ISSUM. Vor zwei Wochen haben die Mitarbeiter und der Betriebsrat bei Diebels in Issum von einer geplanten Restrukturierung erfahren: Nicht nur wird eine der beiden Abfülllinien eingestellt, auch Stellen sollen abgebaut werden. Demnach droht 50 Prozent der rund 180 Mitarbeiter bis zum 31. Dezember 2023 das Arbeits-Aus in der Brauerei. Aber nicht nur das Vorhaben erntet derzeit Kritik, sondern auch das Vorgehen der Verantwortlichen.
Claudia Hempel, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht von einem unverschämten und unbarmherzigen Stil: „Wir haben von dem Vorhaben zum Teil selbst erst über die Pressemitteilung der Anheuser-Busch InBev erfahren“, sagt sie. Den Betriebsrat habe die Mitteilung erst kurz zuvor erreicht. „So geht man nicht mit Menschen um. Für uns war das ein wirklicher Schock.“ Für viele sei die Brauerei mehr als nur ein Arbeitsplatz. Umso kämpferischer ist nun die Stimmung, wie Hempel während der letzten Belegschaftsversammlung wahrnehmen konnte.

Keine Transparenz

Befeuert wird diese Stimmung noch durch einen anderen Umstand. Denn statt einer Gelegenheit, sich nach der ersten Trauer strategisch orientieren zu können, hätten – abgesehen von vier mit ein paar Zahlen versehenen Folien einer PowerPoint-Präsentation – bis heute weder NGG, noch der Betriebsrat oder die Belegschaft weiterführende Informationen zur Restrukturierung erhalten, kritisiert Hempel. Umso größer sind nun die Zweifel, dass trotz der anfänglichen Beteuerungen der Standort erhalten werden und zukunftssicher funktionieren kann. „Es gibt nach wie vor keine transparenten Informationen. AB InBev nennt das eine Umstrukturierung, ich nenne das einen Kahlschlag ohne Sinn und Plan.“
Dasselbe gelte für die Frage des Stellenabbaus. Die Betroffenen fordern, dass dieser so gering wie möglich gehalten und so sozialverträglich wie möglich gestaltet wird. Wahllos Stellen abzubauen, lehnt der Betriebsrat ab. „Wir erwarten, dass es einen Plan mit Hand und Fuß gibt. Das wird auch jeden Tag von den Kollegen im Betrieb erwartet.“

Fehler des Managements

Während AB InBev in der Pressemitteilung die wirtschaftlichen Probleme – gestiegene Kosten, sich verändernde Verbraucherbedürfnisse und ein schrumpfender Biermarkt – als Grund für die Maßnahmen angeführt hat, sieht Claudia Hempel das eigentliche Problem in den Entscheidungen des Managements. „Altbier lebt und ist nach wie vor sehr gefragt.“ Stattdessen habe InBev viele Dinge versäumt „und bewusst sein lassen, um Geld zu sparen.“
Der juristische Berater Dr. Herbert Grimberg spricht seinerseits von einem mangelnden Interesse seitens der Unternehmensführung. Dazu erwähnt er nicht nur die stark verringerte Produktwerbung, sondern auch den Versuch, 2018 die Brauerei zu verkaufen. Der Vorsitzende des Diebels-Betriebsrats, Thomas Engelsiepen, stellt einen Vergleich zum Diebels-Mitarbeiterverein an, der 2018 gegründet wurde, um die Marke zu stärken und Netzwerke zu schaffen: „Unser spendenfinanziertes Budget ist höher als das Budget von Diebels bei einem Großkonzert.“ Eine Feststellung, die Hempel weiter ausführt, wenn sie auf potenzielle Absatzmärkte zu sprechen kommt.

Mangelnde Empathie

Denn einfach nur dem Handel die Schuld zu geben, hält sie für falsch. „Es ist die Aufgabe der Arbeitgeber, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie das Gebraute verkaufen.“ Events wie Konzerte und Festivals, in Stadien und auf Volksfesten bediene der Konzern kaum. „Die wirtschaftlichen Zahlen kommen auf Basis dieser falschen Entscheidungen zustande.“ Ihre Schlussfolgerung: Mangelnde Empathie für den Markt und die deutsche Braukunst. „Die wird aber notwendig sein, um die Brauerei neu aufzustellen.“ Zumal es der spärlichen Informationslage zum Trotz bereits ein nicht zu unterschätzendes Jahresziel gebe: „Man hat sich vorgenommen, an diesem Standort wieder 600.000 Hektoliter zu brauen. Aber das funktioniert nur mit einem Plan und dafür muss man die Beschäftigten mitnehmen.“ Geht es um Hektoliterzahlen, steht AB InBev beim Bierabsatz derzeit deutschlandweit auf Platz vier.
Engelsiepen nennt noch ein anderes konkretes Beispiel. „Ende des letzten Jahres hat man gesagt, Mischgetränke und alkoholfreies Bier sind auf dem Vormarsch.“ Kurze Zeit später habe man aber entsprechende Produkte gestrichen. Entscheidungen wie diese zögen sich durch die letzten 20 Jahre – seit die frühere Privatbrauerei in Konzernhände übergegangen ist.
Daher habe man durchaus mit einem weiteren Rückschlag gerechnet, aber keinesfalls in diesem Ausmaß. Entsprechend „stinksauer“ sei die Belegschaft, sagt Engelsiepen.

Diebels: Demo am 3. Oktober

Weil es um Existenzen geht, verlangen die NGG und der Betriebsrat von der Unternehmensführung, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur gegenüber den teils langjährigen Mitarbeitern, sondern auch gegenüber dem „Altbierdorf“ Issum. „Issum lebt seit jeher mit dieser Brauerei“, sagt Claudia Hempel. Daher wolle man auch nicht teilnahmslos zusehen. „AB InBev wird keinen Plan vorlegen, wenn wir sitzenbleiben und warten.“
Daher findet am 3. Oktober ab 11:55 Uhr ein Aktionstag statt, bei dem die Beteiligten für die Brauerei und die Marke eintreten. Eingeladen sind alle Bürger und Vereine. „Selbst aus allen deutschen InBev-Standorten haben sich bereits Kollegen angekündigt.“
Auch Issums Bürgermeister Clemens Brüx möchte sehen, was sich tun lässt und plant daher ein Treffen mit Landrat Christoph Gerwers und der Wirtschaftsförderung des Kreises Kleve.
Brüx wünscht sich selbst nicht nur, dass der Konzerns Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern übernimmt, sondern auch ein Gespräch mit den Verantwortlichen, um Klarheit für die Zukunft zu gewinnen. „Wir reden hier von fast 20 Hektar Fläche mitten im Dorf. Hier geschieht etwas und Issum und Diebels sind nun einmal untrennbar miteinander verbunden.“
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