STRAELEN. Für die 13. Sommertour hat sich die Wirtschaftsförderung Kreis Kleve (WfG) für ein nach wie vor brandaktuelles Thema entschieden. Unter dem Motto „Engagiertes Handwerk für starke Fachkräfte“ geht es, begleitet von der Kreishandwerkerschaft und weiteren Gästen, kreisweit in vier Handwerksbetriebe, um über Ausbildung, Fachkräftesicherung und -haltung zu sprechen – und Einblicke in die Praxis zu erhalten. Als erste Station stand Feinkost & Fleischerei Borghs in Straelen auf dem Programm.

„Das Handwerk hat es nicht sehr leicht“, brachte es WfG-Geschäftsführerin Brigitte Jansen gleich zu Anfang auf den Punkt. Das Fleischerhandwerk ist eine von vielen Branchen, die mit einem großen Nachwuchs-Defizit kämpft. Heinz Borghs kann das als Inhaber der Fleischerei Borghs nur bestätigen. Natürlich ist nicht alles schlecht, wie ihr Beispiel zeigt: Das Traditionsunternehmen, das mittlerweile in dritter Generation von der Familie geführt wird, versorgt seine Kunden seit 1927 mit Fleisch und Wurstwaren und hat sich über die Zeit immer breiter aufgestellt. Zum Angebot gehören auch ein Frühstück und der frisch gekochte Mittagstisch im angrenzenden Bistro sowie ein ausgewachsener Catering- und Eventservice. So kommt das gesamte Team auf eine Größe von 28 Leuten, davon sechs Verkäuferinnen und drei Fleischer. Dennoch: „Der Fachkräftemangel ist da und extrem groß“, sagt Borghs.

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Unfaires Image

Im Falle des Fleischerhandwerks spielt auch das nicht allzu gute Image hinein: dreckig, blutig, körperlich anstrengend. Vorstellungen wie diese machten es schwierig, Interesse bei der Jugend zu wecken. Eine Sache stellt Heinz Borghs im Gespräch aber schnell klar: „Man muss Fleischwirtschaft und Fleischerhandwerk differenzieren.“ Es sei die industrielle Fleischwirtschaft, die mit Themen wie Massentierhaltung und schlechten Löhnen oft für Schlagzeilen sorge. Anders als das Fleischerhandwerk, das mit Regionalität und Familienunternehmen punkten könne. „Wir stehen persönlich hinter der Theke.“ Neben Qualitätsversprechen spiele hier auch Ehrlichkeit eine bedeutende Rolle. Trotzdem hat sich die Lage sehr nachteilig entwickelt, eine große Mitschuld daran gibt Borghs der Politik, die seit Anfang der 2000er Jahre durch die Zentralisierung vieles erschwert habe. Die Folge: Viele kleine, regionale Schlachthöfe seien verschwunden. Stattdessen werde im Ausland geschlachtet, in Deutschland billig zerlegt und anschließend wieder im Ausland das Produkt industriell hergestellt. „Das Fleischerhandwerk steht nicht dafür“, betont Borghs und fährt fort: „Heute zahlen wir die Zeche. Was der Käufer will, ist nicht mehr da.“ Während die großen, zentralen Schlachthöfe immer wieder am Pranger stehen.

Kreativität ist gefragt

Dabei hat das Fleischerhandwerk viel zu bieten, wie Heinz Borghs erläutert. Kreativität spiele zum Beispiel eine große Rolle, wie die „zigtausend Wurstsorten“ zeigen würden, die auch mithilfe moderner Maschinentechnik entstehen. Hinzu kommen eine zuletzt noch verbesserte Lohnstruktur und gute Aussichten bei der beruflichen Weiterbildung, etwa zum Fleischermeister oder über ein Studium zum Lebensmitteltechniker.

Ähnlich ist es bei den Fachverkäufern, bei denen es besonders viele Quereinsteiger gebe: „Der Job ist mittlerweile gut bezahlt.“ Entgegen dem Trend im Handel hat man bei Borghs auch an den Öffnungszeiten geschraubt. „Wir merken, dass unsere Mitarbeiter mehr Zeit für die Familie haben möchten. Ich kenne im Kreis Kleve keine Metzgerei, die länger als 18.30 Uhr geöffnet hat.“

Mit der Zeit gehen

Wenn es darum geht, neue Fachkräfte für sich zu gewinnen, scheint neben höheren Löhnen auch vor allem eines wichtig zu sein: mit der Zeit zu gehen. Zum Beispiel beim Angebot von vegetarischen und veganen Produkten. Die würden zwar nicht die Mehrheit ausmachen, dagegen verschließen könne und wolle man sich aber auch nicht, sagt Heinz Borghs. Dass das Bewusstsein für gesunde Ernährung zugenommen hat, kann er auch am Mensaangebot der Schulen verdeutlichen, die er mit seinem Betrieb beliefert. „Die Kleinen kriegen zwei Mal in der Woche Fleisch, zwei Mal vegetarisch und einmal Fisch oder Suppe.“

Ein anderer Ansatz: „Wir müssen aktiver in den sozialen Medien sein.“ Borghs weiß aber auch, wie schwer Marketing geworden ist. Das liege an den vielen zu bespielenden Medien: Zu Print gesellen sich zahlreiche Online-Plattformen mit teils unterschiedlichem Publikum. Borghs berichtet zwar von vielen kreative Ansätzen, die er bei Kollegen gesehen hat, viele würden sich aber auch weiterhin mit Social Media schwertun. Umso sinnvoller sei da eine professionelle Begleitung. In dieser Hinsicht lobt er die Kreishandwerkerschaft: Diese hat Betrieben die Möglichkeit gegeben, sich selbst in kurzen Videos vorzustellen.

Ohnehin hätten die klassischen Bewerbungen mehr und mehr ausgedient, findet Borghs. „Der Erstkontakt ist das Entscheidende.“  Nur die richtige Art und Weise müsse man finden – am besten niederschwellig. Mit dieser Ansicht ist er nicht allein: „Wir müssen innovativ sein, schnell ins Du gehen und locker ins Gespräch kommen“, erläutert der Straelener Wirtschaftsförderer Uwe Bons. So zum Beispiel geschehen mit dem „Karrierekick“, der 2022 erstmalig an den Start gegangen ist und 2024 zurückkehren soll. Hier konnten junge Leute mit Betrieben spielerisch beim Kicker in Kontakt treten. Einen anderen wichtigen Baustein erwähnt Theo Rappers von der Kreishandwerkerschaft Kleve: Die Einbeziehung der Schulen.

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