Krieg
Unvorstellbar: Das völlig zerstörte Stadtbild von Wesel 1945. Foto: Hilde Löhr

WESEL. Nur die ältere Generation erinnert sich an die Bilder, als Wesel in Schutt und Asche lag. Grauenvolle Bilder, die man am liebsten verdrängen möchte. Und doch ist es wichtig, die Erinnerung wach zu halten, weil darin sind sich alle einig: „Nie wieder Krieg!“ Daher hat die Stadt Wesel beschlossen, 75 Jahre nach der Zerstörung durch Bombenangriffe Gedenkveranstaltungen durchzuführen.

Wesel war in Kriegszeiten ein wichtiges Ziel der Alliierten, weil dort die Eisenbahnlinie über Münster nach Berlin führte, gleichzeitig war Wesel Garnison- und Lazarettstadt, in der sich größere Einheiten der Wehrmacht aufhielten. Hitler hatte Wesel zur Festung erklärt. Am 16. Februar machten Bomben die Stadt dem Erdboden gleich, bis zum März gab es immer weitere Angriffe, bei denen insgesamt über 600 Zivilisten und 728 Soldaten starben. Viele Mütter und Kinder entkamen dem Tod durch eine vorzeitige Evakuierung.

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Ein Zeichen für den Frieden

Im Mai 2019 hatte die SPD-Fraktion die Idee, im Gedenken an die Zerstörung ein Zeichen für den Frieden zu setzen. Der Ausschuss für Kultur und Stadtmarketing stimmte einstimmig dafür, ein Gedenkwochenende durchzuführen.

Dieses beginnt am Freitag, 14. Februar, um 19.30 Uhr mit einem Konzert der Castle Singers aus Emmerich mit dem Titel „Verleih uns Frieden“. Dieses veranstaltet die Katholische Kirchengemeinde Sankt Nikolaus Wesel in der Engelkirche, Am Kirchplatz 3. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

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Programmvorstellung von (v. l.): Heike Kemper (Stadt Wesel), Kreisdechant Stefan Sühling, Dr. Barbara Rinn-Kupka (Städtisches Museum), Superintendent Thomas Brödenfeld, Heiko Suhr (kommissarischer Leiter des Stadtarchivs), Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und Kulturdezernent Rainer Benien. NN-Foto: Thomas Langer

„Die Kirche ist in den 50er Jahren auf dem alten preußischen Fort errichtet worden, das in der Kriegszeit als Luftschutzraum genutzt wurde. Damals wurde es auch von einer Bombe getroffen, die als Blindgänger nicht explodiert ist“, erzählt Kreisdechant Stefan Sühling. Circa 200 Menschen hätten dadurch überlebt. Die Kirche sei schließlich aus Dankbarkeit als Mahnmal errichtet worden.

Ein besonderer Film

Am Samstag, 15. Februar lädt die Stadt Wesel um 11 Uhr in den Ratssaal, Klever-Tor-Platz 1 ein zur Gedenkstunde. Die Veranstaltung ist bereits komplett ausgebucht. Unter dem Thema „Nie wieder Krieg“ informiert der aus Wesel stammende TV-Journalist und Historiker Alexander Berkel über das damalige Geschehen. Dabei schlägt er einen Bogen zur aktuellen Diskussion. „Aus unserer Sicht ist dieser Bogen sehr wichtig, denn heute öffnet sich in der Gesellschaft der Raum des Sagbaren nach rechts. Und dem muss man entgegenwirken“, sagt Kulturdezernent Rainer Benien.

Es werden auch Ausschnitte aus dem Film „Rheinübergang 1945 Luftlandung“ gezeigt, den das Stadtarchiv gemeinsam mit Berkel veröffentlicht. „Wir haben uns aus amerikanischen, kanadischen und britischen Archiven Filmrollen beschafft und die Aufnahmen, die zu Wesel gehören, herausgeschnitten. Highlight wird ein Farbfilm sein, gefilmt von einer amerikanischen Einheit, die im Prinzip die komplette Luftlandeoperation begleitet hat“, sagt Heiko Suhr, kommissarischer Leiter des Stadtarchivs. Der Film kann beim Stadtarchiv, im Buchhandel und bei der Stadtinformation gekauft werden.

Der Sonntag, 16. Februar beginnt um 11 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst im Willibrordi-Dom in Wesel. Hierfür haben Schüler des Konrad-Duden-Gymnasiums Spuren nachverfolgt, mit Zeitzeugen gesprochen und werden an die Zerstörung erinnern. „Dieser Gottesdienst blickt nicht nur nach hinten, sondern zieht auch eine Linie nach vorne, eine Verantwortlichkeitslinie“, erzählt Superintendent Thomas Brödenfeld. Wer mit dem Pkw anreist, nutzt bitte die Sonderöffnungszeiten der Tiefgarage am Großen Markt von 10 bis 14 Uhr.

Über das Wochenende hinaus

Zusätzlich sind Veranstaltungen geplant, die über das Wochenende hinaus gehen. Am Dienstag, 24. März, wird es um 18.30 Uhr eine Gedenkstunde im Deichdorfmuseum Bislich geben. Lebendige Überlieferungen, zum Beispiel in Form von Aufzeichnungen eines Wehrmachtssoldaten und dem Tagebuch einer Bislicherin, erinnern an die Rheinüberquerung der Alliierten in Bislich. Der Eintritt ist kostenlos.

Auch führt Stadtführer Hans Boymann an zwei Sonntagen, 29. März und 11. Oktober, jeweils ab 15 Uhr für zwei Stunden zu den noch heute sichtbaren Zeugnissen des Krieges. Zeitzeugen werden dabei von ihren Erlebnissen berichten und die Vergangenheit in Erinnerung rufen. Die Teilnahme kostet sechs Euro.

Für das Gedenken

Im Laufe des Jahres sollen auch zehn weitere Stolpersteine im Gedenken an die deportierten und ermordeten Weseler jüdischen Glaubens verlegt werden. 144 werden es schließlich sein.

Geplant ist auch eine Erweiterung der „Liberation Route Europe“. Diese Route ist der Weg, den die alliierten Streitkräfte in der Endphase des Zweiten Weltkriegs nahmen und führt von Südengland aus über die Küste der Normandie, durch die belgischen Ardennen, Niederlande bis nach Berlin. Heute macht sie an vielen Punkten europäische Geschichte nachvollziehbar. Die Wegmarken werden durch einen Internationalen Wanderweg verbunden.

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Premierminister Winston Churchill beobachtet gemeinsam mit Eisenhower und Montgomery die Truppenbewegungen der Alliierten über den Rhein von der Wacht am Rhein aus. Foto: Imperial War Museum

Wesel ist dem Verein „Liberation Route Europe“ beigetreten und plant, Wegmarken mit Hörstationen zu installieren. Eine wird an der Wacht am Rhein in Büderich aufgestellt. Dort erfolgte der Rheinübergang der Alliierten 1945. Das berühmte Foto vom Balkon der Wacht am Rhein zeigt Winston Churchill mit US-Generalmajor Dwight D. Eisenhower und dem britischen Feldmarschall Bernard Montgomery, wie sie die Truppenbewegungen beobachten.

Mit 75.000 Euro fördert das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung zehn Hörstationen. Weitere davon sollen mit Sponsorenhilfe aufgestellt werden. Rund 9.000 Euro kostet eine Wegmarke.

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