In der Werkstatt des Gocher Sanitätshauses findet sich alles, was zur Herstellung einer Prothese benötigt wird. Davon profiert nicht nur Wendy Baardman (2. vl), Schatzmeisterin der Stiftung Freunde der Port Reitz Schule in Kenia. Auch Alexandra Hermens (l), Vorsitzende der Stiftung, freut sich über die Unterstützung von Dirk Rösch (m), Christa Kersten (2. vr) und Steffen Lörks (r) vom Sanitätshaus Mönks + Scheer bei der Herstellung von Prothesen für 305 behinderte Schulkinder in Kenia. NN-Foto: Anastasia Borstnik

GOCH. Um den zahlreichen behinderten Kinder der Port Reitz Schule in Kenia, die kaum Rollstühle und Krücken besitzen, zu helfen, haben sich zwei Mitarbeiter des Sanitätshauses „Mönks + Scheer“ entschlossen, ehrenamtlich bei der Errichtung einer Prothesen-Werkstatt in der Nähe der Schule zu helfen.

Im Februar machte man sich ein Bild von der Situation vor Ort. Im Oktober geht der Flug erneut Richtung Mombasa – diesmal mit vielen Sachgütern und technischen Hilfsmitteln im gepäck. Wie schmerzhaft es ist, ohne eine vernünftige Gehhilfe durchs Leben zu gehen, davon kann die betroffene Niederländerin und Schatzmeisterin der Stiftung „Freunde der Port Reitz Schule“, Wendy Baardman, viel erzählen: „Vor einigen Jahren bin ich über eine Mauer gesprungen und habe mir das Bein gebrochen. Dabei wurde das Röntgenbild vertauscht und weil sich das Bein entzündete, musste es amputiert werden.“ Eine herkömmliche Prothese schien im ersten Moment unmöglich, denn die Schmerzen, die auf dem Stumpf lasteten, waren einfach zu stark. „Zwölf Jahre hatte es gedauert, bis ich die passende Prothese hier in Goch gefunden hatte. Dabei habe ich schon an Orten auf der ganzen Welt gesucht“, sagte die ehemalige Weltmeisterin in Kung-Fu.

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Dank Orthopädietechnikmeister Dirk Rösch und der Spezialanfertigung mit elektromagnetischen Strümpfen, die wenig Druck auf das Kniegelenk aufbauen, kann Baardman seit vier Jahren wieder auf eigenen Beinen stehen und ist nicht mehr an den Rollstuhl gebunden. „Seit fünf Tagen bin ich zudem komplett schmerzfrei“, erzählt sie stolz. Dass dieses Glück nicht alltäglich ist, weiß Baardman vor allem seit ihrer Reise 2006 mit Alexandra Hermens nach Kenia. Denn was sie dort sahen, schockierte die beiden zutiefst: „Da waren zwölfjährige Kinder, die gerade einmal 15 Kilo wogen. Und viele waren behindert. Diese Kinder besaßen kaum Rollstühle oder gar Krücken und schleppten sich einfach so dahin“, so die Vorsitzende Alexandra Hermens, die aus diesem Grund im Mai 2009 die Stiftung der Port Reitz Schule in Mombasa/Kenia, gründete. Und Baardman fügt an: „Seither haben wir bereits viel erreicht.“

So wurde zum Beispiel eine ein Kilometer lange Mauer rund um die Schule errichtet, um Diebstähle und Übergriffe zu minimieren und den Bau eines Gemüsegartens zu gewährleisten. Auch die Abwasserversorgung und Hygiene durch ein neues Entwässerungssystem konnte realisiert werden. Doch ein Problem blieb: Die Schule besuchen rund 305 behinderte Schulkinder, wovon 184 internatsmäßig untergebracht sind. Momentan erhalten die Kinder eine Grundschulausbildung. Wegen unterschiedlichster Behinderungen können aber nicht alle Kinder die „öffentliche Berufsschule“ besuchen. „Weil die Kinder keine Schuhe tragen, sind sie vor Schlangenbissen nicht geschützt. Und diese Bisse haben zur Folge, dass Gliedmaßen der Kinder amputiert werden müssen“, so Baardman. Denn selten erreichen die Kinder den Arzt rechtzeitig – und müssen ein Leben lang mit einfachen, steifen Prothesen, Holzkrücken oder viel zu großen Rollstühlen klar kommen.

Prothesen im Vergleich: Während die linke Prothese eine Beugung zulässt und mehr Gewicht halten kann, ist die rechte Prothese steif und brüchig. Foto: privat
Prothesen im Vergleich: Während die linke Prothese eine Beugung zulässt und mehr Gewicht halten kann, ist die rechte Prothese steif und brüchig. Foto: privat

Wie der kleine amputierte Kahini aus Kenia, der nach acht Jahren eine bewegliche Prothese von Rösch bekam. Der Technikmeister hatte die Geschichte von Baardman gehört und spontan entschieden, im Februar die Reise nach Kenia auf eigene Kosten anzutreten und dem kleinen Jungen zu helfen: „Manchmal muss man sich fragen, ob man von seinem eigenen Glück nicht etwas an andere zurückgeben kann.“ Und das soll nicht seine letzte Reise dorthin gewesen sein: Rösch hat sich vorgenommen, vor Ort eine moderne Orthopädie-Werkstatt einzurichten und sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen – dort, wo die Werkstatt der „Association for Physically Disables in Kenya“ steht, die keine 300 Meter von der Schule entfernt ist.
Dabei macht er sich im Oktober nicht allein auf den Weg, denn Steffen Lörks, der seine Ausbildung im Sanitätshaus machte, hat sich ebenfalls entschlossen, zu helfen: „Ich engagiere mich bereits beim Technischen Hilfswerk, daher habe ich sofort zugesagt, als man mich fragte. So kann ich nicht nur den Menschen in Kenia helfen, sondern mich selber fortbilden.“

Bereits 7.000 Euro Geldspenden konnten für die Stiftung gesammelt werden, um die nötigen Materialen zur Errichtung der Prothesen-Werkstatt zu kaufen. Zudem soll ein Doppelcontainer in der Nähe der Werkstatt aufgestellt werden, wo Rollstühle repariert werden können. Auch Schultische, Stifte und Papier befinden sich auf dem Weg nach Mombasa. „Ich hätte nicht gedacht, dass es vor Ort vor allem an simplen Sachen wie Schreibutensilien, aber auch Unterhosen, Windeln und Schuhen fehlt“, erzählt Pressesprecherin Christa Kersten von „Mönks + Scheer“ abschließend.

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