HALDERN. Der Countdown für das 33. Haldern Pop Festival läuft. Die Produktion hat die „Excel-Phase“ erreicht. Stefan Reichmann gehört zu den Vordenkern in Sachen Haldern Pop. „Wir sind in diesem Jahr spät dran“, sagt er und spricht von „der Produktion“. Ein Festival muss getaktet sein – es muss synchronisiert werden. „Wir sind jetzt in der Excel-Phase angekommen“, sagt Reichmann. Das klingt mehr nach Datensätzen als nach Tönen. „Es geht jetzt um Fragen wie: Welcher Künstler kommt wann wo an? Wer muss wann am Flughafen abgeholt werden? Wer braucht welches Equipment? Für Reichmann und die Crew bedeutet das in erster Linie: Es geht um Ermöglichung und nicht um Verhinderung. Aber all das ist nur die eine Seite des Festival, das „The Guardian“ zu den innovativsten Festivals in Europa zählt. Alle Jahr wieder lässt sich trefflich über den Erfolg des HP spekulieren. Fest steht: HP ist mehr als eine Klangfahne im Konzert der Festivals. Die Halderner haben zweierlei begriffen: Erfolg kann zur Falle werden, wenn er in Größenwahn und Konfektionierung mündet. Das ist das eine. Und das andere? Stefan Reichmann: „Wir dürfen nicht denken, dass wir hier die Coolsten und Tollsten sind.“ Gemeint ist: Haldern setzt auf Wechselwirkung. Anders gesagt: Ohne Input kein Output. Man muss die Frage nach Huhn und Ei nicht stellen, weil sich nichts anderes erzeugt als akademische Beulen, Blasen und Blessuren.
HP kann erfolgreich sein, weil beispielsweise über den Unterschied zwischen klug und clever nachgedacht und gesprochen wird. Wenn einer clever ist, stehen eigene Vorteile im Zentrum. Klugheit geht anders. Klugheit setzt auf Anbindung, Verbindungen. Nicht von ungefähr wird es beim HP 2015 einen „Marktplatz“ geben. „Marktplatz hat etwas mit Kommunikation und Informationsaustausch zu tun“, sagt Stefan Reichmann. „Marktplatz bedeudet gleichzeitig die Versorgung mit Schönem und Notwendigen.“ Es geht um Indentitäten und Mentalitäten – und nicht zuletzt geht es um Begriffe wie Heimat. Eben hier liegt das Potenzial des Festivals. Wer sich einzig und allein um die „Programmierung“ kümmert, verkommt letztlich zur anonymen Spielstätte. Der Marktplatz beim Haldern Pop: Drei Tipis, Sitzgelegenheiten und alles was sich daraus ergibt. Merke: Alles kann, nichts muss. Um eine Idee wie die des Haldern Pop zu verwirklichen, braucht es ein Konzept – eines, das sich zu ändern in der Lage ist.
„In der Endphase sind wir in jedem Jahr auch mit Geld befasst. Es werden noch Sponsoren gesucht“, sagt Reichmann. Nein – ein ausverkauftes Festival ist kein Rundum-Sorglos-Paket. „Wir sind total glücklich, dass wir in diesem Jahr einen Sponsor gewinnen konnten, um den wir uns immer bemüht haben“, sagt Reichmann. Und dann sagt er: „Du kennst Ahoj-Brause?“ Klar. Kleine Tütchen, Brausepulver und der Gedanke an Weltliteratur: Die Blechtrommel. „Dieses Jahr wird es auf dem Gelände Wundertüten zu kaufen geben“, sagt Reichmann und man merkt, dass ihn das freut. Nein, das HP ist kein Nostalgiebetrieb mit Rückwärtsgangtendenz, aber ein bisschen denkt man an Mahler: „Tradition ist die Bewahrung des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“ Und: Ein ausverkauftes Festival ist allemal besser als der Ausverkauf eines Festivvals. Dass im Line-Up der 2016-er Ausgabe des HP so ganz nebenbei auch ein Jazz-Trio auftaucht(Gogo Pengiun), gehört zu eben jenen wunderbaren  „Stilbrüchen“, die Haldern charmant machen. Und dass Eins-Festival live und deutschlandweit dabei ist, dürfte noch mehr Interesse generieren.

Heiner Frost

-Anzeige-
Vorheriger ArtikelHome of the brave: Sonderstempel der Post für das Parookaville
Nächster ArtikelKundes Sommerfilmquartett