Nächtliche Notarztstandorte

KREIS WESEL. Darf an der notfallmedizinischen Sicherheit gespart werden, auch wenn sie betriebswirtschaftlich vielleicht begründet zu sein mag? Diese Frage beschäftigte in den vergangenen Monaten Xanten und Rheinberg. Die Krankenkassen wollten die beiden dortigen Notarztstandorte nicht mehr weiter finanzieren und einen zentralen in Alpen aufbauen. Bürger und Vereine beider Städte kämpften dagegen und argumentierten, dass besonders die notfallmedizinische Versorgung in den dörflichen Randbereichen so nicht mehr gesichert sei. Der Widerstand hatte Erfolg: Der Kreis Wesel hat sich gemeinsam mit den Städten Xanten und Rheinberg sowie dem Sankt-Josef Hospital in Xanten – vorbehaltlich von noch zu tätigen Kreistags- und Ratsbeschlüssen – für die Finanzierung der beiden Notarztstandorte in den Nachtstunden von 19 bis 7 Uhr geeinigt.

Der Vorschlag sieht vor, dass der Kreis Wesel ab dem Jahr 2024 weiterhin die Gestellung des erforderlichen Fahrpersonals (Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter) und den Betrieb des Notarzteinsatzfahrzeugs am Standort des Sankt Josef-Hospitals Xanten übernimmt. Die Städte Rheinberg und Xanten sowie das Xantener Krankenhaus verpflichten sich zur Gestellung des notärztlichen Personals in den Nachtstunden am Standort Xanten. Für die Gestellung dieses nächtlichen Notarztes tragen sie die Kosten. Unverändert geht der Kreis Wesel in dieser Konstellation davon aus, dass mindestens die Kosten für den nächtlichen Notarztstandort in Rheinberg komplett durch die Krankenkassen als Kostenträger getragen werden müssen, da das Konzept und die Kostenstruktur in Rheinberg mindestens identisch mit der eines neu einzurichtenden, zentralen nächtlichen Notarztstandort wären.

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Nach den gemeinsamen Gesprächen und Verhandlungen des Kreises, der beiden Städte und des Krankenhauses betragen die Kosten für den Kreis und die beiden Städte für die Erhaltung der beiden nächtlichen Notarztstandorte nun rund 250.000 Euro pro Jahr. Die Kosten des erforderlichen Fahrpersonals und des Einsatzfahrzeuges betragen dabei gegenwärtig rund 158.000 Euro pro Jahr, die der Kreis Wesel trägt. Dieser Betrag könnte sich noch positiv für den Kreis ändern. Die Kreisverwaltung setzt weiterhin darauf, einen Teil ihrer Kosten von den Kostenträgern erstattet zu bekommen, da auch ein zentraler nächtlicher Notarztstandort neue Kosten erzeugt hätte. Diese anteilige Kostenübernahme würde dann den Kreisanteil verringern. Final wird sich dies aber immer erst bei den jeweiligen Jahresabrechnungen mit den Kostenträgern klären lassen.

“Der Kreis ist eine Solidargemeinschaft”

Dass sich auch der Kreis Wesel an den Kosten beteiligt, ist für Xantens Bürgermeister Thomas Görtz eine Selbstverständlichkeit. „Der Kreis ist eine Solidargemeinschaft – und Solidarität ist keine Einbahnstraße“, betonte Görtz. Er habe in den Gesprächen mit Landrat Brohl daher auch eine Beteiligung seitens des Kreises bestanden. Auch wenn es eigentlich nicht Aufgabe der Kommunen sei, die Finanzierung eines notärztlichen Standortes sicherzustellen, sei Görtz nun aber froh, dass ihnen das zum Wohl der Bürger gemeinsam gelungen sei. Man habe jedoch aufpassen müssen, die Debatte nicht zu emotional zu führen. Der Weg sei teilweise schwierig gewesen.

