Von Pferdestärken und Persönlichkeiten

Kreis Wesel Jahrbuch 2021 bietet auf 258 Seiten interessante Heimatgeschichte (n) aus der gesamten Region

KREIS WESEL. Welches Schicksal erlitt das Minenboot „Xanten“ im Schwarzen Meer? Wie viele Oldtimer machen das Traktorenmuseum in Sonsbeck zum größten seiner Art in Deutschland? In welchem Jahr begann der Salzabbau in Rheinberg-Borth? Wer das Kreis Weseler Jahrbuch 2021 aufmerksam liest, kann diese Fragen künftig aus dem Eff-Eff beantworten. Denn das 258 Seiten starke Buch enthält auch wieder viele interessante Beiträge aus Xanten, Sonsbeck, Rheinberg und den Ortsteilen.

Seit über 25 Jahren treffen sich die Treckerfreunde regelmäßig im Treckermuseum Pauenhoff in Sonsbeck. Hermann Niederholz (3.v.l.) wurde bereits vom Bundesverband ausgezeichnet für seinen Einsatz zum Erhalt der historischen Technik. Mit dabei sind Herbert Jacobs, Willi Erps und Josef Thesing.                                                       NN-Foto:Archiv Theo Leie

Wie ein Krimi liest sich Kim Erdmanns Bericht über den „Knabenmord in Xanten“. Am 29. Juni 1891 gegen 18.30 Uhr fand die Dienstmagd Dora Moll in der Scheune der Familie Küppers die Leiche des Knaben Johann Hegmann. Dem Fünfjährigen war die Kehle „bis zum Rückenwirbel durchtrennt“ worden. Schnell fiel der Verdacht auf den jüdischen Metzgermeister Adolf Wolff Buschhoff, der diesen „Ritualmord“ mit seinem Arbeitswerkzeug ausgeführt haben sollte. 18 geladene Zeugen sagten vor dem Schwurgericht in Kleve gegen ihn aus, doch weil sie sich in Widersprüchen und antisemitischen Vorurteilen verloren, wurde Buschhoff nach zehn Verhandlungstagen freigesprochen. Der wahre Mörder, der die Tat laienhaft mit einem Brotmesser ausgeführt hatte, wurde nie gefunden.

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Uwe Theiss hat sich dem „Merk- und Nachschlagebüchlein für Konfirmanden und Konfimierte“ aus dem Jahr 1902 gewidmet. Autor war der Büdericher Pfarrer Wilhelm Wolf.

Theodor Jordans aus Marienbaum war im Preußischen Landtag

Der junge Landwirt, Gastwirt und Landtagsabgeordnete Theodor Jordans aus Marienbaum mit seiner Ehefrau Caroline, geborene Scholten, aus Wardt. Foto: Repro Jahrbuch 2021

Michael Lehmann hat die Biografie einer anderen lokalen Persönlichkeit erforscht: Theodor Jordans, 1863 in Marienbaum geboren. Er setzte die politische Arbeit seines Großvaters Theodor (Beigeordneter der Gemeinde Marienbaum) und seines Vaters Bernhard Josef Aegidius (Bürgermeister von Marienbaum) fort. Der Land- und Gastwirt schaffte es in den Preußischen Landtag und war an vielen bedeutenden Gesetzgebungen seiner Zeit beteiligt. Nachdem die politische Karriere in den Jahren des Nationalsozialismus ruhte, ernannte die englische Besatzungsmacht den erfahrenen Theodor Jordans nach dem Zweiten Weltkrieg zum Leiter des Ressorts Landwirtschaft.

Salzabbau brachte Geld in die Staatskasse

Helmut Schmitz erforschte den schwunghaften Salzhandel, der im 19. Jahrhundert die Staatskasse des Preußischen Königreichs füllte und ab 1923 durch den Abbau im Rheinberger Salzbergwerk ungeahnte Dimensionen annahm. 200 Millionen Jahre hatte der weiße Bodenschatz tief unter den Äckern und Wiesen geschlummert, erst bei der Suche nach Kohle wurde das Salz entdeckt und machte fortan den Import von Salz aus westfälischen Salinen entbehrlich. Bergassessor Karl Hornung und Dr. Eberhard Kirsten bauten das Salzbergwerk Rheinberg-Borth bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zum damals größten seiner Art in ganz Europa aus.

