NIEDERRHEIN. „Die Streuobstwiesen am Niederrhein werden immer beliebter“, freut sich Hubert Lemken vom Verein Landschaftspflege im Kreis Kleve (Likk), der sich seit vielen Jahren für den Natur- und Artenschutz einsetzt und das ökologische Gleichgewicht im Blick behält. Rund 2.000 Pflanzungen konnte der Verein in 2020 durchführen – doppelt so viele wie in den Jahren davor. „Das zeugt auch von Wertschätzung. Da wächst bestes Obst auf den Wiesen, das geerntet und verarbeitet werden will.“

Streuobstwiesen erfüllen wie kaum ein anderer Lebensraum vielfältigste Aufgaben, sind wichtig für Vögel und ein wahrer Hotspot für Insekten. „Sie bereichern unsere Landschaft und bringen ganz nebenbei naturgemäßes und gesundes Obst. Die Vielfalt der heimischen Obstsorten ist im Vergleich zur begrenzten Auswahl im Supermarkt schier unglaublich“, sagt Hubert Lemken. Alleine in den Obstwiesen des Kreises Kleve gebe es schätzungsweise an die 400 verschiedene Obstsorten.

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Ganz vorne mit dabei: alte Apfelsorten wie Boskop, Cox Orange, Kaiser Wilhelm oder Gravensteiner. Und die sind nicht nur viel leckerer als Golden Delicious oder Pink Lady, sondern auch viel gesünder. „Eine genetische Bandbreite gibt es bei den modernen Züchtungen nicht“, erklärt der Experte, weshalb die Äpfel im Supermarkt alle gleich aussehen – und oftmals für Allergiker ungeeignet sind. „Diese Sorten sind anfällig für Krankheiten und Schädlinge und benötigen Pflanzenschutzmittel“, weiß er. „Zumal es auch keinen Sinn macht, Bio-Äpfel aus Südafrika zu kaufen“, verweist er auf die langen Transportwege. Nachhaltig geht anders.

Praktische Helfer

Johannes van de Loo (l.) und Hubert Lemken mit der Obstraupe und dem Obstigel. NN-Foto: vs

Da die Apfelernte in den nächsten Wochen ansteht, machen der Likk, ebenso wie der Naturhof Kirsel, der Heimatverein Keppeln und die mobile Saftpresse darauf aufmerksam, dass es inzwischen viele technische Möglichkeiten gibt, die die Ernte erleichtern. „Wir wollen den Obstbaum-Besitzern und den Verbrauchern zeigen, wie einfach es ist“, sagt Johannes van de Loo vom Naturhof Kirsel. Obstigel, Obstraupe, Seilschüttler und Roll-in sind einfach zu bedienen und sparen Zeit. Während der „Igel“ die Äpfel aufspießt und über eine Rolle in Körbe transportiert, geht die „Raupe“ schonender mit dem Obst um, ist aber auf einen Elektromotor angewiesen.

Peter Haartz sammelt mit dem Roll-in Obst auf. NN-Foto: vs

Für kleinere Mengen eignet sich der Roll-in, ein Roll-Werkzeug zum Aufsammeln von Fallobst. „Damit lassen sich auch bequem Walnüsse aufsammeln“, erklärt Peter Haartz, während Peter Aymanns schon mal den Schüttler vorbereitet. Der wird vorne oder hinten am Schlepper angebracht und über die Zapfwelle angetrieben. Ein langes Stahlseil wird in die Hauptäste der Krone eingehängt, anschließend wird das Seil gespannt und der Schüttelvorgang kann beginnen. Übrigens: Es macht nichts, wenn die Äpfel auf den Boden purzeln, da sie in der Regel danach recht zügig verarbeitet werden. „Das Streuobst wird zu etwa 95 Prozent zu Saft“, sagt Lemken. Natürlich kann man es auch essen – wenn man mehr Wert auf den Geschmack als auf das Aussehen legt.

Ein Jahr lang genießen

Wer Saft aus dem Obst gewinnen möchte, kann das im kleinen oder großen Stil – je nach Menge. Bei größeren Mengen lohnt sich ein Besuch der mobilen Saftpresse. Die steht ab sofort wieder bis zum Ende der Erntezeit jeden Samstag ab 8 Uhr auf dem Hof von Familie Haaken an der Gocher Straße 22 in Uedem zur Verfügung. „Für 100 Kilo, das sind etwa zwei große Speiskübel, braucht die Maschine etwa 15 Minuten“, erklärt Alexander Haaken. Das Obst wird gewaschen, zerkleinert und gepresst und bei 80 Grad kurz erhitzt, um es haltbar zu machen. Bis zu 70 Liter Saft sind die Ausbeute von 100 Kilogramm Äpfeln. Der wird sofort zum Mitnehmen in Bag-in-Box-Saftkartons abgefüllt, die zum einen wenig Müll produzieren und zum anderen wiederverwertbar sind. Der Saft hält sich so bis zu einem Jahr.

Für Vereine und Nachbarschaften kann es sich auch lohnen, ein „Event“ daraus zu machen. „Ab zwei Tonnen Obst kommen wir auch raus“, betont Haaken, dass man die mobile Saftpresse zum Wunschtermin buchen kann (mobilesaftpresse.de).

Daneben gibt es diverse Gerätschaften, mit denen Saft hergestellt oder gelagert werden kann – vom Dampfentsafter über den Obstschredder bis zur Schraubpresse. Wer eine Apfelpresse ausleihen möchte, kann das zum Beispiel gegen eine kleine Gebühr beim Heimatverein Keppeln. Die frischen Säfte müssen entweder eingefroren, schnell verbraucht oder haltbar gemacht werden, indem man sie pasteurisiert. „Man kann den Saft zum Beispiel direkt in einem Edelstahlfass erhitzen, mit einem Schwimmdeckel abdecken und den Rand mit einer Vaseline-Schicht abdichten“, erklärt Lemken. Eine weitere Variante ist das Druckmostfass. Mit Hilfe von Kohlendioxid kann der Druck im Fass so dosiert werden, dass jegliche Gärung unterbleibt. Entnommen wird der Saft mittels Zapfhahn. „Das ist sehr lecker“, weiß van de Loo. Wie auch immer man vorgeht: Hauptsache ist, dass das vorhandene Gut verwertet wird. Da sind sich alle einig.

Infos zum Thema Streuobstwiesen und Saftherstellung (und zum Verleih einiger Hilfsmittel) gibt es beim Likk, Telefon 02823/ 4199167, www.likk.eu oder beim Naturhof Kirsel, Telefon 02825/ 10159, www.kirsel.de.

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