Ihre eigene Geschichte verdeutlicht Eva Weyl anhand persönlicher Fotos und Schriftstücke. Das Mädchen auf dem Bild ist sie selbst - im Durchgangslager von Westerbork. NN-Foto: Anastasia Borstnik

REES. Als Eva Weyl geboren wurde, war Adolf Hitler bereits seit zwei Jahren an der Macht. Einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie im Durchgangslager Kamp Westerbork. Sie ist einer der wenigen Juden, die den Nationalsozialismus überlebt haben – mit viel „Glück“, wie sie es selbst sagt. Deshalb ist es für sie als Zeitzeugin wichtig, Schüler über diese grausame Zeit aufzuklären.

Im Reeser Gymnasium Aspel ist es still. 150 Schüler der Jahrgangsstufe 9 und der Q1 warten im abgedunkelten PZ gespannt darauf, was ihnen die 80-jährige Zeitzeugin erzählen wird. Und ihr knapp einstündiger Vortrag macht die Anwesenden sprachlos, denn Weyl berichtet über ihre Zeit und Erfahrungen im ehemaligen niederländischen Durchgangslager Kamp Westerbork. „Ich weiß, ihr googelt viel und vielleicht könnt ihr dort auch recherchieren, was für schreckliche Dinge während des Nationalsozialismus geschehen sind. Einen Teil werdet ihr da nicht so schnell finden – nämlich meinen Geschichte, die ich euch heute erzählen möchte“, beginnt Eva Weyl ihren Vortrag. „Meine Geschichte hat ein Happy End, denn glücklicherweise habe ich mit meiner Familie überlebt.“ Gebürtig stammen Evas Eltern aus Deutschland: die Mutter kommt aus Freiburg und der Vater aus Kleve. Beide sind jüdischen Glaubens.
Als Eva sechseinhalb ist, muss die Familie ins Lager ziehen. Drei Jahre verbringt sie dort und Weyl erinnert sich noch genau an die Zeit: „Wir haben in Hochbetten geschlafen und wenn wir die Wäsche zum Trocknen an die Leinen über uns hängten, fielen kalte Tropfen, denn es war Winter.“ Auch die beiden Öfen, die zu beiden Seiten der Baracke standen, wärmten kaum. Vor allem mochte sie es nicht, ihre Notdurft zu verrichten: „Dann musste man nämlich in den großen Raum mit den zahlreichen Löchern, auf die man sich setze. Man hörte und roch, was die anderen gerade machten. Privatssphäre gab es nicht.“ Doch was Eva Weyl nie erfahren musste, war Hunger: „Meine Eltern haben mir immer so viel von sich abgegeben, damit ich satt war. Das habe ich aber erst später erfahren“, sagt sie. Genauso wenig erfuhr sie damals, was wirklich um sie herum passierte, nämlich das Menschen in Konzentrationslagern massenhaft umgebracht wurden. „Die Gerüchte, dass in Ausschwitz Menschen umgebracht werden, wollten die meisten nicht glauben. Und die, die es doch glaubten, brachten sich um oder versuchten zu fliehen“, erzählt sie. „Erst nach dem Zweiten Weltkrieg war klar, was wirklich geschehen ist.“ Dabei zeigte sie den Schülern Bilder von ausgemergelten Arbeitern in den Lagern und von toten Leibern, die mit einem Bagger oder Schubkarren zusammengeschoben wurden. „Die Bilder sind schrecklich. Aber ich will euch sagen: Schaut, was passiert ist, damit ihr es nicht vergesst und daraus lernt. Das ist mir sehr wichtig“, sagt sie. „Im Leben trefft ihr viele Entscheidungen. Doch eins muss euch immer bewusst sein: Es zählt immer das Gute im Menschen.“

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