So nah und doch so fern

KLEVE. Wann denkt man schon über einen Begriff wie „Boden“ nach? In einer zunehmend technisierten Welt spielt Boden keine Rolle. Boden – das ist so nah und doch so fern. Für Gedankenlosigkeit – das sollte man wissen – wird irgendwann die Rechnung fällig. Bangemachen gilt nicht? Mag sein. Aber zum Nachdenken anzuregen darf (muss) als Minimalziel betrachtet werden.

Matinee

Am Sonntag ist im Rahmen einer Film-Matinee „Unser Boden, unser Erbe“ zu sehen. Es laden ein: Die Tichelpark Cinemas und der Kandidat von ‚Bündnis 90/ Die Grünen‘ für den Nordkreis, Dr. Volkhard Wille. „Der Dokumentarfilm ‚Unser Boden, unser Erbe‘ zeigt, wie wichtig und zugleich extrem bedroht unsere Lebensgrundlage – der Boden – ist“, sagt Wille. „Dabei verdient gerade diese Ressource unsere größte Wertschätzung. Wir alle können zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit beitragen – ob als Landwirt, Gärtner oder Konsument.“

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10 bis 20 Hektar pro Tag

Pro Tag werden in Nordrhein-Westfalen 10 bis 20 Hektar Fläche verbraucht. „Wir sprechen da von Straßenbau ebenso wie von Siedlungsbau, Kies- oder Braunkohlegewinnung“, sagt Wille.
Ein (utopisches?) Rechenexempel: NRW hatte 2020 eine Nutzfläche von 1,47 Millionen Hektar. Im Durchschnitt der letzten vier Jahre reduzierte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche um 19,8 Hektar pro Tag, was pro Jahr einem Verlust von 7.227 Hektar entspricht. (Diese Zahlen stammen zum einen vom LANUV mit Datenquelle: IT.NRW und vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung.) Bedenkt man die Tatsache, dass der Boden zu den endlichen Ressourcen gehört, werden Dimensionen deutlich.

Katalysator

Kiesschichten beispielsweise seien ein wichtiger Katalysator für das Trinkwasser, so Wille. „Darüber müssen wir uns im Klaren sein.“ Ist der Kies einmal weg, fällt damit auch deren katalytische Wirkung weg. Wille: „Da hilft es dann auch nicht, die Gruben aufzufüllen und am Ende mit Humus zu bedecken. Landwirt Daniel Schewe vom Biohof Büsch sieht den Boden extrem gefährdet. Fruchtfolgen statt Monokulturen – ein Teil seiner Thematik. „Ab dem kommenden Jahr ist es in der Landwirtschaft verboten, zwei Jahre hintereinander beispielsweise auf derselben Fläche Mais anzubauen.“ Bei Verstößen, so Schewe, würden Subventionen gestrichen. „Bedingt durch die momentan unglaublich gestiegenen Preise für Kunstdünger findet ohnehin ein Umdenken statt“, ist Schewe sicher. Die Qualität der Böden sei in den letzten Jahren schlechter geworden. Man werde in spätestens 30 bis 50 Jahren ein Desaster erleben, sind sich Wille und Schewe einig.

Ökomodellregion

„Der Boden“, so Wille, „ist ein Organismus, der nicht alles aushält. Natürlich kann man Monokultur betreiben, aber das geht dann im übertragenen Sinn nur mit der Dauermedikation von Kunstdünger und anderen Hilfsmitteln. Der Idealfall aber wäre doch, einen Organismus aus sich heraus gesund zu erhalten.“ Wille weiter: „Der Kreis Kleve ist jetzt Ökomodellregion. Das bedeutet, dass es darum geht, bis 2030 30 Prozent Ökolandbau zu haben.“ Und wie viel Prozent sind es derzeit? „Es müssten circa 2,5 Prozent sein“ sagt Wille.

Man muss nicht in die Sahelzone

In „Unser Boden, unser Erbe“ werden Themen wie Landwirtschaft und Flächenversiegelung angesprochen. Regisseur Marc Uhlig: „Um zu sehen, was mit unseren Böden passiert, muss man nicht in die Sahelzone oder in den Regenwald. Es passiert vor unserer Haustür. Es geht um Wertschätzung. Es geht darum, den Boden als Thema ins Bewusstsein zu bringen.“ Der Boden, so Sarah Wiener (deutsch-österreichische Unternehmerin, Fernsehköchin und Politikerin), sei Almende: Allgemeingut. Des Menschen Erbe. „Das gehört doch niemandem. Wer will es wagen, den Boden in zehn Jahren zu zerstören und abzutragen?“, fragt Wiener.
Marc Uhlig: „Die Idee zu meinem Film entstand aus der Erkenntnis, dass ich ziemlich weit weg bin vom Boden. Ich habe einem guten Freund bei der Ernte geholfen und habe zum ersten Mal gemerkt: Das ernährt mich. Dann habe ich recherchiert.“ Das Ergebnis: Der Boden ist in Gefahr. „Unser Boden, unser Erbe“ ist nicht eben leichte Kost, aber es geht um ein zentrales Stück der Zukunft.

Gesprächsrunde

Im Anschluss an die Vorführung des Films soll es eine Gesprächsrunde geben. Teilnehmer sind Prof. Florian Wichern (Hochschule Rhein-Waal), Biolandwirt Daniel Schewe und Volkhard Wille. „Die Hochschule Rhein-Waal beschäftigt sich mit zahlreichen Aspekten des Bodenschutzes und der Landbewirtschaftung“, begründet Wille die Anwesenheit von Wichern und fügt hinzu: „Daniel Schewe kann als Praktiker berichten, wie Bodenschutz auf dem Acker funktioniert.“ Die Landespolitik verfügt laut Wille „über das entscheidende Instrumentarium, um den Boden vor Flächenversiegelung, Kiesabgrabungen und anderem Raubbau zu schützen.“

Die Veranstaltung beginnt am Sonntag, 3. April, um 12 Uhr, im Tichelpark Kino in Kleve. Das Eintrittsgeld (5 Euro pro Person) wird für medizinische Hilfe in der Ukraine durch die Organisation „Aktion Medeor“ aus Tönisvorst gespendet.

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