„Obwohl der Landrat sich nie anders als für den Erhalt eingelassen hat, konnten wir als Standortkommunen nicht jederzeit nachvollziehen, wie der aktuelle Stand zum Erhalt beider nächtlicher Notarztstandorte war. Nach unseren Gesprächen muss ich aber feststellen, dass ich das Vorgehen des Kreises nachvollziehen kann. Mehr aber noch freut mich, auch wenn dies mit einem Preisschild im Haushalt der Stadt Xanten verbunden sein wird, dass Landrat, Bürgermeister der Standortkommunen und das Sankt Josef-Hospital ein vertieftes gegenseitiges und gemeinsames Verständnis für die strukturpolitischen Argumente haben und damit auch eine sehr gute Grundlage für eine dauerhafte Lösung. Für das Xantener Krankenhaus wäre eine gemeinsame Lösung ein starkes kommunales Zeichen in der aktuellen Krankenhausstrukturdebatte und eben auch ein starkes Zeichen für die Gesundheitsversorgung der Menschen im ländlichen Raum.“

Deutliche Verschlechterung abgewendet

Marco Plum, Geschäftsführer des Sankt Josef-Hospitals, sagte dazu: „Wir freuen uns, dass wir nun gemeinsam einen gangbaren Lösungsansatz finden konnten, der bis 2029 tragen kann und damit eine deutliche Verschlechterung der notärztlichen Versorgung in der Region abgewendet werden konnte. Wie das bei Kompromissen in der Natur der Sache liegt, schmerzen diese – in finanzieller Hinsicht – auch ein wenig. Letztlich haben die Partner am Tisch aber in den Vordergrund gestellt, worauf es ankommt, nämlich die adäquate medizinische Versorgung der Bevölkerung in der Region. Alle Beteiligten haben in Wahrnehmung ihrer Verantwortung zielstrebig an der Erarbeitung dieses Lösungsansatzes beigetragen. Wir sind guter Dinge, dass nun auch in den Gesprächen zwischen dem Kreis Wesel und den Kostenträgern ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden können.“

Heyde begrüßt Entscheidung

Rheinbergs Bürgermeister Dietmar Heyde betonte noch einmal, dass man in diesem Fall nicht einfach nur die betriebswirtschaftlich nackten Zahlen im Blick haben dürfe. „Es war ja mal von 0,9 Einsätzen pro Nacht die Rede. Aber was bedeutet das genau? Das sind in manchen Nächten keine und in anderen dafür zwei oder drei“, sagt Heyde. Zudem gehe es um Menschenleben, bei denen jede Minute – gerade in den ländlichen Landregionen – zählen könne. „Den vom Kreis aufgezeigten Weg zum Erhalt beider nächtlicher Notarztstandorte begrüße ich daher ausdrücklich, insbesondere, weil die Argumentation für diese konkrete Situation richtig ist. Insofern kann ich meinem Stadtrat nur empfehlen, dass sich die Stadt Rheinberg als eine der Standortkommunen richtigerweise an der Finanzierung beteiligen sollte. Nachdem der Kreistag formal beschlossen hat, werden wir sicherlich sehr konstruktiv als Verwaltungsleitungen unsere Gespräche abschließen, weil es auch bereits angedachte sachliche Herleitungen bei der Finanzierungsaufteilung gibt.“

Die Vereinbarung gilt zunächst bis zum Jahr 2029. Im Jahr 2027 erfolgt eine Evaluation der aktuellen Lösung.

Der Vorschlag zur Umsetzung wird dem Ausschuss für Gesundheit, Bevölkerungs- und Verbraucherschutz in seiner Sitzung am 15. Mai vorgestellt und soll abschließend am 1. Juni im Kreistag entschieden werden. Die beiden Stadträte in Xanten und Rheinberg müssen zudem in ihren Ratssitzungen ebenso noch den Plänen zustimmen – davon sei in dem Fall aber auszugehen, wie alle Beteiligten betonten.

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