Erinnerung an Leiden jüdischer Familien

Die Sadt Wesel ist dem Deutschen Riga-Komitte beigetreten gegen das Vergessen der Opfer aus Wesel und Büderich, die nach Riga deportiert wurden

BÜDERICH./WESEL. Sechs „Stolpersteine“ und eine Gedenktafel erinnern an die Familie Herz, die einst in der Brauerstraße 26 in Büderich wohnte. Nachdem ihr Haus am 10. November 1938, am Morgen nach der Reichspo­gromnacht, durch NS-Aktivisten verwüstet worden war, verließen Jakob, Henny, Hanne, Josef, Gustav und Rosa Herz ihren Heimatort. Sie zogen nach Köln, wo ihr Leidensweg aber kein Ende fand. So wurde zum Beispiel Rosa Herz im Jahr 1941 ins lettische Riga deportiert. Nach der Auflösung des dortigen Ghettos kam sie als Häftling ins Konzentrationslager Kaiserwald und wurde 1944 ermordet.

Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp (l.), Stadtarchivarin Doris Rulofs Terfurth, Wolfgang Jung vom jüdisch-christlichen Freundeskreis und die Kulturbeauftragte Heike Kemper wollen an das Schicksal Weseler Juden in Riga erinnern.
NN- Foto: Michael Scholten

Mehr als 40.000 europäische Juden, politische Häftlinge und sowjetische Kriegsgefangene wurden zwischen 1941 und 1944 im Wald von Bikernieki bei Riga erschossen und in Massengräbern verscharrt. Das Schicksal dieser Menschen geriet nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu in Vergessenheit. Erst zehn Jahre nachdem Lettland seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion errungen hatte, gründeten 13 deutsche Städte im Mai 2000 mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. das Deutsche Riga-Komitee, um ein Jahr später eine Gedenkstätte nahe Riga einzuweihen. Gründungsmitglieder waren jene Großstädte, in denen Gestapo-Leitstellen die Deportationen jüdischer Bürger nach Riga organisiert hatten. Für die meisten Juden aus Wesel waren das Düsseldorf und Köln.

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Im Sommer 2018 beschloss der Rat der Stadt Wesel einstimmig, dem Deutschen Riga-Komitee beizutreten, um die Erinnerung an das Schicksal der aus Wesel und Büderich stammenden Opfer wachzuhalten. Bei einem Festakt im Weseler Rathaus überreichte gestern Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher die Beitrittsurkunde an Bürgermeisterin Ulrike Westkamp. Wesel ist das 61. Mitglied im Deutschen Riga-Komitee.
Vor 100 Gästen referierte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei über das Rigaer Ghetto und die zehn Kilometer östlich von Riga liegenden Massengräber im Wald von Bikernieki. Die Gedenkstätte ist von Feldern aus Granitsteinen umgeben. Sie stehen stellvertretend für die zusammengekauerten Menschen, die auf ihre Erschießung warteten. Erhöhte Kantsteine symbolisieren die Massengräber im Wald. Die Mitgliedsstädte des Deutschen Riga-Komitees erhalten auf dem zentralen Gedenkplatz einen polierten Granitstein, auf dem der Name der Stadt steht.
Die Stadt Wesel hat sich mit ihrem Beitritt verpflichtet, einen finanziellen Beitrag von 2.000 Euro für die Pflege der Gedenkstätte zu leisten. Laut Beigeordnetem Rainer Brenien kam die Idee zum Beitritt bereits 2015 aus der Bevölkerung. 2018 sprachen sich dann alle Ratsmitglieder für den entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion aus.
Wolfgang Jung, Vorsitzender des jüdisch-christlichen Freundeskreises, sieht in dem Beitritt zum Deutschen Riga-Komitee einen „wichtigen Teil der Erinnerungsarbeit, die in Wesel seit Jahrzehnten betrieben wird“. Die Massengräber im Wald von Bikernieki seien vielen Menschen unbekannt, obwohl nahe Riga mehr Weseler Juden starben als im Konzentrationslager Auschwitz. Das Stadtarchiv Wesel gibt die Zahl der in Riga ermordeten Weseler Juden mit 21 an.

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