NIEDERRHEIN. Eines wollte Sebas­tian Sürgers auf gar keinen Fall: Den richtigen Zeitpunkt verpassen, um den Taktstock als Dirigent des Bundesschützenmusikzugs Hassum aus der Hand zu legen. „Ich hatte vor knapp zwei Jahren das Gefühl, dem Orchester nun alles vermittelt zu haben und dass es Zeit für eine Veränderung wird“, erklärt er seine Entscheidung. Und fährt fort: „Wenn man einen professionellen Anspruch an sich selber hat, geht es darum, das Orchester immer weiter zu entwickeln – aber das geht nicht, wenn man 30 Jahre bleibt. Ich muss mir Gedanken machen, wie es für das Orchester weitergeht.“

Mit dieser Prämisse im Blick sollte es ein Abschied auf Augenhöhe und geprägt von Offenheit sein. Das hat bestens funktioniert: Am vergangenen Montag wurde Sebastian Sürgers offiziell verabschiedet und am Sonntag, 29. August, wird es noch einmal ein Platzkonzert mit einem Querschnitt aus seinen 13 Jahren als Dirigent geben.
Als der gebürtige Kevelaerer Sürgers – nach dem Wehrdienst bei der Militärmusik in Düsseldorf – seine weitere musikalische Ausbildung mit Besuch einer Berufsfachschule in Bayern und dem Studium an der Essener Folkwang-Hochschule absolvierte, kristallisierte sich schnell heraus, dass er im Laienbereich arbeiten wollte. „Der Grat zwischen Laie und Profi ist ein ganz, ganz ­schmaler“, das hat er im Laufe der Jahre immer wieder beobachtet, „für mich gibt es beruflich keine Alternative.“

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Seit 2008 hat Sürgers das Blas­orchester geleitet: „Ich bin auf ein gut ausgebildetes Orches­ter getroffen“, erinnert er sich an die Anfänge. Dass man auf der menschlichen Ebene mitein­ander gewachsen sei, sich nicht nur musikalisch gemeinsam entwickelt habe, das ist für ihn die Quintessenz seiner Dirigenten-Tätigkeit in Hassum. „Das Niveau wurde immer größer und gipfelte schließlich 2017 im Serenadenkonzert ,Die Völkerschlacht bei Leipzig‘“, erinnert sich Sürgers an das gemeinsame Projekt mit dem Musikverein Pont, den er ebenfalls dirgiert. In Erinnerung an so manch zähe Probe seiner Jugendzeit hat er damals den Zeitraum bewusst kurz gehalten: „Ende Februar gab es die Noten, Ende April wurde das erste Konzert gegegeben. Da wurde Höchststufen-Literatur gespielt!“

Sebastian Sürgers freut sich auf den 29. August. Das Konzert findet auf dem Dorfplatz Hassum statt, der Eintritt ist frei. Einlass ist ab 15.30 Uhr, das Jugendorchester spielt ab 16 Uhr. Das Konzert beginnt um 17 Uhr. Aktuelle Hinweise zu den Corona-Bedingungen gibt es unter www.musikzug-hassum.de NN-Foto: CDS

So ist es ihm um die Zukunft des Hassumer Orches­ters auch nicht bange. „Es ist das einzige Orches­ter im Gocher Land, das richtig gut aufgestellt ist“, betont Sürgers. Grund dafür sei zum einen die engagierte Jugendarbeit – 2009 wurde zur Nachwuchsförderung das Bläserklassenprojekt mit der Liebfrauengrundschule Goch ins Leben gerufen – und die „Schnuppertage“, bei denen Kinder an die verschiedenen Ins­trumente herangeführt werden und erste Musik-Schritte machen können. Zum anderen sei es die Fähigkeit, sich auf Veränderungen einzustellen. Die war im Coronajahr 2020 besonders gefragt. „Wir haben wirklich jede Möglichkeit genutzt, um zu spielen“, erzählt Sürgers, „anstelle des Pfarrfestes gab es eben ein halbstündiges Platzkonzert, das sehr gut angekommen ist.“ Über die sozialen Medien wurde der Kontakt zu den Orchester-Mitgliedern gehalten. „Ich habe einen irischen Weihnachts-Choral verschickt und einen Wettbwerb gestartet: Es sollte ein Video dazu gedreht werden“, berichtet Sürgers, „alle haben mitgemacht.“ Die Motivation aufrecht erhalten und das Orchester durch die schwierigste Zeit bringen, das war sein Anliegen.

Im Rückblick auf die vielen Konzerte und Veranstaltungen der vergangenen 13 Jahre ist sich Sürgers sicher: „Das Interesse an Blasmusik ist da.“ Und die sei eben nicht nur etwas für ältere Leute: „Ein Blasorchester kann alles spielen, man darf niemals eine Stilrichtung ausschließen“, betont Sürgers, der diesen Musikbereich am Niederrhein ansons­ten in der „Dias­pora“ sieht. „Das Schützenwesen entwickelt sich in den letzten Jahren dramatisch in den Keller, das wird ein Problem. Das sieht im Münsterland ganz anders aus.“ Sürgers hat den direkten Vergleich, er dirigiert auch das Blasorchester des Musikvereins Stadtlohn.
Die vakante Dirigentenstelle in Hassum wird nun national ausgeschrieben. Bis ein Nachfolger für Sürgers gefunden ist, leitet Elisabeth Neuy die Proben. Sie leitet das Jugendorches­ter im Bundeschützenmusikkzug. „Man darf sich als Dirigent nicht unverzichtbar fühlen“, fasst Sürgers zusammen, der sich nun noch auf den gemeinsamen Abschluss am 29. August freut.

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