Bärbel Höhn Caritas
Der Einladung der Caritas im Kreis Kleve waren viele Gäste unter anderem aus der Politik gefolgt. NN-Fotos (2): Gerhard Seybert

KREIS KLEVE. Als Moderatorin Andrea Franken die Frage, ob die Arktis bis zum Jahr 2050 im Sommer nahezu eisfrei sein könnte, wenn der derzeitige Trend der Eisschmelze anhalte, aufklärte, ging ein Raunen durch den Saal im Konzert- und Bühnenhaus in Kevelaer. Die Mehrheit hatte bereits mit hochgehaltenen grünen Karten der These zugestimmt – doch war sie mit ihrer Befürchtung zu optimistisch geblieben. Denn bereits im Jahr 2035 könnte die Arktis eisfrei sein – das wäre in zwölf Jahren.

Die Caritas des Kreises Kleve hatte deshalb ihren Jahresempfang dem Klimaschutz gewidmet. Zum Podiumsdialog zum Thema „Wie gelingt sozialgerechter Klimaschutz?“ lud sie die ehemalige Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) und Weihbischof Rolf Lohmann ein. Höhn stellte dabei klar: „Die Wissenschaftler waren über viele Jahre mit ihren Prognosen noch sehr vorsichtig. In Wahrheit ist vieles noch viel schlimmer. Nach 1000 Jahren befinden sich immer noch 15 bis 40 Prozent des emittierten CO2 in der Atmosphäre. Die natürliche CO2-Bereinigung dauert also viel zu lange. Wir alle werden es nicht mehr erleben, dass es besser wird. Aber wir wollen, dass es nicht mehr viel, viel schlimmer wird.“

-Anzeige-
Bärbel Höhn
Weihbischof Rolf Lohmann und Bärbel Höhn sprachen über den Klimaschutz.

Sie selbst versuche mit mehreren Maßnahmen dabei zu helfen: „Wir waren zum einen ein Elektroauto, das wir über unsere Photovoltaikanlage laden. Dank dieser leben wir von März bis Oktober auch autark. Im Winter haben wir bereits seit 2005 eine Pellets-Heizung, deren Pellets wir nachhaltig in Sonsbeck erwerben“, verriet Höhn. Außerdem fahre sie sehr viel mit der Bahn. Es gehe aber nicht darum, alles von jetzt auf gleich zu ändern. „Wenn jeder einen Anfang macht, ist schon viel getan. Wir brauchen aber das Bewusstsein bei allen, dass wir etwas zusammen tun müssen. Denn nur dann können wir es schaffen. Jeden müssen wir dabei mitnehmen“, betonte Höhn.

Ampel -Regierung auf Klima-Kurs

Die derzeitige Ampelregierung in Berlin hat nach Meinung der Grünen-Politikerin in Sachen Klimaschutz bereits mehr erreicht als die vorherige. „Das neue Erneuerbaren-Energie-Gesetz hat bereits im ersten halben Jahr für die Installation von sehr vielen Photovoltaikanlagen gesorgt“, sagte Höhn. Ohnehin könne Deutschland auf die im Land entwickelten erneuerbaren Energien sehr stolz sein. „Mit Photovoltaik- und Windkraftanlagen haben wir der ganzen Welt ein unglaubliches Geschenk gegeben“, sagte Höhn. Der ehemaligen Umweltministerin geht die Klimawende aber vor allem im Bereich Verkehr nicht schnell genug. „Das ist aber ein demokratisches Problem. Denn ohne die FDP haben SPD und Grüne im Bund keine Mehrheit. Aber die möchte im Bereich Verkehr nichts reduzieren. Wir müssen aber auch an den Verkehr ran. Jeder muss etwas beitragen“, betonte Höhn.

Auch die Kirche wolle Einsatz zeigen, versprach Weihbischof Rolf Lohmann auf dem Podium. An ihn wurde aus dem Publikum die Frage gestellt, warum die Kirche an ihren Gebäuden noch keine Photovoltaikanlagen angebracht habe, obwohl sie insgesamt Dachflächen „in der Größe des Saarlandes“ habe. Lohmann begründete die Zurückhaltung mit dem Denkmalschutz, der bei den einzelnen Gebäuden beachtet werden müsse. Die Bischofskonferenz in Nordrhein-Westfalen habe aber bereits grünes Licht gegeben. „Jetzt müssen nur noch die Kommunen zustimmen“, sagte Lohmann, der sich insgesamt weniger Bürokratie in diesem Punkt wünschte.

Bärbel Höhn machte gleich zu Beginn darauf aufmerksam, dass es beim Klimaschutz um mehr als nur die Umwelt geht: „Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz. Wir können unsere Lebensgrundlage nicht so zerstören.“ Dabei müssten Sozialschwächere aber dennoch mitgenommen und auch gestärkt werden. „Die zehn Prozent reichsten Menschen der Welt sorgen für zehn Mal mehr CO2-Emmissionen als die zehn Prozent ärmsten Menschen der Welt. Sie müssen deshalb auch stärker belastet werden. Es muss gerecht verteilt werden.“

Moralische Bankrotterklärung

Kevelaers Bürgermeister Dominik Pichler machte derweil in seiner engagierten Begrüßungsrede noch auf zwei andere Probleme der aktuellen Zeit aufmerksam. Zum einen sei die „Flüchtlingsunterbringung für alle Kommunen eine Mammutaufgabe“, bei der sie personell, finanziell und infrastrukturell am Ende seien. Doch von Bund und den Ländern käme keine Hilfe, die jedoch sehr dringend gebraucht werde. Zum anderen kritisierte er den heutigen Umgangston vor allem in den sozialen Medien. „Da sind wir an einem gesellschaftlichen Kipppunkt“, sagte Pichler. Als Beispiel nannte er die regelmäßigen verbalen Attacken gegenüber Grünen-Politikerin Ricarda Lang. Auch er sei mit ihr politisch nicht immer einer Meinung. „Aber das Bodyshaming, das in den sozialen Netzwerken betrieben wird, ist eine moralische Bankrotterklärung. Das ist am Rande der Irrationalität“, betonte Pichler.

Vorheriger ArtikelFünf Jahre Johanniter in Emmerich
Nächster ArtikelSeifenkistenspektakel in Elten kehrt zurück