NIEDERRHEIN. Lars Kamphausen hat schon in der Grundschule mit dem Gitarre spielen angefangen und entdeckte das Musikmachen während seiner Zeit in einer Schülerband für sich. Eigentlich arbeitet der 24- Jährige aus Aldekerk als Sozialarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe, der Traum irgendwann mal Musik aufzunehmen und Menschen zu berühren bestand aber immer. Bereits 2018 wurde der heutige Gelderner durch seine Teilnahme bei The Voice of Germany bekannt. Nach fünf Jahren kleinerer Auftritte, Songs schreiben und Musizieren hat er nun seinen ersten eigenen Song „Listen to the Water“ veröffentlicht. Im Interview mit NN-Volontärin Jacqueline Kurschatke erzählt Lars, wie er sich als eigenständiger Künstler etablieren möchte, wie sein neuer Song entstanden ist und warum er sich nicht mehr verstecken will.

Ich würde gerne mit einer simplen Frage starten: Warum Musik?
Lars Kamphausen: Oh, das ist eine schöne Frage. Es blieb immer dabei. Musik ist für mich viel Ausgleich zum Alltag, viel Hobby. Heutzutage ist man schneller im Stress als man gucken kann: Arbeit, Privatleben noch was nebenbei… sich dann abends hinzusetzen, die Gitarre in die Hand zu nehmen und einfach darüber zu schreiben, ist ein sehr gutes Ventil für: „Es ist gerade alles zu viel.“

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Musik ist also auch eine emotionale Stütze?
Kamphausen: Total! Ich finde, dass es vor allem eine Verbundenheit mit den eigenen Emotionen mitbringt. Ich höre sehr gerne neue Playlisten, die mir angezeigt werden, und wenn dort dann ein Song aufpoppt, bei dem ich sofort eine Gänsehaut bekomme, denke ich mir „okay, ich habe gerade gar keine Ahnung, worum es geht, aber ich fühle es total“, und das ist schön.

Wie begleitet dich Musik sonst noch im Alltag?
Kamphausen: Den ganzen Tag (lacht). Ich stehe morgens schon damit auf. Entweder läuft ein Radiosender oder irgendeine Spotify-Playlist. Sogar mein gesamtes Social Media ist voll damit. Ich singe den ganzen Tag. Auf der Arbeit haben wir ein Klavier, an dasich mich oft mit den Kindern setze und ihnen Lieder beibringe. Ich habe eine kleine Wohnung, die sieht manchmal ein bisschen aus wie ein Probenraum mit Bett drin, hier stehen drei Gitarren, da ist ein Klavier- dann geht schnell ein Tag vorbei, an dem ich nur herumgeklimpert habe.
Du hast mal gesagt: „Ich singe nur, weil es mir geholfen hat Gitarre spielen zu lernen.“

Ist es dein Ziel, irgendwann komplett Musik zu machen?
Kamphausen: Wäre ein wenig der Traum dahinter. Klar, ich bin gerne Sozialarbeiter und mache meinen Job super gerne, aber irgendwann dann doch sagen zu können man lebt von der Musik, wäre schon schön! Ich merke zwischendurch das Kreativprozesse- Songs schreiben, Song Ideen ausarbeiten- oft in Diskrepanz stehen mit: „du hast morgen 24 Stunden Dienst, du solltest mal ins Bett gehen.“ Schreibe ich jetzt noch einen Song? gehe ich besser schlafen? Da muss ich manchmal die Waage halten.

Also du merkst den Unterschied zwischen dem normalen Job und dem Lebensstil eines Musikers, der freier und lockerer ist?
Kamphausen: Ja total. Im Hauptjob muss man ein Vorbild sein und arbeitet mit Kindern, mit Jugendämtern… Da merke ich schon das „Lars- der Sozialarbeiter“ schon eine andere Rolle spielt, als wenn ich als „Lars- der Musiker“ irgendwo auf der Bühne stehe.

Wann wurde daraus ein: „Ich singe, weil ich Menschen erreichen will“?
Kamphausen: Ich glaube das war so mit 14, 15, 16, als ich gemerkt habe, dass ich mich selbst mehr auf den Gesang konzentriert habe und die Gitarre eher das Begleitinstrument wurde. Ich habe mir dann überlegt: Was kann ich spielen, dass ich dazu singen kann. Auch bei kleineren Auftritten wurde dann nicht gefragt: „Kannst du was auf der Gitarre spielen?“, sondern: „Singst du uns was?“ Dabei ist es geblieben und das finde ich auch schön.

Findest du, du hast dich in den letzten Jahren- vor allem seit „The Voice“ persönlich verändert?
Kamphausen: Sehr! The Voice liegt jetzt fünf Jahre zurück. Manchmal fühlt sich das an, als ob das gar nicht stattgefunden hätte. Wenn ich mir die Videos von meinem Auftritt anschaue, denke ich immer: das bin gar nicht ich. Ich hatte damals noch eine Brille auf, trug längere Haare mit Seitenscheitel, auch die Art, wie ich damals geredet und gesungen habe…, das zu sehen ist immer ein leicht unangenehmer Moment. Ich merke, dass ich mich persönlich, musikalisch und vor allem gesanglich verändert habe. Das ist alles um einiges besser geworden.

