KLEVE. „Ich bin total begeistert“, sagt Carmen Weber. Endlich kann sie die Lauflernschuhe ihres verstorbenen Vaters in der Vitrine sehen. Die Schneppenbaumerin sitzt im Rollstuhl. Das ist auch der Grund, weshalb sie bisher keine Chance hatte, das Klever Schuhmuseum zu besichtigen. Aufgemerkt: bisher. Denn ab sofort gilt Barrierefreiheit. Ein Aufzug macht‘s möglich und eröffnet nun gehbehinderten oder körperlich eingeschränkten Besuchern ganz neue Möglichkeiten.

„Beide Etagen des Museums können dank des Aufzugs nun auch von Personen besichtigt werden, denen das bislang wegen der Treppen nicht möglich war“, erklärt Stefan Beckers, der seit vergangenem Jahr Vorsitzender des Vereins Kleefse Schüsterkes ist. Der Verein hat das Museum an der Siegertstraße 3 im ehemaligen Werksgebäude der Gustav-Hoffmann-Schuhfabrik vor 13 Jahren eröffnet, um die Bedeutung der Schuhherstellung – auch für die Entwicklung der Stadt Kleve – für die nachfolgenden Generationen in Erinnerung zu halten. Zu sehen sind eine bemerkenswerte Schuhsammlung, alte Dokumente, Maschinen und Werkzeuge – Erinnerungen an eine Zeit, in der die Schuhindustrie am Niederrhein eine bedeutende Rolle gespielt hat. Ende des 19. Jahrhunderts gab es allein in Kleve 80 kleinere und mittlere Schuhfabriken. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden 21 Betriebe wieder aus den Trümmern, die sich aber bis 1986 auf fünf Betriebe reduzierten. Ende 2001 gab auch das Traditionsunternehmen Hoffmann die Produktion in Kleve auf.

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“Vieles in Sachen Kultur ist möglich – auch für Rollstuhlfahrer”

Carmen Weber hat dem Museum im vergangenen Jahr die Lauflernschuhe ihres Vater gestiftet. „In der Original-Verpackung“, freut sich Beckers über die Schenkung. Gekauft wurden die Schuhe 1951 in Dortmund. Später zog es die Familie nach Berlin. Als der Vater verstarb, kamen die Schuhe (Marke Elefanten) an den Niederrhein zurück, denn hier lebt Carmen Weber mittlerweile mit ihrem Lebensgefährten. „Mein Mann kommt vom Niederrhein. Er ist in Kleve zur Schule gegangen und hat hier seine Ausbildung gemacht“, erklärt sie. In Bedburg-Hau fühlt sich die ehemalige Berlinerin, die in Düsseldorf aufgewachsen ist, pudelwohl. Auch in Sachen Barrierefreiheit gibt sie der Region eine gute Note: „Vieles in Sachen Kultur ist möglich – auch für Rollstuhlfahrer. Und wenn mal ein Geschäft nur über Stufen oder eine Schwelle zugänglich ist, dann gibt man sich zumindest immer große Mühe, um es möglich zu machen.“ Was sie sich wünschen würde: einen barrierefreien Aussichtspunkt. „Ich würde gerne mal meine neue Heimat von oben sehen. Das wäre traumhaft“, sagt sie. Kurz hat das auch geklappt. „Das Riesenrad auf der Klever Kirmes war auch für Rollstuhlfahrer geeignet“, sagt sie: „Das war toll.“

“Informativ und wirklich interessant”

Bleibenden Eindruck hat auf Carmen Weber aber auch das Klever Schuhmuseum gemacht. „Die Ausstellung ist unglaublich informativ und wirklich interessant“, sagt sie. Natürlich sei es schon ein „besonderer Moment“ gewesen, die Schuhe des Vaters dort ausgestellt zu sehen. „So haben die Schuhe nochmal eine Aufgabe“, sagt sie. Sie erzählen Geschichte. Das mit dem Aufbewahren der ersten Schuhe, das habe Tradition in ihrer Familie. „Ich habe meine Schuhe auch noch, natürlich ebenfalls von Elefanten“, sagt sie. Auf das Schuhmuseum ist sie durch eine Facebook-Gruppe aufmerksam geworden. „Ich bin sehr froh, dieses Museum gefunden zu haben und muss sagen, dass das eine ganz tolle Sache ist. Die Leute sind sehr engagiert – und es ist wichtig, die Geschichte seiner Heimat zu kennen“, findet sie.

„Den Aufzug, der bisher nur privat genutzt wurde, hatten wir schon einige Zeit im Blick“, sagt Beckers. Nach Gesprächen mit dem Eigentümer, Zevens Grundbesitz, ist der Wunsch im Zuge der Erneuerung der Schließanlage in Erfüllung gegangen. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Beckers. Allerdings gilt: Der Aufzug kommt nur zum Einsatz, wenn er benötigt wird. Eine vorherige Anmeldung ist wünschenswert. Für spontane Besuche – während der Öffnungszeiten – findet man eine Telefonnummer am Museumseingang.

Übrigens: Ab dem 5. März werden im Museum offene Führungen angeboten. Beginn ist um 14.30 Uhr, die Teilnahme kostet (inklusive Eintritt) fünf Euro. Geöffnet ist das Museum immer sonntags von 14 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung. Weitere Infos unter www.klever-schuhmuseum.de.

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