ALPEN. Gertrud Brands ist 88 Jahre alt. In ihrem Haus Im Dahlacker 1 in Alpen kann sie zwar noch allein leben, ist aber aufgrund ihres hohen Alters auf Hilfe angewiesen. Für den Vorgarten hat die rüstige Rentnerin inzwischen einen Mähroboter angeschafft, der ihr die beschwerliche Arbeit abnimmt. Um die Hecke, welche die Rasenfläche Richtung Bürgersteig und Straße abgrenzt, kann sich aber weder der Mähroboter noch Getrud Brands selbst kümmern. Also fragte die 88-Jährige Anfang des Jahres bei der Gemeinde Alpen – der offiziell die Hecke inklusive einer kleinen Fläche Rasen gehört – an, ob sich diese nicht von nun an selbst um die Pflege kümmern kann. Doch diese lehnte dies in mehreren Gesprächen und Schreiben ab. Stattdessen solle Gertrud Brands die Hecke auf eigene Kosten entfernen oder die Pflege – ebenfalls auf eigene Kosten – bei einer Fachfirma in Auftrag geben.

Mittlerweile hat sich die Rentnerin einen Rechtsanwalt genommen. Karin Rosin, die sich um die kaufmännische Betreuung von Gertrud Brands kümmert, hilft ihr schon seit Beginn bei der Angelegenheit. „Das Ganze ist eine Unverschämtheit. Wie hier mit einer älteren Dame umgegangen wird, die sich mit ihrem verstorbenen Mann seit Jahren ohne eigenen Nutzen um die Fläche und die Hecke kostenlos gekümmert hat, ist einfach nur frech“, sagt Rosin. Dabei hätten beide im Januar dieses Jahres ein friedliches Gespräch mit der Gemeinde gesucht. „Wir wollten eine Lösung im gütlichen Einvernehmen“, sagt Rosin.

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Ein Mitarbeiter habe erklärt, dass die Hecke „von der Gemeinde Alpen als Eigentümerin“ nicht geschnitten werde. Weiterhin habe er berichtet, dass drei Mal im Jahr die Lebenshilfe-Werkstätten unterer Niederrhein GmbH in Alpen-Veen die Grünflächen im Alpener Ortskern – auch die Straße Im Dahlacker – pflege. Gertrud Brands schlug daraufhin vor, dass die Lebenshilfe doch auch ihre Hecke mit pflegen könne. Das schlug der Verwaltungsmitarbeiter jedoch aus. Er könne den Bürgern nicht erklären, „wieso bei Frau Brands die Hecke geschnitten wird“. „Dabei ist die Gemeinde doch Eigentümerin daher Hecke. Frau Brands hat sie nur viele Jahre als Eigentümerin des Hauses für die Gemeinde mitgepflegt“, bekräftigt Rosin.

In Alpen gebe es mehrere solcher Grundstücke, bei denen etwa die Vorgärten zu einem kleinen Teil noch der Gemeinde gehören, wie auch SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Armin Lövenich bestätigt. „Ich fürchte, dass die Gemeinde hier keinen Präzedenzfall schaffen möchte“, sagt Lövenich. Die Gemeinde wolle wohl nicht, dass andere Grundstückseigentümer, bei denen die Grundstücksverhältnisse ähnlich wie bei Getrud Brands sind, hellhörig werden, und ebenfalls der Gemeinde die Pflege von nun an überlassen wollen. Lövenich versuchte in den vergangenen Wochen zu schlichten und den beiden Parteien bei einer Lösung zu helfen – vergeblich. „Ich habe den Fall im Gemeinde-Rat vorgetragen. Daraufhin gab es am 9. August einen Termin unter anderem mit dem Bauamtsleiter Andre Enge, der aber gleich zu Beginn des Treffens erklärte, dass er sowieso nichts entscheiden könne“, berichtet Lövenich.

