RHEINBERG. „Gedenken – Erinnern – Verändern“: Das ist der Name der Ausstellung zur NS-Zeit, mit der sich Schüler der Europaschule Rheinberg nicht nur mit der Vergangenheit Deutschlands auseinandergesetzt haben. Mit Blick nach vorne geht es ihnen auch darum, sich ihrer Verantwortung zu stellen und einen Beitrag für eine bessere Zukunft zu leisten, um gleichzeitig eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit zu verhindern. Noch bis Freitag, 5. April, ist die Wanderausstellung im Foyer des Stadthauses Rheinberg zu sehen.

Angesichts des erstarkten Rechtsrucks in Deutschland sind die Themen der NS-Zeit so aktuell wie lange nicht mehr. Für die Auseinandersetzung mit der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten setzt man an der Europaschule nicht nur auf Geschichtsbücher, sondern ebenso auf Exkursionen. Diese haben bereits viele Schüler an schreckliche, aber auch lehrreiche Orte geführt. So unverzichtbar erlebbare Geschichte auch sein mag, allgemein verpflichtend seien diese Fahrten nicht, sagt Lehrerin Martina Leverberg. „Das muss man können und auch wollen.“

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Eindringliche Erfahrungen

Die neue Ausstellung, an der vor allem Schüler der Q1 (12. Klasse) und die Schülervertretung gearbeitet haben, zeigt jedoch eindrucksvoll, welche besonderen Früchte diese Herangehensweise tragen kann: „Es war ein Anliegen der Schüler: Sie haben viel erlebt und wollten das gerne anderen mitteilen“, erzählt Leverberg.

So ist es auch Schülersprecher Pascal Geßmann, seinem Stellvertreter Niklas Herrmann und Justin Roderfeld vom Vorstand der Schülervertretung ergangen. Bei allen drei hinterließen die Exkursionen großen Eindruck – im positiven wie im negativen Sinne. Geßmann betont die krassen Kontraste der Erfahrungen: Einerseits habe man die jüdische Kultur erlebt – vom Essen bis hin zur Musik – und andererseits Orte des Leids wie Auschwitz-Birkenau kennengelernt.

Laut Niklas Herrmann habe das dafür gesorgt, dass man von neuen Aspekten der Geschichte erfahren habe, die man so nicht unbedingt in den Büchern finde – wie etwa vom erfolglosen Aufstand der Insassen gegen ihre Wärter.

„So etwas darf nie wieder passieren“

Besonders eindringlich erlebten die drei auch das Gespräch mit einer Zeitzeugin. Ihre Bitte, die Geschichte am Leben zu halten und weiterzuerzählen, habe ihnen ihre eigene Verantwortung besonders eindringlich vor Augen geführt. Denn eines ist klar: Die Zeitzeugen selbst können ihre Geschichte nicht mehr lange erzählen.

Das Trio der Schülervertretung möchte der Bitte nachkommen und betont in diesem Sinne noch einmal deutlich: „So etwas darf nie wieder passieren.“ Auch ihre Mitschüler dürften diese Überzeugung teilen: „Es gab danach viel Gesprächsbedarf“, sagt Justin Roderfeld. Das bezeugt auch Geßmann: Der Bus sei auf der Rückfahrt zwar voll gewesen, aber viel stiller als noch auf der Hinfahrt. „Das habe ich vorher noch nie erlebt.“

Von der Schule über die Uni bis zum Landtag

Ihre Eindrücke und Gedanken haben die Schüler mit der Ausstellung in eine besondere Form gegossen. Ermöglicht hat das auch die Unterstützung eines jüdischen Unternehmers aus Köln. So erwarten die Besucher neben klassischem Infomaterial in Form gestalteter Beiträge auch Zeitzeugen-Interviews, Sprachaufnahmen, Videos und weitere Dokumente, wie zum Beispiel ein Plan vom KZ Birkenau und Unterrichtsmaterialien.

Das hat den Schülern auch das Lob einiger Gäste aus Tel Aviv eingebracht, die diese Ausstellung selbst gerne nach Israel holen würden. Vorher müsse aber erst einmal eine englische Übersetzung her, sagt Martina Leverberg.

In den nächsten Monaten steht für die Wanderausstellung allerdings noch eine Reise durch Deutschland an, denn nach dem Bürgerhaus ist noch lange nicht Schluss. Insgesamt stehen derzeit 14 Schulen in NRW und Baden-Württemberg, zwei Universitäten und der Landtag auf dem Programm – letztgenannter am geschichtsträchtigen Datum des 9. November, der Reichspogromnacht. Ermöglicht wird diese ausgedehnte Tour durch die vielen Kontakte von Dr. Julia Sonnenwald, die nicht nur Lehrerin an der Europaschule ist, sondern das Projekt auch angestoßen hat.

Eine klare Meinung zum Projekt vertritt Rheinbergs Bürgermeister Dietmar Heyde: „Wer die Geschichte nicht erinnert, ist verurteilt, sie neu zu durchleben“, zitiert er den spanischen Philosophen George Santayana. Das führt ihn zu einer anderen Aussage, auf die er besonders im Kontext der aktuellen Entwicklungen verweist: „Nie wieder ist jetzt. Das gilt auch für Rheinberg.“ Umso mehr freut sich der ehemalige Geschichtslehrer über das Engagement der Schüler. „Wir sind immer mehr auf Zweitzeugen angewiesen. Umso kostbarer ist es, wenn junge Menschen den Satz von Santayana aufgreifen und sich dieser Thematik als Verantwortliche für die Zukunft stellen.“

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