Schlüsseldienst-Prozess: Geringere Haftstrafen für Angeklagte

Der Revisionsprozess im „Schlüsseldienst-Prozess“ endete mit milderen Urteilen

KLEVE/GELDERN Mit vermeintlichen ortsansässigen Telefonnummern, einer eingerichteten Rufumleitung zu einem Callcenter nach Geldern und Türöffnungen zu Wucherpreisen erwirtschafteten ein Gelderner und ein Weezer über einige Jahre bundesweit mehrere Millionen Euro. Sie betrieben bis Mitte 2016 die „Deutsche Schlüsseldienst-Zentrale“ (DSZ), ehe der Betrug aufflog und eine Razzia dem ganzen Geschehen ein Ende setzte.

Schlüsseldienst-Prozess
Der 60-jährige Gelderner (m., am ersten Prozesstag) wurde 2018 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er saß seit vier Jahren in Untersuchungshaft. NN-Foto: SP

Die beiden Angeklagten wurden bereits im Sommer 2018 im sogenannten „Schlüsseldienst-Prozess“ unter anderem wegen Steuerhinterziehung in 100 Fällen und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 404 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren beziehungsweise drei Jahren und neun Monaten verurteilt (die NN berichtete). Im Revisionsverfahren erhielten beide Angeklagten nun geringere Freiheitsstrafen.

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BGH: Gewerbsmäßiger Bandenbetrug

Vor einem Jahr hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Verfahren befasst, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten selbst Revision einlegten. Dieser entschied, dass die Berechnung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge im ursprünglichen Urteil an Berechnungsfehler leiden und dass die Angeklagten auch des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Tateinheit mit Wucher schuldig sind. Somit gab der BGH das Verfahren an eine andere Kammer des Klever Landgerichts zurück, das am vergangenen Donnerstag – etwa drei Jahre nach dem Start des ersten Verfahrens – ein weiteres Urteil sprach: Die Freiheitsstrafe des 60-jährigen Angeklagten wurde auf sechs Jahre reduziert; die des 41-jährigen Angeklagten auf drei Jahre.

Während die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer für den 41-Jährigen ebenfalls eine dreijährige Freiheitsstrafe ansetzte und dabei die erhebliche Aufklärungshilfe des Angeklagten berücksichtigte, hatte die Staatsanwaltschaft für den 60-Jährigen mit sieben Jahren und neun Monaten eine weitaus höhere Freiheitsstrafe gefordert. Die über mehrere Jahre hinweg begangenen Taten hätten von einer „hohen kriminellen Energie mit einem hohen Organisationsgrad“ gezeugt, wie Staatsanwalt Hendrik Timmer in seinem Plädoyer ausführte. „Es gab ein hohes Geflecht mit vielen Beteiligten und einem hohen Aufwand“, so Timmer weiter.

Die „DSZ“ habe dutzende Callcenter-Mitarbeiter und Monteure beschäftigt – letztere jedoch als Schein-Selbstständige, wodurch die beiden Angeklagten mehrere Millionen Euro am Fiskus vorbei geschleust hätten. Der 41-jährige Angeklagte sei zwar als Geschäftsführer der „Deutschen Schlüsseldienstzentrale“ eingetragen gewesen, das eigentliche Sagen hätte jedoch der 60-Jährige gehabt. Er habe schließlich das Wissen mitgebracht, ohne dem das Konstrukt niemals hätte aufgebaut werden können. Zur Verschleierung habe der 60-Jährige, der wegen selbiger Taten einschlägig vorbestraft ist und der die „DSZ“ aus einem offenen Vollzug heraus aufbaute, den 41-Jährigen als Geschäftsführer eintragen lassen. Dieser habe jedoch nicht als „Strohmann“ fungiert, sondern lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt, sagte Timmer.

Wenig Ermessensspielraum

Die 1. große Strafkammer wies bei der Urteilsverkündung daraufhin, dass sie aufgrund der vorherigen Urteile wenig Ermessensspielraum habe. Die Freiheitsstrafen wurden lediglich um wenige Monate gekürzt. Grund zur Freude hatte der 60-Jährige dennoch: Nach vier Jahren und fünf Monaten Untersuchungshaft darf er unter strengen Auflagen und nach Zahlung einer Kaution in Höhe von 20.000 Euro die Justizvollzugsanstalt vorerst verlassen.
Gegen die Urteile kann noch Revision eingelegt werden.

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