KREIS WESEL. Verschmutzung durch Müll ist ein großes und wichtiges Thema, egal ob es um die Weltmeere oder Städte und Gemeinden geht. Mit einer digitalen Informationsveranstaltung zum Thema „Essen in Mehrweg“ rückten das Kreisklimabündnis Wesel, die Energieagentur NRW und die Verbraucherzentrale NRW das Einweggeschirr beim Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken in den Mittelpunkt und stellten die Idee eines einheitlichen Mehrwegsystems vor. Ziel des Klimabündnisses ist ein plastikfreier Kreis Wesel.

Der Kontext, in dem die Veranstaltung steht, ist ein neuer Gesetzesbeschluss der Bundesregierung, der auf Wiederverwertung abzielt und deshalb ab Samstag, 3. Juli, Einwegverpackungen aus Plastik verbietet. Das stellt viele Gewerbetreibende vor Herausforderungen.

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Laut Statistik gab es 2019 rund 280.000 Tonnen „to-go“-Abfälle. Die Coronapandemie hat ihren Teil dazu beigetragen, da sie die Gastronomen dazu zwang, vor allem auf Essen und Trinken „to go“ zu setzen. Daher richtete sich die Informationsveranstaltung vor allem an jene Gastronomen.

Verbot von Plastik

Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW gab zunächst einen Überblick über die kommende Einwegkunststoffverbotsverordnung. „Unsere Umweltberater kümmern sich in ihren Kommunen auch um die Abfallberatung und das beinhaltet den Bereich Abfallvermeidung. Wir beraten einerseits die Bürger, aber auch die Kommunen.“ Letztgenannte hätten ihre Not mit dem Einwegkunststoff, aber auch die Verbraucher würden sich laut Heldt immer wieder über vermüllte Innenstädte beschweren. „Ein Großteil dieser Abfälle sind zu ‚to-go‘-Verpackungen.“ Das führe auch zu höheren Müllgebühren für die Bürger. „In dem Zusammenhang ist die Verordnung eine geeignete Maßnahme für den Umweltschutz, aber auch für den Schutz der Verbraucher“, sagt Heldt.

Nach einer Einordnung der Verordnung in den weitläufigeren Kontext der EU-Plastikstrategie und des europäischen grünen Deals erläuterte Heldt, was unter das Verbot fällt: zum Beispiel Einwegbesteck, -teller und -halme aus Plastik. „Die Verordnung ist da wirklich sehr eingegrenzt“, sagt Heldt. Zum anderen fallen auch kosmetische Wattestäbchen, Rüberstäbchen, Luftballonstäbe und Lebensmittel und Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol (Styroporbehälter) darunter. Verboten werden auch Oxo-abbaubare Kunststoffe. „Das ist für uns aber uninteressant, da es in Deutschland fast keine Produkte daraus gibt.“ Bio-Kunststoffe sind ebenso verboten.

„Ein Abverkauf von Lagerbeständen ist im Handel noch möglich. Die Frage ist nur, wann ist der Stichtag, ab dem die Ordnungsämter durchgreifen. Das wird nicht sofort am 3. Juli sein“, erklärt Heldt. Im späteren Verlauf können Verstöße dann mit bis zu 100.000 Euro geahndet werden.

Gesetz mit Schwächen

Es gibt auch Kritik an der Verordnung von Seiten der Verbraucherzentrale, von Umweltverbänden, vom Verband der kommunalen Unternehmen und sogar von Teilen der Kunststoffindustrie – für sie greift diese Verordnung zu kurz. „Der Fehler dieser Verordnung ist, dass nur Kunststoffprodukte verboten werden, Einweg an sich bleibt also als Produktgruppe weiter erlaubt“, sagt Heldt. In einigen Fällen sei es für den Gastrobereich auch sinnvoll. Heldt warnt dabei jedoch vor allem vor Aluminiumschalen, wogegen beschichtete Pappschalen dann doch die bessere Alternative seien.

„Das Problem ist, dass Händler dann einfach auf andere Einwegprodukte ausweichen können. Gibt man statt einem Plastikteller einen Pappteller heraus, hat die Umwelt absolut nichts gewonnen. Der Ressourcenverbrauch ist ähnlich hoch.“ Und auch wenn ein Papp-Teller sich schneller von selbst zersetze, müsse er in den Städten immer noch weggeräumt werden, wie Plastik.

