Europäische Geduldsprobe

Am 9. Juni wird das Europäische Parlament neu gewählt. Viele Menschen finden die Wahl nicht so wichtig und Europapolitik nicht sehr spannend. In dieser Serie geht es darum, welche Themen bei der Wahl eine Rolle spielen und welchen Einfluss Europa auf unser Leben hat. Zweiter Teil:

Die mühsam vereinigten Staaten von Europa.

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Was kann eine einzelne Person im EU-Parlament überhaupt bewirken?

Wer in einem Parlament etwas bewegen will, braucht Verbündete. Das gilt in einem kleinen Gemeinderat genauso wie im EU-Parlament. Und man braucht Geduld.

Ein Beispiel: 2020 suchte der spanische Abgeordnete Javi Lopez Verbündete für strengere Richtlinien für saubere Luft. Mit zwei Deutschen und einer Belgierin brachte er einen Antrag ins EU-Parlament. 2021 stimmte das Parlament zu – aber damit war noch nichts beschlossen. Denn nun sollten die EU-Kommission und die einzelnen Staaten aushandeln, wie die Grenzwerte für Feinstaub und andere gefährliche Stoffe denn genau aussehen sollen.

Lopez wollte erreichen, dass in Europa die Grenzwerte gelten, die auch die Weltgesundheitsorganisation vorschlägt. Das ging einigen Staaten zu weit. 2023 stimmte das Parlament noch einmal für neue Grenzwerte, wieder wurde verhandelt. Deutschland wollte zum Beispiel Fahrverbote verhindern, falls die neuen Feinstaub-Grenzen nicht eingehalten werden. Im Februar 2024 schließlich wurde beschlossen: Ja, künftig gelten strengere Richtlinien in Europa. Wenn auch nicht so streng, wie Lopez das wollte. Und Fahrverbote wird es in der Praxis wohl auch nicht geben.

Warum dauern Verhandlungen in der EU so lange?

Die Antwort auf die

Frage ist relativ einfach: Nach den Regeln der EU müssen besonders wichtige Entscheidungen einstimmig in den 27 Mitgliedsländern fallen. Eigentlich ist das eine gute Idee. Aber das heißt halt auch: Das Nein von nur einem einzigen Land kann den Willen von 26 anderen blockieren. Dann muss wieder und wieder verhandelt werden.

27 Mitgliedsländer – das heißt: Im Zweifelsfall 27 sehr unterschiedliche Interessen. Zum Beispiel bei der Frage, wie man mit Migranten umgeht. Italien, wo sehr viele Menschen übers Mittelmeer ankommen, will die gern auf die anderen Staaten verteilen. Andere Länder würden am liebsten kaum Flüchtlinge aufnehmen. Da ist ein Kompromiss schwer zu finden.

Es ist auch schon vorgekommen, dass ein Staat bei einer Abstimmung ein Nein angekündigt hat, um ein Entgegenkommen der anderen bei einer völlig anderen Frage zu bewirken. So hat zum Beispiel Zypern die Diskussion über EU-Sanktionen gegen Belarus genutzt, um etwas an der EU-Haltung zur Türkei zu ändern.

Warum wird nicht einfach abgestimmt? Und dann wird gemacht, was die Mehrheit will.

In vielen Fällen ist das längst so. Etwa 80 Prozent der Entscheidungen müssen gar nicht einstimmig fallen. Es hat aber einen guten Grund, weshalb wichtige Entscheidungen – zum Beispiel zur gemeinsamen Außenpolitik – einstimmig fallen sollen: Es gibt in der EU relativ viele kleine Staaten.

Würde es nur um di

e Bevölkerungszahl gehen, könnten die vier größten Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – gemeinsam alle anderen überstimmen. Das wäre nicht sehr demokratisch. Deshalb gibt es die jetzigen Regelungen, auch wenn sie Einigungen nicht gerade erleichtern.

Die Zeitumstellung nervt viele EU-Bürger und ist überdies teuer für viele Betriebe. Eigentlich wollte sie die EU bis 2019 abgeschafft haben. Das hat auch das Parlament schon beschlossen. Jeder Staat dürfte dann entscheiden, welche Zeit bei ihm gelten soll. Die Angst dabei: Wenn es schlecht läuft, würde Europa dann aus einem Flickenteppich verschiedener Zeitzonen bestehen. Das wollte man bisher nicht riskieren, und für eine große, einheitliche Lösung fehlte bisher noch die Einigung.

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