Gastronomie
Bleiben die Tische ab Januar unbesetzt? Foto: ParinApri/Adobe Stock

ALPEN. Karl Hofmann, Schatzmeister der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Alpen, wollte eigentlich nur ein Klassentreffen organisieren. Doch er kassierte fast nur Absagen von den angefragten Wirten. „Wenn man für eine kleine Gruppe in der Gastronomie Räumlichkeiten buchen möchte, wird man rausselektiert, weil es sich für die Wirte oft nicht lohnt, die Räumlichkeit zu reservieren. Sie warten ab, ob noch eine größere Gesellschaft kommt, mit der sie mehr Geld verdienen können“, sagt Hofmann, der für dieses Vorgehen aber sogar Verständnis hat. Schließlich müssten die Gastwirte mittlerweile stark rechnen und seien dementsprechend auf jeden Euro angewiesen.

Umso verärgerter ist Hofmann darüber, dass die Bundesregierung die Senkung der Umsatzsteuer auf Speisen und Getränke in der Gastronomie, die während der Coronavirus-Pandemie zur Milderung der Auswirkungen erlassen wurde, der zum 1. Januar 2024 zurücknehmen möchte. Die Umsatzsteuer würde dann wieder von sieben auf 19 Prozent steigen. „Diese Steigerung um zwölf Prozent ist existenzgefährdend für die Gastronomie“, betont Hofmann. Viele Gastronomen könnten diesen Anstieg kaum eins-zu-eins auf ihre Speisen- und Getränke-Preise umlegen. „Denn dann bleiben die Gäste weg. In den Nobel-Restaurants besteht dieses Problem vielleicht nicht, aber bei den meisten der Gastronomen eben schon. Hier geht es nicht nur darum, sich zu bereichern, sondern ganz schlicht um die Existenz“, sagt Hofmann, der in dieser Diskussion auch wenig Verständnis für seine eigene Partei, die CDU, zeigt: „In den letzten beiden Jahrzehnten ist auch bei den Christdemokraten der wirtschaftliche Kompass verloren gegangen. Man hilft der Industrie und den großen Unternehmen im Land, aber nicht dem Mittelstand.“

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Brief an Bundeskanzler

In der vergangenen Woche lud die Mittelstands- und Wirtschaftsunion die Alpener Gastronomen zu einem Gespräch darüber ein – und diese erschienen zahlreich. Daraufhin setzte die MIT ein Schreiben auf, das sie an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schickte. Begleitet wurde der Brief von einer Unterschriftenliste. „Zwölf von 18 Alpener Gastronomen haben unterschrieben – das zeigt doch, dass das Problem die meisten Gastronomen betrifft“, sagt Hofmann.

„Nur zwölf Prozent oder Niedergang der Gastro-Kultur?“ lautet die provokante Frage, welche die Gastronomen den führenden Kräften der Bundesregierung stellen. „Die Gastronomie benötigt für ihre Existenz einheitliche, verlässliche, unkomplizierte Regeln und Steuern. Die sieben Prozent Umsatz- beziehungsweise Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke sind übrigens in den meisten Ländern Europas üblich! Wir Bürger brauchen weiterhin sichere Treffpunkte, die gastlich und erschwinglich sind, um uns weiterhin öffentlich und in freier Rede austauschen zu können. Zuwanderer, die Bürger dieses Landes werden wollen (sollen), finden die bestmögliche Integrationsunterstützung an diesen Ausbildungs- und Arbeitsorten“, heißt es in dem Brief.

Ein weiteres Betriebe-Sterben hätte neben dem Wegfall der Gastro-Vielfalt auch die Reduzierung der öffentlichen Versammlungsmöglichkeiten für alle Bürger zur Folge. „Sie (die Gastronomen, Anm. d. Red.) wenden sich aber auch an die Öffentlichkeit, an die Bürgerinnen und Bürger des Landes, um die Sorgen und Nöte einer selbstständigen Gastronomie aufzuzeigen. Zu zeigen, dass Selbstständigkeit und Kreativität, helfen können, die Probleme dieses Landes zu lösen“, heißt es ebenfalls in dem Schreiben, das unter anderem an Bundeskanzler Olaf Scholz ging.

20.000 Betriebsaufgaben

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga warnt ebenfalls eindringlich vor der Erhöhung der Umsatzsteuer im Gastro-Gewerbe. Er sagt bei einem Ende des Steuerrabattes rund 20.000 Betriebsaufgaben voraus, alleine 1200 davon in Nordrhein-Westfalen „Damit gehen dem Staat laut Dehoga Steuereinnahmen von rund 4,7 Milliarden Euro verloren. Die erwarteten Mehreinnahmen durch die Rücknahme der Steuersenkung betragen dagegen lediglich 3,3 Milliarden Euro – der Steuerrabatt wäre dann keiner mehr“, erklärt Karl Hofmann. Das Ende der Mehrwertsteuer von sieben Prozent in der Gastronomie wäre darüber hinaus den Gastwirten gegenüber unfair, die ihre Gäste im eigenen Lokal bewirten. „Der Lieferdienst zahlt nur sieben Prozent.“

Auch wenn die Zeit nun drängt, ist Karl Hofmann guter Dinge, dass das Schreiben der MIT und der Gastronomen noch Erfolg haben könnte: „Bundeskanzler Olaf Scholz hat schon in seinem Wahlkampf betont, dass er die Gastwirte nicht vergessen wird. Jetzt muss er es zeigen.“ Im September hatte der Bundestag allerdings mehrheitlich gegen eine Fortführung des Steuerrabatts für die Gastronomie gestimmt.

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