Alternative im Bereich Mehrweg

Eine Alternative zum Einweggeschirr offenbarte sich den Teilnehmern in einer zweiten Präsentation von Florian Barthel vom Start-Up Unternehmen „Vytal“ aus Köln: Er präsentierte ein pfandfreies, digitales Mehrwegsystem für Restaurants und Lebensmittelhändler. Dabei setzt das Unternehmen auf Bequemlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Wiederverwertbares Geschirr, das laut Barthel zudem besser sein soll als das Einweggeschirr, zirkuliert dabei zwischen den teilnehmenden Gastronomen. „Das Besondere ist, dass unser System ohne Pfand funktioniert“, sagt Barthel.

App und/oder Karte

Das Vytal-System funktioniert per App oder über eine Karte, die es für zehn Euro bei den teilnehmenden Gastronomen gibt. In der App registriert sich der Kunde, legt seine Zahlungsdaten als Sicherheit an, findet Partner in der Nähe und bestellt das Essen in der Mehrweg-Schale.

Der Gastronom scannt den QR-Code der Schale und den auf dem Handy, um die Schale digital zu übergeben. Nachdem man gegessen hat, kann man innerhalb von 14 Tagen die Schale bei einem Partner oder an Boxen zurückgeben. Gibt man eine Schale nicht rechtzeitig zurück, werden zehn Euro pro Verpackung fällig.

Auf die Karte kann man bis zu zwei Verpackungen buchen, frei wird sie erst wieder, wenn die Schalen zurückgegeben werden.

Einrichtung für 100 Euro

Vytal stattet seine Restaurant-Partner mit den Produkten aus. Die einmalige Einrichtung des Systems kostet 100 Euro, aber Barthel schließt auch eine Preissenkung nicht aus, wenn sich Gastronomen zusammentun. Das Unternehmen berechnet den Gastronomen zusätzlich pro Befüllung einen kleinen Obolus.

Das Sortiment soll viele Anwendungsgebiete abdecken: Von Schalen für Suppen und Tellergerichte über unterteilte Menüschalen und Kaffeebecher bis hin zu Sushiverpackungen und Pizzakartons gibt es verschiedene Größen. Das Angebot soll noch erweitert werden.

Die normale Abnutzung der Schalen ist das Risiko des Kölner Unternehmens, wie Barthel erklärt. Über die App wird ein Austausch in die Wege geleitet. Seit der Gründung im Jahr 2019 hat sich das Unternehmen in vielen deutschen Städten etabliert. Neben zahlreichen kleineren Restaurants gehören auch die Großkantine des Umweltbundesministeriums und Rewe zu seinen 600 Partnern in Deutschland. Das Prinzip scheint zu funktionieren: Wie Barthel verrät, sollen 99 Prozent der Verpackungen innerhalb der zwei Wochen in den Kreislauf zurückfinden.

Gute Erfahrungen mit Mehrweg

Ulrike Mertens, Betreiberin der Luisen-Mühle in Bad Arolsen, hat das von Barthel präsentierte Mehrwegsystem bereits eingeführt und zeigte sich in einem dritten Vortrag überzeugt, verglichen mit dem hohen Müllaufkommen durch Einweg. „Es war gar nicht so einfach, Alternativen zu finden“, sagt sie. Vor allem das einfache Pfandsystem von Vytal habe sie überzeugt. „Bei den anderen Anbietern hat man die hohe Pfandhinterlegung und jedes Mal muss Bargeld auf den Tisch gelegt werden. Das fällt hier weg.“

Auch die Qualität der Verpackungen lobt sie: „Besonders gefallen haben uns die Deckel, man kann sie sehr einfach verschließen und nichts läuft aus. Die Gerichte bleiben außerdem lange warm.“

Ebenso ihre Kunden sollen von dem Mehrweg-System begeistert gewesen sein: „Wir haben nach einer Woche kein Einweg mehr ausgeben müssen. Damit hatten wir nicht gerechnet.“ Das habe laut Mertens auch die Mund-zu-Mund Propaganda angetrieben. Die Kundschaft empfand durch das Mehrweg außerdem die Qualität als besser, wie sie berichtet.

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