Grundsteinlegung für die Forschung

KLEVE. Vielleicht sollte jemand Erwin Dribusch als Lehrer des Jahres vorschlagen. Der Mann stellt die richtigen Fragen. Richtige Frage zu stellen ist nicht eben einfach – zumindest dann, wenn man das Fragen als Teil des Forscherwerkzeugkastens definiert.

Dressurparcours

Auch – oder vielleicht gerade – die Schule muss richtige Frage stellen, damit Lernen nicht zum ergebnis- sprich: notenorientierten Dressurparcours wird. Dribuschs Modell kreist um Erkenntnisse, Fragen und deren innere Zusammenhänge. Schule ist ein permanentes Work in Progress. Wissensvermittlung ist Motivation einerseits und Anleitung zur Erkenntnis andererseits. Aller Anfang sollte nicht schwer sein – Spaß sollte er machen.

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Mathehorror

Am Berufskolleg Kleve startet jetzt ein Forscherkolleg für Grundschüler. Es geht um die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Mathematik – das ist eben jenes Fach, bei dessen purer Erwähnung längst reflexhaft (und natürlich völlig zu Unrecht) Horrorgeschichten die Runde machen. Wer sich bei dem Worte Mathe schüttelt, gehört zum Verein und darf darauf hoffen, in die Selbsthilfegruppe aufgenommen zu werden. So kann es nichts werden.

Schüler für Schüler

Die MINT-Fächer jedenfalls brauchen Nachhilfe in Sachen Popularität. Erwin Dribusch ist MINT-Koordinator am Berufskolleg, das – zusammen mit dem angegliederten Schülerforschungszentrum – das Konzept zum Forscherkolleg entwickelt hat. „Im Kolleg führen Schüler verschiedene Experimente durch und erhalten dabei erste Einblicke in das Denken und Arbeiten von Forschern“, heißt es in einer Projektbeschreibung. Rund 150 Dritt- und Viertklässler der Grundschulen St. Georg (Kranenburg-Nütterden), Arnold Janssen (Goch) und Gemeinschaftsgrundschule An den Linden (Kleve) nehmen am Projekt teil.

Wissen hinter dem Tun

Vorbereitet wurde das Ganze von Schülern des Berufskollegs: Die haben kindgerechte Experimente entwickelt und wurden – quasi ganz nebenbei – selber zu Experten in Sachen Erkenntnisgewinn. Erwin Dribusch: „In unserem Projekt soll das Methodenwissen – also das Wissen hinter dem Tun – vermittelt werden.“ So gehe es beispielsweise darum, Forscherfragen zu formulieren.
Michelle Baumann gehört zu den Expertenschülern vom Berufskolleg. „Es ist toll zu erleben, mit wie viel Spaß es hier zugeht“, sagt sie, die unter anderem für das Fach Mathematik zuständig ist. Ihr Expertenkollege Justin Aengenheister erzählt von Rosinen und Mineralwasser. Das Experiment: In einen Behälter mit Mineralwasser werden Rosinen gefüllt. Aha. Was passiert: „Die Rosinen beginnen zu tanzen.“ Das Problem: Nicht alle Rosinen tanzen. Der Beginn einer Fragenkette.

Begeisterung

Den Schüler-Experten merkt man den Spaß am Tun deutlich an und es schleicht sich – streng unwissenschaftlich – die Ahnung ein, dass Begeisterung auf Seiten der Lehrer große Chancen hat, Begeisterung bei den Schülern nach sich zu ziehen und wenn man in die eigene Schulzeit zurücktaucht, ist schnell erwiesen, dass am Beginn des Interesses fast immer Personen stehen und dass ein Lob an der richtigen Stelle das Weitermachen beflügelt. Mit anderen Worten: Es geht ums Feuer fangen. Das Forscherkolleg macht sich auf eben diesen Weg und verbindet den Spaß mit den notwendigen Hintergründen.

Premiere

Nach der Auftaktveranstaltung, die in der vergangenen Woche stattfand, folgen vier weitere Workshops. Premiere konnte das Forscherkolleg im neuen MINT-Gebäude des Berufskollegs feieren – für Schulleiter Peter Wolters ein gelungener Auftakt. Zehn Millionen Euro hat der Kreis in das Gebäude (und die entsprechende Ausstattung) investiert und Landrätin Silke Gorißen ist sicher, dass die Schulen im Kreis „hervorragend aufgestellt“ sind. Es komme nicht selten vor, dass sie „außerhalb“ auch mit dem Berufskolleg prahle. „Und das mit gutem Gewissen.“ Schule, so Gorißen, sei längst zu einem Lebensraum geworden.

Entwicklungshilfe

Schule – so viel steht fest – muss sich entwickeln. Es geht darum, Konzepte permanent zu hinterfragen. Was nicht einfach ist, denn es ist ein bisschen so, als müsse die Reparatur eines Autos während der Fahrt durchgeführt werden. Hinterfragen ist notwendiger Bestandteil des Vermittelns.

Später mal

Spannend wäre es in jedem Fall, die Teilnehmer des Forscherkollegs in – sagen wir – zehn Jahren nach ihren Erfahrungen zu fragen. Landrätin Gorißen denkt noch weiter und ist sicher, dass sich alle noch mit 70 Jahren an die tanzenden Rosinen erinnern werden.
Ein wenig offizieller liest es sich dann so: „Ich freue mich sehr, dass die neuen MINT-Räume in den kommenden Monaten von Schülern verschiedener Grundschulen genutzt werden, um zu zeigen, wie spannend und wie nah am Alltag MINT-Fächer sein können.“ Natürlich hat die Landrätin gegendert und von „Schülerinnen und Schülern“ gesprochen. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es bei der MINT-Offensive nicht auch darum ginge, gerade Schülerinnen und MINT-Fächer mehr zusammen zu bringen. Also – nicht vergessen, bei den Kolleg-Teilnehmern in zehn Jahren mal nachzufragen. Vielleicht sind dann manche von ihnen in die Forschung gegangen. Und vielleicht ist Erwin Dribusch mal Lehrer des Jahres geworden.

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