KLEVE. Tanzmariechen betreiben keinen Leistungssport? Wer die 15-jährige Lea Pauls auf der Bühne erlebt, dürfte schnell anderer Meinung sein. Temporeich geht‘s mit Flickflack, Radschlag und Spagat über das Parkett – und nicht vergessen zu lächeln. Was da so locker-leicht aussieht, kommt nicht von ungefähr. Dahinter steckt jahrelanges Training. Und eine gehörige Portion Talent sollte man ebenfalls mitbringen.

Leas Karriere: klassisch. „Mit fünf Jahren hat sie bei den Flummis in der Tanzgarde angefangen“, erzählt ihre Mutter Nina. Der Flying Familli ist Lea bis heute treu geblieben. Sie trainiert dort einmal pro Woche. Zusätzlich geht es für den Teenie jeden Samstag nach Recklinghausen zu Jana Pearce, die selbst norddeutsche Meisterin ist. Für die Mama ist das „wie ein Sechser im Lotto“. Zur Kommunion ging nämlich Leas größter Wunsch in Erfüllung: ein Solomariechen-Probetraining. „Die Trainerin hat gleich danach angerufen und gesagt, sie würde mit Lea arbeiten“, blickt die stolze Mama zurück. Eigentlich war Lea schon einige Zeit so weit, dass sie an Turnieren hätte teilnehmen können. Doch dann kam Corona. Deswegen ging es für Lea (so richtig) erst im vergangenen Jahr los.

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Tanzsport beim BDK

Im karnevalistischen Tanzsport werden regionale, Landes- und deutsche Meisterschaften vom Dachverband Bund Deutscher Karneval (BDK) ausgetragen. Finanziell unterstützt wird Lea von ihrem Verein. Trotzdem bleibt Leas Hobby vergleichsweise kostenintensiv. In Hannover tanzte sich die Zehntklässlerin auf den siebten Platz. Von mehr als 40 Starterinnen. „Da habe ich mich schon sehr gefreut“, sagt die 1,75 Meter große Sportlerin, die in Sachen Gewicht vollkommen unaufgeregt ist. „Ich glaube, es sind so um die 55 Kilo“, schätzt sie. Auf die Waage stellt sie sich selten. „Dabei isst sie wie ein Scheunendrescher und auch viel ungesundes Zeug“, verrät Nina und fängt sich dafür einen leicht entnervten Seitenblick, gefolgt von einem versöhnlichen „Ich mag eben kein Gemüse“, ein. Wahrscheinlich liegt‘s an der Bewegung.

Tanz-AG, Rettungsschwimmen und NN austragen

Taschengeld aufbessern! Jeden Mittwoch trägt Lea die Niederrhein Nachrichten aus. Foto: privat

Neben dem Tanzsport geht Lea zweimal pro Woche zum DLRG-Training. Mit drei Jahren hat sie da schon ihr „Seepferdchen“ gemacht. Heute hat sie das Rettungsschwimmerabzeichen in Silber, schwimmt in der Wettkampf-Gruppe mit und hilft beim Training der Kleinen. „Im Sommer halte ich auch Wache am Wisseler See“, ist das Schwimmen neben dem Tanzen Leas zweite große Leidenschaft. Für andere Hobbys bleibt da wenig Zeit. In der Schule leitet Lea ein pädagogisches Zusatzangebot, eine Tanz-AG für Schüler der Unterstufe. Leiden unter so viel Engagement die Noten? In Leas Fall zumindest nicht. Vor kurzem gab es die Halbjahreszeugnisse. Lea hat einen glatten Einser-Schnitt. „Ich möchte später Lehrerin werden“, sagt sie. Mathe und Sport. Das dürfte wohl kein Problem sein. Bis dahin bessert sie ihr Taschengeld mit ihrem Nebenjob auf und trägt jeden Mittwoch um 5 Uhr morgens die Niederrhein Nachrichten aus. „Ich weiß auch nicht, woher sie die ganze Energie nimmt“, fragt sich Nina immer wieder. Zumal die Tanz-Turniere in ganz Deutschland stattfinden und so eine Teilnahme ganz schön zeitaufwändig sein kann. Meist fahren Mutter und Oma mit. Wenn es sich anbietet, sind auch Papa Marcel und die kleine Schwester Jule mit dabei. Jule ist zehn Jahre jung und tanzt auch bei der Flying Familli, hat aber kein gesteigertes Interesse an einer Solo-Karriere. Überhaupt: Um den Nachwuchs in den Tanzgarden steht es „nach Corona“ eher schlecht. „Viele haben aufgehört“, weiß Lea. Sie hofft, dass das nach der aktuellen Session wieder anders wird.

Kondition, Kraft – und Choreo

Apropos Karneval. So richtig „jeck“ ist Lea nämlich eigentlich nicht. „Das ist nicht so meins“, gibt sie zu. Nur das Tanzen, das fand sie schon immer toll. Es sind auch nicht unbedingt Karnevals-Lieder, die bei den Tanzmariechen-Choreografien zum Einsatz kommen. Hauptsache Tempo. Deshalb stehen neben dem Tanzen auch Kraft und Kondition auf Leas Trainings-Programm. „Wir trainieren mit vier Mädchen“, erklärt sie. Vor dem Auftritt steht ein einstündiges Aufwärmprogramm. Und Schminken. „Das übernimmt meine Trainerin“, sagt Lea. Was sie und ihre Mutter stört: Wenn die Leute meinen, das sei doch nur „ein bisschen Rumgehopse“ auf der Bühne. „Das ist schon ein richtiger Leistungssport, der leider oft zu wenig Anerkennung erfährt“, weiß Nina. Mit Mitte 20 ist für die meisten Solomariechen Schluss. Da hat Lea noch ein paar Jahre Zeit. Jetzt stehen erstmal noch einige Wettbewerbe an. Wer sie kennt, dürfte ahnen: Da geht noch was!

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