Einige Schüler der Willi-Fährmann-Gesamtschule als neue Paten der Stolpersteine für die Familie Alexander aus Xanten. Darunter die beiden Redner (v.l) Nele Domjahn und Mohamad Alshayeb. NN-Fotos: Jacqueline Kurschatke

“Wer fragte nach denen, die nie zurückkehrten?“ Worte, mit denen Mohamad Alshayeb, Schüler der zehnten Klasse an der Willi-Fährmann-Gesamtschule, die Verlegung zwei neuer Stolpersteine in der Xantener Innenstadt einleitet. Gemeinsam mit dem Rotary-Club, machte der Förderverein der Schule die Aktion möglich, die einen wichtigen Impuls zur deutschen Erinnerungskultur liefert und an die Opfer des NS-Regimes gedenkt.

Bis 2022 wurden durch andere Förderer bereits 45 solcher Steine verlegt. Dieses Mal zu besonderen Ehren der Familie Alexander aus Xanten.

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Gedenken an 1938

Es ist der 9. November und Deutschland erinnert sich an die Reichspogromnacht 1938, die sich speziell gegen die jüdische Bevölkerung richtete. Die Täter waren Anhänger Adolf Hitlers, Mitglieder der SS und SA, aber auch zivile Bürger, die jüdische Geschäfte zerstörten und plünderten, Bücher und Synagogen abbrannten und Juden bundesweit misshandelten, verschleppten und töteten.

Aber nicht nur die Pogrome vom 9. auf den 10. November 1938 forderten ihre Opfer. Die gesamte Zeit, in der die Nationalsozialisten in den Dreißiger- und Vierzigerjahren an der Macht waren, zeugte von Volksverhetzung und einem, daraus resultierenden Genozid, der mehrere Millionen von Menschen auslöschte. Vergraben ohne Namen und würdelos entmenschlicht.

Die Verlegung der Stolpersteine

„Eine stille Mehrheit guckte weg, eine stille Minderheit brachte den Mut auf, Verfolgten zu helfen, sie zu verstecken und zu schützen“, heißt es in der Rede von Nele Domjahn, ebenfalls eine Schülerin der Willi-Fährmann-Gesamtschule.

Der Anlass der Stolpersteinverlegung an der Marsstraße 30, vor der Tür des heutigen Geschäfts Trauerhilfe Lohel, gab den Schülern die Möglichkeit, nicht nur die Patenschaft für die Stolpersteine zu übernehmen, sondern auch auf die Spurensuche nach jüdischem Leben in Xanten zu gehen und die Geschichte dieser unschuldigen Opfer aufzuarbeiten.

Junge Menschen erinnern sich

Und dann ist da noch einmal die Frage: „Wer erinnert sich?“, und die Schüler sagen „Wir.“
„Wir erinnern uns heute und wollen den Verfolgten und Ermordeten somit ihre Würde und ihren Namen zurückgeben“, spricht Alshayeb in die Runde der Zuhörer, die gekommen sind, um dem Moment des Andenkens beizuwohnen.

Während die Schüler die Vergangenheit Revue passieren lassen, werden die beiden neuen Stolpersteine für Alex und Siegfried Alexander im Kopfsteinpflaster versenkt. Die vergoldeten Oberseiten mit Namen und Daten zu ihrer Person frisch glänzend – als wäre 1941 erst gestern gewesen.

Opfer der NS-Zeit: Wer war die Familie Alexander?

Die Alexander-Brüder waren zwei von insgesamt sieben Geschwistern. Mit ihnen erlebten nur ihre zwei Schwestern, Hedwig und Johanna die NS-Zeit. Während Johanna und Hedwig beide am 20. Oktober 1941 deportiert und ermordet wurden, konnte Sigfried rechtzeitig in die USA flüchten.

Alex zog gezwungenermaßen mit seiner Frau Olga Alexander (Mädchenname: Simon) und den beiden Töchtern Ilse und Ruth von Xanten nach Krefeld.

Ein Neuanfang ließ die Geschichte aber nicht zu. Alex wurde in der Pogromnacht verhaftet und bis zum 23. November im Polizeigefängnis Krefeld festgehalten. Er starb entrechtet und gedemütigt am 16. Januar 1941. Ehefrau Olga und die Kinder wurden dagegen erst ein Jahr nach dem Ableben von Alex Alexander deportiert.

1942 ging es für sie von Düsseldorf aus schließlich in das Getto „Izbica“ in Ostpolen, von wo aus sie weiter in ein Vernichtungslager verschleppt und ermordet wurden.

Die Stolpersteine für Siegfried, Johanna, Hedwig, Alex, Olga, Ruth und Ilse Alexander sind nun vereint vor ihrem alten Wohnsitz zu sehen und werden auch nachkommende Generationen an diese schlimme Zeit in der deutschen Geschichte erinnern.

Andenken an die jüdische Familie Alexander und ihre Opfer: Alex, Siegfried, Olga, Johanna, Hedwig, Ruth und Ilse.

Nie Wieder!

Die Schüler der Willi-Fährmann-Gesamtschule ziehen auch für sich selbst ein Fazit aus dem Schicksal der Familie Alexander. „Ich lebe gerne in Deutschland und hoffe, dass sich alle Menschen hier wohlfühlen können. Jeder hat ein Anrecht auf Frieden und ein würdevolles Miteinander. Jeder Mensch hat einen Namen.“

Hass habe damals aber auch klein begonnen: böse Worte hier, Gemeinheiten da. Das kenne Nele auch heute, 85 Jahre später, wie sie erzählt. Laut den Jugendlichen muss die Erinnerung an dunkle Zeiten aufrecht erhalten werden denn, und da sind sich alle einig: „Nie wieder! – Niemals dürfen sich die Geschehnisse wiederholen.“

Zusammenhalt in schwierigen Zeiten

Dafür wollen die Schüler Verantwortung übernehmen und nehmen andere junge Menschen, auch angesichts aktueller Kriege in Europa in die Pflicht. Gegen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung und für Zusammenhalt und Toleranz.

„Die Menschen die in Deutschland leben, deren Heimatland aber der Aggressor eines Krieges ist, sollten nicht verurteilt werden. Sie können nichts für den Krieg, daher sollte man Gefühle von Hass und Ungerechtigkeit, nicht gegen sie richten“, erklärt der Schüler Noah ElBarnoussi abschließend.

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