Das größte Traktorenmuseum Deutschlands in Sonsbeck

Peter Korte stellt in einem reich bebilderten Beitrag das Traktorenmuseum in Sonsbeck vor: Auf dem Pauenhof eröffnete Landwirt Johannes Troost 1990 die Ausstellung mit angeschlossener Freizeitanlage in den ehemaligen Schweineaufzuchtställen. Die Sammlung wuchs von 120 auf weit mehr als 400 Traktoren, Mähdrescher und weitere landwirtschaftliche Fahrzeuge. Schon lange vor seinem Tod im Jahr 2014 hatte Johannes Troost sein Lebenswerk in die Hände des Energieanlagenelektronikers Norbert Stapper übergeben. Seit 1999 betreibt dieser nun in der kleinsten Gemeinde des Kreises Wesel das größte Traktorenmuseum Deutschlands.

Ein Kriegsboot namens “Xanten”

Paul Uehlenbruck traf in den 50er-Jahren einen Matrosen, der von seinem Kriegseinsatz auf dem Minenboot „Xanten“ im Schwarzen Meer erzählte. Viele Jahrzehnte später wollte Uehlenbruck erforschen, ob damals Seemannsgarn gesponnen wurde oder ob es tatsächlich ein Kriegsboot namens „Xanten“ gab. Das Militärarchiv in Freiburg im Breisgau brachte Gewissheit: 1918 lief bei der Union Gießerei in Königsberg ein 43 Meter langes Schiff vom Stapel. 1941 kaufte es die Kriegsmarine und ließ es auf der Linzer Werft zum Minenboot umbauen. Es erhielt die Kennung UJ 116, aber auch der Name „Xanten“ blieb erhalten. Das Boot konnte im Dezember 1942 unter anderem das sowjetische U-Boot SC 212 versenken, bevor die 65 Mann starke Besatzung das eigene Minenboot Ende August 1944 im Schwarzen Meer versenkte.

Verschollen: Burg Beek

Ebenfalls verschollen ist die Burg Beek, auf deren Spuren sich Annemarie Ricken und Peter Bruns begaben. Südöstlich von Xanten, am Fuße des Fürstenbergs, liegt heute noch die Siedlung Beek. Östlich davon befand sich die 1376 erstmals bezeugte Burg gleichen Namens. Errichtet wurde sie in der Hauptzeit des Burgenbaus im Rheinland, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der Zeitpunkt ihrer Zerstörung war bislang mit einem großen Fragezeichen versehen. Doch durch die Auswertung vieler alter Karten haben die Autoren nun ermittelt, dass die Burg Beek zwischen 1614 und 1634 zerstört worden sein dürfte.

Geschichte der Landräte

Letztmals hat Dr. Ansgar Müller ein Vorwort für ein Kreis Weseler Jahrbuch verfasst. Nach 16 Jahren hat er sich nicht mehr zum Landrat des Kreises Wesel wählen lassen. Die Amtsübergabe an den neuen Landrat Ingo Brohl hat der Mercator-Verlag zum Anlass genommen, im Jahrbuch 2021 auch auf die Geschichte der Kreise und Landräte einzugehen. Lars Rentmeister, Vorstandsmitglied des Kreises Wesel, nennt sie eine „besondere preußische Schöpfung“, deren Ursprünge mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen.

Rentmeister hat auch ein Interview mit Dr. Ansgar Müller geführt. Dieser erinnert sich an Begegnungen mit Königin Elizabeth II. bei einem Besuch in Düsseldorf und mit Bundespräsident Horst Köhler, bei dessen Wahl im Jahr 2008 Dr. Müller zur Bundesversammlung gehörte. Als herausragende Ereignisse seiner Amtszeit erwähnt der frühere Landrat die Eröffnung der Niederrhein-Brücke Wesel im November 2009 sowie die Flüchtlingskrise im Herbst 2015 und die Starkregenereignisse im Frühjahr 2016. Die aktuelle Corona-Pandemie nennt Dr. Müller „eine der wohl größten Herausforderungen weltweit“, zeigt sich aber optimistisch, „dass wir gestärkt aus der Krise herauskommen werden.“

Blick in die Städte und Gemeinden des Kreises Wesel

Das Jahrbuch 2021 erlaubt auch wieder einen interessanten Blick in viele andere Städte und Gemeinden des Kreises Wesel: So haben sich einige der insgesamt 34 Autorinnen und Autoren mit der Rettungshundestaffel in Wesel, mit dem 400-jährigen Jubiläum der oranischen Befestigung von Moers oder mit der Ermordung des Lehrers und Kantors der Jüdischen Volksschule in Dinslaken, Mendel Heilbronn, beschäftigt. Das Jahrbuch kostet 16 Euro und kann bei allen örtlichen Buchhandlungen bestellt werden: ISBN 978-3-946895-34-3.

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