Altstadt im Laternenlicht

Mit Nachtwächtern unterwegs, Gilde möchte, das Brauchtum „immatrielles Kulturerbe“ werden soll

XANTEN.   Wenn Bärbel Melchers in ihre schwarzen Stiefel schlüpft, sich den weiten schwarzen Umhang überwirft, den Kopf mit einem großen schwarzen Hut bedeckt und sich mit Hellebarde (Stangenwaffe), Laterne und Horn ausrüstet, dann bereitet sie sich nicht auf Karneval vor, sondern auf ihren „Job“ als Nachtwächter.

Bärbel Melchers ist die einzige „Nachtwächterin“ in Xanten. Foto: nno.de
Bärbel Melchers ist die einzige „Nachtwächterin“ in Xanten.
Foto: nno.de

Seit acht Jahren  schlüpft sie in diese Rolle, sie ist die einzige  Nachtwächterin in Xanten. Doch sie muss nicht wie ihre Vorgänger im Mittelalter  Wachdienst versehen, Brunnen prüfen, Feuerwarnungen ausrufen oder die Zeit ansagen, sie nimmt Interessierte mit zu einem Rundgang durch die Xantener Altstadt. „Das macht mir große Freude“, berichtet Bärbel Melchers und das merkt man ihr auch an. Mit Liedern und Gedichten lockert sie ihre Vorträge zur Geschichte der Domstadt auf. „Besonders liebe ich die besondere Atmosphäre, wenn der Trubel nachlässt, die Stadt ruhig wird und wir mit unseren Laternen gemeinsam auf Entdeckungstour gehen. Dabei entwickeln sich auch interessante Gespräche durch die Fragestellung der Teilnehmer.“ Genau das liebt auch Helmut Sommer, der vor 16 Jahren die Nachtwächtertouren in Xanten einführte, über 1.500  Führungen machte und mit seinen 81 Jahren immer noch sehr  gerne. „Bereits mein Vater und Großvater haben Führungen angeboten und ich kann als ehemaliger Küster, Dom- und Stadtführer eine Menge erzählen aus meiner Heimatstadt“,  berichtet er  über sein Anliegen, das Interesse der Menschen für Xantener Geschichte lebendig zu erhalten.
Sommer  hat sich auch der Nachtwächterzunft angeschlossen und reist jährlich zu den Treffen, die in ganz Europa stattfinden. Er freut sich über den Austausch und ist begeistert von der Idee, das Nachtwächtertum als ideelles Kulturerbe in die Liste der UNESCO  aufnehmen zu lassen. Die Anträge dazu stellt die Deutsche Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren, die neuerdings ihren Sitz in Rees hat. Gildemeister Heinz Wellmann erklärt: „Der Antrag fand beim ersten Mal keine Zustimmung, doch jetzt haben wir bis zum 31. Oktober Zeit, ihn zu überarbeiten. Da unser Sitz von Niedersachen nach Nordrhein-Westfalen verlegt wurde und wir inzwischen die Gemeinnützigkeit erlangt haben, rechnen wir uns bessere Chancen aus. Unsere Schwierigkeit ist, das Berufsbild des Nachtwächters mit historischen Dokumenten zu belegen. Da meist arme Menschen diesen Wachdienst übernommen haben, ist in den Archiven wenig zu finden über die Ausübung dieser  wichtigen Arbeit, die ja in fast allen Städten gemacht werden musste, aber in dem Sinne nicht dokumentiert wurde.“ Die 190 Mitglieder der Gilde sind gefordert, in den Archiven zu stöbern. Bei der Anerkennung treffen sie auf harte Konkurrenten: Jedes Bundesland darf nur zwei benennen, die Falkner, Skatspieler, Flößer, Schausteller und weitere bewerben sich ebenfalls. Die Schützen haben es bereits geschafft, in die Liste  des immatriellen Kulturerbes aufgenommen zu werden.
Doch das wäre „nur das I-Tüpfelchen“. Anerkennung erhalten die heutigen Nachtwächter bei ihren Führungen vom interessierten Publikum. Insgesamt gibt es in Xanten  acht Nachtwächter, die koordiniert durch die Tourist Information Xanten (TIX), im Einsatz sind. Offene Rundgänge gibt es immer von November bis März jeden Samstag um 18 Uhr (während des Weihnachtsmarktes zusätzlich um 17 Uhr), an denen Kinder und Erwachsene ohne Voranmeldung teilnehmen können. Gruppen sprechen ihre Wunschtermine mit der TIX ab. Der eineinhalbstündige Rundgang beginnt am Ziegelhof an der TIX.

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