Wache Augen, offene Ohren

Nachbarschaftskoordinator Andreas Cziudej berät Rheinberger Bürger und baut ein Hilfe-Netzwerk auf

RHEINBERG. Pumpennachbarschaften haben in Rheinberg lange Tradition. Sie funktionieren nicht nur, wenn es etwas zu feiern gibt, sondern die Nachbarn stehen bei, wenn im Haus nebenan Hilfe benötigt wird. Das ist so selbstverständlich, dass kaum darüber gesprochen wird. Und doch das Thema „Nachbarschaftshilfe“ wird nicht immer so gelebt, wie es einst die Statuten von Pumpennachbarschaften vorsahen. Wenn Familienmitglieder ausziehen oder sterben und nur noch ein „Senior“ übrig bleibt, besteht zwar der Wunsch, im eigenen Haus alt zu werden, doch oftmals wächst der Hilfebedarf. Dann werden Menschen benötigt, die mit wachen Augen ihre Mitmenschen wahrnehmen, ein offenes Ohr und Herz haben. Weil nicht jeder das Glück hat, aufmerksame Nachbarn zu haben, die sich Zeit für ihre Mitbürger nehmen können, und andererseits viele Menschen aus Scham nicht um Hilfe bitten wollen, gibt es für die Stadt Rheinberg nun den Nachbarschaftskoordinator Andreas Cziudej, der vermittelnd tätig wird.

Der neue Nachbarschaftskoordinator Andreas Cziudej (l.) mit Martin Tomberg, Kommissarischer Leiter Sachgebiet Soziales und Integration bei der Stadt Rheinberg (r.) .
NN-Foto: Lorelies Christian

Da er mit dieser Aufgabe alleine überfordert wäre, ist er zur Zeit dabei, ein Netzwerk aufzubauen mit ehrenamtlichen Nachbarschaftsberatern. „Meine Aufgabe ist es, ein Netz mit niedrigschwelligen Angeboten zu schaffen. Dabei möchte ich die Menschen sensibilisieren, ihr Glück zu empfinden in einer Kommune zu leben, in der Vereinsleben sehr ausgeprägt gelebt wird. Mein Konzept setzt da an, diese Stärke auszubauen und zu professionalisieren“, erläutert Andreas Cziudej seine Aufgabe. Er ist sehr stolz darauf, in den ersten beiden Monaten seit Amtsantritt drei Ehrenamtler gefunden zu haben, die sich als Nachbarschaftsberater engagieren möchten. Es ist eine Lehrerin, eine Altenpflegerin und ein ehemaliger Kumpel, der an der Zeche gearbeitet hat, die sich nun für das neue Aufgabengebiet ausbilden lassen.
Eins stellt Cziudej bereits klar: „Das Angebot richtet sich nicht ausschließlich an Senioren, sondern an alle Bürger, die Hilfe benötigen. Zum Beispiel brauchen auch pflegende Angehörige von behinderten Kindern Unterstützung. Jeder kann sich gerne an uns wenden, die kostenfreie Beratung ist vertraulich. Wir helfen neutral, schwierige Lebenssituationen zu meistern.“
Ursprünglich hat der 38-Jährige Versicherungskaufmann gelernt, dann hat er sich beim Malteser Hilfsdienst beworben und sehr unterschiedliche Aufgaben gemeistert: Fünf Jahre lang hat er einen Behindertenfahrdienst in Moers aufgebaut, er hat Rettungswachen in Wesel und Bocholt geleitet, hat den Sozialen Dienst im Vertrieb strukturiert, eine große Flüchtlingsunterkunft in Recklinghausen gemanagt und später ein Wirtschaftsprojekt geleitet. Dabei kam er auf den Gedanken, zusätzlich im Abendstudium Betriebswirtschaft zu studieren. Die durch das Leader-Projekt ausgeschriebene Teilzeitstelle als Nachbarschaftskoordinator passt daher bestens in seine eigene Lebensplanung, so dass er Arbeit, Studium und Familie (verheiratet, zwei Kinder) unter einem Hut bekommen kann. Martin Tomberg, Kommissarischer Leiter für das Sachgebiet Soziales und Integration der Stadt Rheinberg, freut sich über den Einsatz des neuen Kollegen. „Er ist ein Brückenbauer und muss wache Augen haben und sensibel vorgehen“, vergleicht Tomberg das neue Aufgabengebiet mit der Aufgabe des Flüchtlingskoordinators. Er ist überzeugt, dass das Hilfeangebot auf Dauer gut angenommen wird, auch wenn er die „Dunkelziffer“ der Menschen in schwierigen Lebenssituationen nicht einschätzen kann.
„Die Kunst wird sein, die Barrieren im Kopf der Menschen zu beseitigen“, ist Andreas Cziudej überzeugt, denn zunächst muss er sich und seine Arbeit bekannt machen, Vertrauen aufbauen, damit er auf der einen Seite ein Team von Nachbarschaftsberatern aufbauen kann und gleichzeitig Menschen anspricht, die Hilfe benötigen.
Ein erster Schritt in die Öffentlichkeit ist ein Infostand am Markttag, 24. Mai ab 9 Uhr. Andreas Cziudej ist immer montags und dienstag von 8.30 bis 10.30 Uhr sowie donnerstags von 13 bis 15 Uhr in der Dienststelle, Orsoyer Straße 18, Zimmer 7 zu erreichen oder telefonisch unter 02843 171 321 oder 0151 219 89854.

-Anzeige-
Vorheriger ArtikelTickets sichern für Light Walk 2020
Nächster ArtikelVersuchte Anstiftung zum Mord: Freispruch für Gelderner