REES. Dieter Roos ist sechs Jahre alt, als er in der Nacht zum 27. Dezember 1949 durch laute Rufe wach wird. Später erfährt er: Es sind die Hilfeschreie von 16 jungen Menschen, die im Rhein bei Rees zu ertrinken drohen. Für zehn kommt jede Hilfe zu spät, die 16- bis 24-Jährigen verlieren ihr Leben. An das folgenreichste Bootsunglück bei Rees in der Stadtgeschichte erinnert künftig eine Gedenktafel, die der Geschichtsverein Ressa in Kooperation mit der Stadt an der Rheinpromenade installiert hat.
Die Initiative dazu ging von Dieter Roos selbst aus, der sich an den 2. Vorsitzenden von Ressa, Klaus Kuhlen, wandte. Dieser ist selbst Zeitzeuge, bekam von dem Bootsunglück bei Rees zwar nichts mit, kann sich jedoch „noch gut an die bedrückende Stimmung am nächsten Tag erinnern“.
Bootsunglück bei Rees rund 30 Minuten nach Mitternacht
Der tragische Vorfall ereignet sich rund eine halbe Stunde nach Mitternacht. Im Ausflugslokal auf der Reeserschanz auf der linken Rheinseite findet eine Tanzveranstaltung statt. Eine 16-köpfige Gruppe will mit einem nur 4,80 Meter langen und 1,40 Meter breiten Holzboot nach Rees übersetzen. Durch starken Wind und hohen Wellengang nimmt der „altersschwache Kahn“, wie ihn Kuhlen beschreibt, der völlig überlastet und nur schwer steuerbar ist, schnell Wasser auf.
In der Mitte des Rheins, auf Höhe des Rheinhotels Disch, sinkt der Kahn schließlich. Fährmann Gerhard Hürkens und seine beiden Söhne, von einem Polizisten alarmiert, können mit ihrem Fährboot zwei Personen retten, vier weitere schaffen es, sich ans Reeser Ufer zu retten. Von den zehn verbleibenden Teilnehmern der Überfahrt fehlt jede Spur, auch die Wasserschutzpolizei, die mit zwei Booten anrückt, kann sie nicht finden.
Überlebender sprach nie über die Unglücksnacht
Einer der Überlebenden ist Helmut „Mutje“ Diederichs, der ans Ufer schwimmen konnte. Er lief sofort nach Hause, zog sich um und legte sich ins Bett. Erst als die Polizei bei der Familie klingelte und seine Mutter über den mutmaßlichen Tod ihres Sohnes informierte, wurde sein Überleben bekannt. „Er hat nie über die Nacht gesprochen“, sagt seine 90-jährige Witwe Cäcilie Diederichs bei der Einweihung der Gedenktafel. Diese ist laut Heinz Wellmann, Vorsitzender von Ressa, „ein Puzzleteilchen“ in der Historie der Stadt Rees, das der Geschichtsverein nun in Erinnerung an das Bootsunglück bei Rees gelegt hat. Auf der Tafel, die am Geländer der Rheinpromenade in Höhe „Op de Poort“ angebracht ist, stehen neben einem Infotext auch die Namen und das Alter der zehn Verstorbenen.
Tafel als Mahnung und Warnung
Wellmann sieht sie aber auch als Mahnung und Warnung: „Laut der DLRG sind im vergangenen Jahr mehr als 400 Menschen bundesweit im Rhein ertrunken. Das zeigt, dass der Strom zwar schön, aber auch gefährlich ist.“ Für ihn, sagt Wellmann weiter, sei das Schild zudem ein Mahnmal an die Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind „auf dem Weg zu uns“.