die übrigen Schüler: fast 94 Prozent sprachen sich in einer Umfrage dafür aus, 14 Prozent mehr als nötig gewesen wären. Damit waren die Bewerbung und die Zertifizierung beschlossene Sache – und seit Mittwoch ganz offiziell.

Eine Schule für alle

Schule ohne Rassismus
Unter anderem mit diesen Plakaten hat sich die Gesamtschule schon vor der Zertifizierung klar positioniert.

Schülersprecherin Julia Kosinski (9a) und ihr Mitschüler Rohan (9a) nutzten die Feierstunde nicht nur dafür, die Meinung vieler ihrer Mitschüler auf den Punkt zu bringen, sie riefen zudem ein weiteres Mal zu einem Vorgehen gegen Rassismus und für mehr Mitgefühl, Respekt und Toleranz auf. Dabei wiesen die beiden auch darauf hin, wie subtil das Thema oft daherkomme: sei es in den gewählten Worten, Witzen oder als Vorurteile in den Köpfen. „Rassismus ist ein Thema, dass uns alle betrifft und keinesfalls ignoriert werden sollte. Wir müssen uns aktiv für eine Kultur einsetzen, in der jeder unabhängig von seiner Hautfarbe, Religion oder Herkunft willkommen ist. Es liegt an uns, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder sicher fühlen kann, um sein volles Potenzial ausleben zu können.“

-Anzeige-
Ein Ansatz, den auch Philipp Arians und Schulleiterin Tanja Rathmer-Naundorf im Namen des Kollegiums betonten. Sie möchten die Unterschiede der Schüler nicht als Belastung, sondern als Chance begreifen: „Es ist eine Schule für alle Kinder“, sagt Rathmer-Naundorf. Auch wenn das vielleicht nicht immer leicht umzusetzen ist: „Eigentlich mögen sich die Kinder“, sagt Arians, unterschiedliche kulturelle Hintergründe würden jedoch manchmal auch zu Feindseligkeiten untereinander beitragen. Unterstützt werde dergleichen teils auch durch die Erziehung oder die sozialen Medien.
Beim bisherigen Vorgehen habe es aber diesbezüglich aber schon erste Erfolge gegeben. Ein Beispiel: die aktuelle Phase des Israel-Palästina-Konflikts. Als dieser zuletzt aufloderte, sei es laut Arians gelungen, den Schülern durch eine neutrale Diskussion die Komplexität des Themas näherzubringen und verhärteten Fronten entgegenzuwirken.

Hilfe aus der Politik

Allein ist die Gesamtschule mit ihrem Anliegen übrigens nicht: Als Projektpatin ist die zweite stellvertretende Bürgermeisterin Ulrike Michel (SPD). Sie bekundete ihren Stolz angesichts der Überzeugungen der Lehrer und Schüler. Das liege auch an ihrer eigenen Familiengeschichte, erzählte sie: Während der NS-Zeit seien ihre Verwandten nämlich selbst Opfer von Anfeindungen und Verfolgung geworden. „Hätten damals mehr Menschen diesen Mut aufgebracht, hätte es diese Verfolgung nicht gegeben“, ist sie sich sicher.
Aus diesem Grund versprach sie, ihren Teil dazu beizutragen, damit das Vorhaben der Gesamtschüler ein Erfolg wird. Sie möchte in der örtlichen Politik nicht nur selbst davon erzählen, sie bot auch an, den Schülern selbst den Weg in eine Ratssitzung zu ebnen, um ihrem Anliegen bei den Entscheidungsträgern selbst Gehör zu verschaffen können und sie mit ihrem Mut „anzufixen“. „Dieses Projekt ist wichtig, da müsst ihr dranbleiben!“, betonte sie.
Die Zertifizierung selbst bringt ebenso Vorteile mit sich: Sie bietet die Möglichkeit, als Netzwerk-Mitglied landes- und bundesweit an Vorträgen teilzunehmen und sich mit anderen Schulen auszutauschen, um neue Impulse zu bekommen – oder selbst welche zu setzen.
Dennoch handelt es sich bei einer „Schule ohne Rassismus“ vor allem um eine Selbstverpflichtung. Und diese nimmt man an der Gesamtschule Geldern sehr ernst – immerhin handele es sich um eine „Herzensangelegenheit“, wie Tanja Rathmer-Naundorf sagt. Das zeigt sich auch darin, dass die gesamte in diesem Kontext geleistete und geplante Arbeit ehrenamtlich geschieht.

Vier-Punkte-Plan

Um der Zertifizierung gerecht zu werden, hat man an der Gesamtschule einen Vier-Punkte-Plan gefasst, der zum einen weitere Projekte zur Rassismus-Sensibilisierung vorsieht. Gleichzeitig sollen zukünftig die Lehrpläne überprüft werden, um Themen wie Vielfalt und Toleranz flächendecken und ganzheitlich zu integrieren. Hinzu kommt eine deutliche Anti-Rassismus-Politik im Sinne der Vielfalt, Inklusion und Interkulturalität. Last but not least soll die Schule ein Ort werden, an dem sich alle sicher und akzeptiert fühlen.
Einen wichtigen Baustein dafür sieht Arians in der bereits guten Zusammenarbeit innerhalb des Kollegiums. Aber auch die vier Sozialarbeiter der Schule hebt er hervor. „Prävention wird bei ihnen großgeschrieben“, ergänzt Rathmer-Naundorf.
Ein paar konkretere Beispiele dafür, wie es weitergehen soll, haben sie und Arians ebenfalls parat. So möchte man in Zukunft noch Mitglied im Netzwerk „Schule der Vielfalt“ werden. Dafür die Schule jedoch mehr als eine Umfrage vorweisen. Gut, dass im Foyer bereits eine Reihe von gestalteten Anti-Diskriminierungs-Plakaten zu bestaunen. Auf der To-do-Liste steht außerdem ein Tapetenwechsel der Räumlichkeiten. Diese sollen nicht nur als symbolischer Akt farbenfroher werden, die Schüler sollen sich mit ihren Vorstellungen zukünftig auch selbst thematisch passend an einer großen Wand kreativ austoben können.
Geplant ist zudem ein Wegweiser, der die Richtung und Entfernung zu verschiedenen Orte in der Welt anzeigt. Orientieren möchte man sich dabei an den Wurzeln der Schüler, wie Philipp Arians erläutert. Betrachtet man es so, haben inzwischen 48 Länder an der neuen „Schule ohne Rassismus“ ihr Zuhause gefunden.
Vorheriger ArtikelDas sind die Entwicklungen bei der Kreis-Kriminalität 2023
Nächster Artikel24 Stunden am Tag verfügbar