Redaktionelle Serie zur Europawahl 2024: Was habe ich mit Europa zu tun?

Am 9. Juni wird das Europäische Parlament neu gewählt. Gemeinsam mit CORRECTIV beantwortet WOCHENBLATTNAME in einer 7-teiligen Serie die wichtigsten Fragen zur EU-Wahl: Welche Themen eine Rolle spielen und welchen Einfluss Europa auf unser Leben hat. Teil 1: Was die EU für jede Bürgerin und jeden Bürger bedeutet.

Was bringt mir die EU?

Mit Europa ist es ein bisschen so wie mit der Gesundheit: Die wenigsten Menschen denken jeden Tag daran, wie toll es ist, gesund zu sein – sie haben sich einfach daran gewöhnt. Auch die Vorteile der EU kommen einem nicht jeden Tag in den Sinn. Schließlich gibt es die Union seit beinah 70 Jahren – wenn man die Vorläufer-Organisation mal mitrechnet. Was man davon hat, fällt deshalb im Alltag kaum noch auf.

Der wohl größte Erfolg der EU: Frieden. Über Jahrhunderte herrschte in Europa fast immer irgendwo gerade Krieg, lange Phasen des Friedens waren selten. Seit es die EU gibt, hat aber noch nie ein EU-Land gegen ein anderes EU-Land gekämpft. Einer der Gründe: Die EU hat den Handel zwischen den Staaten sehr viel einfacher gemacht – wer miteinander Geschäfte macht, bringt sich nicht gegenseitig um.

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Ein weiterer Pluspunkt: Viele Dinge des Alltags werden europaweit geregelt. Für Unternehmen gelten in ganz Europa die gleichen Vorschriften. Die Ladekabel für Smartphones sind demnächst einheitlich, die Roaming-Gebühren beim Telefonieren sind es bereits, und was auf Lebensmittelpackungen über die Inhaltsstoffe stehen muss ebenso. Man darf außerdem von einem EU-Land in ein anderes ziehen und muss dafür nicht um Erlaubnis oder ein Visum fragen.

Warum ist die Europawahl wichtig?

An einer Europawahl nehmen in der Regel weniger Menschen teil als bei Bundestagswahlen. Eine Europawahl fühlt sich weniger wichtig an. Das hat einen Nachteil: Wenn die Gleichgültigen zu Hause bleiben, fallen die Extremen stärker ins Gewicht. Schon jetzt sind im Europäischen Parlament viele Parteien vertreten, die mit Europa gar nicht so viel am Hut haben. In einigen Ländern, zum Beispiel in Ungarn oder Italien, stellen diese Parteien sogar die Regierung.

Im EU-Parlament sitzen 705 Abgeordnete, davon gehören etwa ein Fünftel den beiden dezidiert europaskeptischen und nationalistischen Fraktionen an. Noch sind das zu wenige, um für Europa gefährlich zu sein – auch sind sie sich in den verschiedenen Staaten gar nicht immer einig. Aber wenn die extremen Europagegner mehr werden, dann kann die ganze europäische Idee ins Wackeln geraten.

Besonders schlau wäre das nicht. Die Wirtschaft in Deutschland zum Beispiel lebt davon, Waren ins Ausland zu verkaufen – und zwar überwiegend in die EU. Wenn das schwieriger wird, dann wirkt sich das direkt auf Arbeitsplätze in Deutschland aus.

Welche Rolle spielt das EU-Parlament?

Das Europäische Parlament ist mächtig – aber nicht so mächtig wie etwa in Deutschland der Bundestag. Anders als der Bundestag kann das Parlament etwa nicht alleine den Haushalt bestimmen. Wie viel Geld wofür ausgegeben wird, entscheidet das Parlament zusammen mit den Regierungschefs der Staaten. Wenn es hart auf hart kommt, könnte das Parlament die Kommission – also die EU-Regierung – auch zum Rücktritt zwingen.

Wenn EU-weite Regeln eingeführt werden, dann muss das Parlament zustimmen. Das können Umweltschutzrichtlinien sein. Oder zum Beispiel die Regelung, dass neue Handy-Ladegeräte in Europa demnächst einheitliche Stecker haben müssen. Das wurde vom Europäischen Parlament Ende 2022 beschlossen und soll zu deutlich weniger Elektroschrott führen.

Das EU-Parlament muss außerdem zustimmen, wenn die Union internationale Verträge abschließt. Dazu zählt auch die Frage, ob ein neues Mitglied aufgenommen wird.

Ansbert Kneip

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