Verkehrssicherungspflicht

Rein rechtlich – vom zwischenmenschlichen einmal abgesehen – verstehen sowohl Lövenich als auch Rosin die Reaktion der Gemeinde nicht. Da die Gemeinde Eigentümerin des Grundstückes sei, sei sie auch zum Wohle der Bürger für die Pflege zuständig – egal wie es in den vergangenen Jahren gewesen sei. „Allein schon aufgrund der Verkehrssicherungspflicht besteht hier eine große Notwendigkeit. Frau Brands kann es nicht mehr. Daher wächst die Hecke auf die Straße und wird dort zur Gefahr“, sagt Lövenich.
Für die Gemeinde Alpen gibt es dagegen laut eines Schreibens vom 29. März, das am 9. August im Gespräch noch einmal bestätigt wurde, nur zwei Möglichkeiten: „Frau Brands lässt auf ihre Kosten die Hecke entfernen und integriert diese Fläche in eine Rasenfläche oder Frau Brands veranlasst einen Rückbau der Fläche (Hecke und Mauer) und die Gemeinde richtet dort zwei öffentliche Parkplätze her.“ „Beides würde etwa 30.000 Euro kosten – und warum soll Frau Brands diese Kosten allein tragen? Ihr gehört die Hecke ja nicht einmal“, sagt Rosin.

Auf Anfrage der Niederrhein Nachrichten bestätigt die Gemeinde Alpen, dass die Fläche, auf der die Hecke steht, ihr gehört: „Aus der vorliegenden Aktenlage ist zu erkennen, dass dieser Überbau der öffentlichen Fläche schon seit mehr als 30 Jahren besteht. Bei Straßenausbau der Straße ,Im Dahlacker‘ ist diese Situation bereits vorhanden gewesen und in der Ausbauplanung berücksichtigt worden. Das anliegende Grundstück, welches sich heute im Eigentum von Frau Brands befindet, liegt etwa 30 bis 40 Zentimeter höher als die angrenzende Straße. Um den Höhenunterschied auszugleichen und die Einfahrt des Grundstücks ordnungsgemäß anzulegen, war sie wohl auch weiterhin erforderlich. Somit ist der damalige Eigentümer nicht aufgefordert worden den Überbau zurückzubauen.“ Weiterhin sieht die Gemeinde ein, dass es Gertrud Brands, die das Haus vor zehn Jahren erworben hat, aufgrund ihres hohen Alters nicht mehr möglich ist, die Pflege zu übernehmen.

Pflege nicht ohne Weiteres möglich

„Allerdings ist es der Gemeinde Alpen auch nicht ohne weiteres möglich, die Pflege entsprechend der anwaltlich vorgetragenen Vorstellungen zu erfüllen. Gefordert ist ein regelmäßiger Rückschnitt und das Entfernen von Unkraut vor der vorhandenen Stützwand. Die Gemeinde Alpen wird sich sicherlich der beschriebenen Flächen annehmen. Allerdings sind die Pflegeintervalle der öffentlichen Grünflächen nicht mit denen eines privaten Grundstückseigentümers vergleichbar. Auch vorhandene Hecken werden nur aus Gründen der Verkehrssicherheit zurückgeschnitten. Beides führt dazu, dass das bisher gewohnte und gewünschte Erscheinungsbild nicht beibehalten werden kann. Die vorhandene Hecke steht etwa drei Meter von der Grundstücksgrenze der Frau Brands entfernt. Ein Rückschnitt wäre aus Gründen der Verkehrssicherheit also nur zur Straßenflächen nötig“, sagt die Gemeinde Alpen.

Des Weiteren stehe die Hecke zwar auf einem öffentlichen Grundstück, sei aber nicht von der Gemeinde Alpen dort errichtet worden. „Nach Auffassung der Gemeinde ist die vorhandene Situation nicht durch Frau Brands, aber sehr wahrscheinlich durch den Voreigentümer errichtet worden“, teilt die Gemeinde mit und ergänzt: „Jahrzehntelang ist die Fläche also unentgeltlich als Vorgartenfläche integriert und genutzt worden. Die rechtliche Situation, dass es sich dabei um eine öffentliche Fläche handelt, wird nun, angesichts des Alters der Eigentümerin, dazu verwendet, die weitere Pflege auf die Gemeinde Alpen zu übertragen, obwohl diese die Flächen nicht mal so angelegt hat, wie sie sich heute darstellt.“

Zu Klärung bereit

Trotzdem sei die Gemeinde Alpen zu einer weiteren Klärung bereit. Sie könne sich jedoch nicht nur auf diesen speziellen Fall konzentrieren, sondern müsse dabei die Auswirkungen auf das Gesamtgemeindegebiet im Blick behalten. „Die Gemeinde wird sich nicht vollständig verweigern, kann aber auch nicht jeder Forderung entsprechend der Anliegerwünsche erfüllen“, teilt die Gemeinde Alpen auf Anfrage mit.

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