Europäische Außenpolitik

Am 9. Juni wird das europäische Parlament neu gewählt. Viele Menschen finden die Wahl nicht so wichtig und Europa-Politik nicht sehr spannend. In dieser Serie geht es darum, welche Themen bei der Wahl eine Rolle spielen und welchen Einfluss Europa auf unser Leben hat. Heute: Die EU in der Welt.

Wer spricht für Europa?

„Wen rufe ich denn an, wenn ich mit Europa sprechen will?“, hat schon vor Jahrzehnten der damalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger gefragt. Das hat bis heute einen wahren Kern. Denn neben den EU-Institutionen haben weiterhin die Hauptstädte der Mitgliedsländer viel zu sagen.

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Zwar gibt es natürlich Spitzenpositionen wie die Kommissionspräsidentin oder den Ratspräsidenten. Mit dem Lissabon-Vertrag 2009 wurde auch eigens das Amt des „EU-Außenbeauftragten“ eingeführt. Das Anruf-Problem besteht jedoch weiter: Das liegt auch wesentlich an den 27 Mitgliedsländern, die teils sehr unterschiedliche Interessen und Standpunkte haben. Deshalb kann die EU in vielen Fällen nicht ihr volles Gewicht nutzen.

Ist die EU ein politisches Bündnis oder ein Handelsclub?

Sie war von Anfang an beides. Schon ihre Vorläuferorganisation, die 1957 gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, war ein Wirtschaftsverband für den zollfreien Handel dieser Rohstoffe. Mindestens genauso sehr war sie aber auch ein politisches Bündnis und Friedensprojekt – es ging um die „Vergemeinschaftung“ und gegenseitige Kontrolle der kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl.

Heute ist die EU tatsächlich auch eine starke Wirtschaftsunion. Sie verwaltet einerseits einen riesigen Haushalt, mit dem sie auch steuernd eingreift, besonders stark etwa bei der Landwirtschaft. Andererseits gibt sie wichtige Regeln für Unternehmen und den Handel in Europa vor. Manche davon betreffen konkret unseren Alltag: So haben sich die EU-Staaten etwa darauf geeinigt, dass es spätestens Ende 2024 einheitliche Ladekabel für alle Handys und andere Elektrogeräte geben muss.

Eine große Rolle spielt natürlich auch der Binnenmarkt. Durch den Wegfall von Zöllen und die Einführung des Euro wurden die Wirtschaftsbeziehungen in Europa so attraktiv wie nie zuvor. Auch handelt die EU gemeinsame Wirtschaftsabkommen mit anderen Staaten aus.

Wird Europa überhaupt ernst genommen?

Ja und nein. Die EU ist mit 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern und hohem Wohlstandsniveau der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Damit ist Europa auch auf dem Weltmarkt eine nennenswerte Größe.

In den großen Fragen der Geo- und Sicherheitspolitik – von Nahost bis hin zu China – hat die EU zwar weniger Gewicht. Zum einen wegen der schon angesprochenen unterschiedlichen Interessen der Mitglieder untereinander. Zum anderen, weil sie vor allem als „soft power“ gilt, die sich zwar die Demokratie und Menschenrechte auf die Fahnen schreibt, der es aber an Durchsetzungskraft fehlt. Gerade wenn es um militärische Konflikte geht, blickt die Welt immer noch mehr auf Washington als auf Brüssel.

In manchen Regionen spielt die EU denno

ch eine große Rolle, etwa aufgrund ihrer Erweiterungspolitik. Jene Länder, die sich um eine Mitgliedschaft bemühen, müssen sich durch Reformen an europäische Standards annähern. Ein anderer wichtiger Pfeiler ist etwa die Europäische Nachbarschaftspolitik. Damit sollen sich Länder wie Armenien, Georgien und die Republik Moldau durch wechselseitige Abkommen an die EU annähern.

Dennoch: Das außenpolitische Gewicht der EU könnte größer sein, als es derzeit ist. Um unsere europäischen Interessen in einer zunehmend komplexen Welt zu vertreten, braucht es eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Mit der Wahl am 9. Juni können die EU-Bürgerinnen und Bürger auch darüber mitbestimmen.

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