Welchen Stellenwert gibst du „The Voice“ bei deiner Karriere? Glaubst du, dass du es auch ohne geschafft hättest?
Kamphausen: Ich glaube schon, dass „The Voice“ ein riesiger Start dafür war. Ich habe vorher schon viel Musik gemacht, auch mit einer Freundin zusammen. Da kamen durch die Show natürlich viele Auftrittsmöglichkeiten zustande, um zu sagen „Hey hier bin ich, ich mache Musik.“ Aber ich muss da immer ein bisschen unterscheiden, dass es trotzdem eine Castingshow und fünf Jahre her ist. Man wird dann angekündigt mit „Hier ist Lars und er war bei The Voice. Da bekommt man das Gefühl, man wird darauf reduziert. The Voice ist keine Show, für die ich mich schämen muss, es war eine große Erfahrung und ich erzähle auch total gerne davon, aber als Künstler, der jetzt versucht eigene Musik zu machen, habe ich mehr davon, wenn man dann wirklich losgelöst davon auf der Bühne steht. Ich glaube aber schon, dass ich der Show selbst viel zu verdanken habe, auch durch die Kontakte mit Musikern, die dadurch entstanden und geblieben sind.

Schreibst du deine Songs selbst?
Kamphausen: Ja. Als ich mich bei The Voice beworben habe, habe ich nur Covermusik gemacht. Während der Show habe ich dann aber viele andere Musiker kennengelernt und gemerkt, dass es der richtige Schritt wäre, mich auch selbst daran zu versuchen. Am Anfang war das für mich sehr komplex, aber irgendwann habe ich es dann geschafft, den ersten Song zusammenzukriegen. Damit auf der Bühne zu stehen, war eine ganz andere Erfahrung, weil es sofort viel persönlicher ist. Da hat meine Stimme schon etwas gezittert. Zum Glück blieb ich dran und es wurden immer mehr Songs und gleichzeitig immer mehr Ideen. Die fliegen überall in Notizbüchern, auf meinem Handy und Co. herum.

Warum schreibst du auf Englisch?
Kamphausen: Ich habe das Gefühl, wenn ich auf Deutsch schreibe, dann klingt es manchmal etwas zu „schnulzig.“ Zum Beispiel gibt es in einem Song von mir die Zeile „I can feel your heat from my chest to my knees“, wenn ich mir das dann ins deutsche Übersetze denke ich mir sofort „Oh Gott, ist das unangenehm!“ (lacht)

Also hilft die Sprachbarriere bei der emotionalen Distanz? macht es das ganze etwas angenehmer?
Kamphausen: Total. Im Englischen kann man vieles mit einem Wort super schön beschreiben. Außerdem kann jeder etwas anderes darein interpretieren. Auf Deutsch wäre es aber natürlich noch persönlicher. Wenn ich jetzt meinen Song irgendwo spiele, könnte mir nicht jeder sofort sagen, worum es in dem Lied geht: Das merke ich auch selbst, wenn ich englische Musik höre. Aber man kann das Lied immer noch fühlen und sich denken „Das klingt schön“

Wie sieht dein Kreativprozess aus, wenn du deine Songs schreibst?
Kamphausen: Völlig chaotisch! Es funktioniert nie, wenn ich mich hinsetze und sage „So, ich schreibe jetzt einen Song.“ In sämtlichen Situation im Alltag kommen einem aber viele Ideen. Das ist viel autobiographisch, Dinge, die passiert sind, über Personen im engsten Kreis oder auch Beobachtungen von einer schönen Szene. Ich versuche dann was aufzuschreiben, das funktioniert aber nicht immer. Ganz häufig passiert es mir dann, dass ich eine Strophe habe und nicht weiterkomme. Erst ist es immer so ein „Ach Mist“-Moment, aber ich freue mich dann auch weil ich weiß das die Idee irgendwann kommt und der Song fertig wird. Viele Songs sind zwei halbe Songs zusammengepackt oder man schreibt einen Song und nimmt einen Teil raus und packt es in einen anderen, wenn man denkt „Oh das klingt hier schöner.“ Manchmal versuche ich auch das dann mal jemand anderem zu schicken und zu fragen, ob derjenige eine Idee dazu hat.

Wie ist „Listen to the Water“ entstanden?
Kamphausen: Ich habe den Song 2019 geschrieben, also ist es mit einer der ersten Songs, die ich je geschrieben habe. Ich weiß, dass die Idee kam, weil jemand in meinem Freundeskreis zu dem Zeitpunkt ein paar Schwierigkeiten hatte. Von außen betrachtet dachte ich: „Mach doch mal eine Pause“ und dazu kam dann irgendwie dieses Bild im Kopf, wie jemand an einer Klippe steht, weit aufs Wasser rausschaut und einfach mal durchatmet. Fast schon meditativ. Am Wasser sein und den Wellen zuhören, hat etwas sehr Entspannendes. Der Song war dann aber auch tatsächlich in zwei oder drei Tagen fertig. Letztes Jahr habe ich dann durch einen Auftritt den Produzenten Thomas Steiner kennengelernt, er hat sich dann mit mir drangesetzt und wollte etwas aufnehmen. Erst war ich mir nicht sicher, welchen Song ich dafür nehmen sollte, aber da „Listen to the Water“ mein erster Song war, wollte ich damit auch den Anfang machen. Beim Produzieren wurde der Song dann immer größer im Kopf. Ich wollte noch ein Schlagzeug und dies und das…Da war ich sehr froh, Thomas zu haben. Er hat das alles möglich gemacht. Wir haben uns dann zwei Tage im Studio barrikadiert und so wurde der Song ganz schnell zu dem, was er heute ist.

Gibt es eine Zeile aus „Listen to the Water“, die dir am meisten am Herzen liegt?
Kamphausen: Ich glaube, es ist die Zeile im Chorus „She never wants to hide away again.“ Klar, die Zeile wiederholt sich auch häufig, aber das ist auch das Ziel von dem Song; zu sagen: sie oder man will sich einfach nicht wieder verstecken und zurück in diesen Trott reinfallen.

Willst du dich auch nicht wieder verstecken?
Kamphausen: Die Musik, die ich mache, ist super persönlich. Es gibt viele Themen, über die ich auch mit meiner Familie nie gesprochen habe und dann stelle ich mich auf die Bühne und erzähle es wildfremden Menschen. Da frage ich mich dann oft: „Was machst du hier eigentlich?“. Musikalisch sind sehr viele Selbstzweifel dabei. Ich denke mir, ist das genug? Dann sieht man andere Künstler und mein, das ist wesentlich besser… Man landet in einer Gedankenspirale. Mich selbstbewusst hinzustellen und zu sagen: „Ich mache das jetzt einfach und es wird immer jemanden geben dem es nicht gefällt“, ist leichter gesagt als getan, aber ich versuche trotzdem immer weiterzumachen. Ganz nach dem Motto „Versteck dich nicht.“

Worum geht das für dich in deinem Song allgemein?
Kamphausen: Für mich geht es wie gesagt ganz viel ums Durchatmen, Weitermachen und Dinge loslassen. Außerdem geht es darum, sich selbst zu fragen wo man hin möchte oder was man in seinem Leben ändern will. Deswegen auch dieses „She runs away, She runs away…“, nicht in dem Sinn, dass man vor seinen Problemen wegläuft, sondern sich einfach von ihnen löst, ein bisschen Fahrt aufnimmt und guckt, wo man hinkommt. Das ist für mich selbst auch häufig Thema. Zu schauen, was mir selbst gerade gut tut. Der Song klingt für mich auch total nach Sommer und ich freue mich auch momentan riesig auf die warmen Tage. Deshalb schwingt bei „Listen to the Water“ oft ein bisschen dieses Gefühl von- „Wir haben jetzt genug vom Winter. Es war lange genug kalt und nass, jetzt gibt es hoffentlich bessere Laune“ -mit.

Kann man sich schon auf mehr Musik freuen, oder ist das noch ganz weit entfernt?
Kamphausen: Ja, also ich bin mit Thomas Steiner natürlich weiter im Gespräch, was die nächsten Schritte sein werden. Natürlich muss man auch immer schauen, wie es sich finanziell trägt. Ich habe ja kein Label, das die Produktionskosten für mich übernimmt. Ich wüsste aber jetzt schon für die nächsten Songs, was ich anders machen würde, damit es nicht ganz so teuer wird und trotzdem gut. Der Wille und die Idee, dass die nächsten Songs produziert werden, ist da. Da muss ich einfach gerade nur gucken, wie. Mein Vorhaben ist, dass dieses Jahr auf jeden Fall noch ein weiterer Song rauskommt. Wenn es zwei wären, wäre das auch gut, aber da muss man dann einfach schauen, wie das funktioniert.

Was sind deine Wünsche für die Zukunft?
Kamphausen: Dass ich an das Ganze wesentlich entspannt herangehe. Ich finde, ich stresse mich da viel zuviel, auch weil ich immer denke, das muss gut werden. Einem platzt irgendwann der Kopf. Außerdem wünsche ich mir, dass ich mir selbst gegenüber und als Musiker mehr selbstbewusst entwickle. Vielleicht wäre es auch schön, wenn ich meinen Hauptjob irgendwann reduzieren könnte. Momentan finde ich so ein Modell von halb hier, halb da irgendwie ganz cool. Aber ich glaube, am wichtigsten wäre einfach, dass ich weiter dranbleibe; mehr im kreativen Prozess bin, mehr mit anderen im Austausch stehe – vor allem mit anderen Musikern. Dass es einfach weiter geht.

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