„Schlüsseldienst-Prozess“: Haftstrafen gegen Angeklagte

Der 39-jährige und der 58-jährige Gelderner wollen gegen das Urteil allerdings Revision einlegen

KLEVE/GELDERN. Der Mammut-Prozess vor dem Klever Landgericht ist zu Ende gegangen. Die Justiz wird sich mit der „Deutschen Schlüsseldienstzentrale” (DSZ) aber wohl noch länger beschäftigen müssen. Am vergangenen Dienstag wurden die zwei Betreiber der DSZ schuldig gesprochen, Steuern hinterzogen und Sozialabgaben vorenthalten zu haben.

Der 39-jährige Angeklagte (l.) und der 58-jährige Angeklagte (2.v.r.) vor der Urteilsverkündung. NN-Foto: SP

Außerdem sah das Gericht den Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs als erwiesen an. Die Wirtschaftsstrafkammer verurteilte den 58-jährigen deshalb zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren und den 39-jährigen Beschuldigten zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Die Rechtsanwälte beider Angeklagten haben jedoch schon angekündigt, in Revision gehen zu wollen. In diesem Falle setzt sich der Bundesgerichtshof mit Sitz in Karlsruhe wohl noch weiter mit der „Deutschen Schlüsseldienstzentrale” auseinander.

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Wie schon der Prozessauftakt im Januar, stand auch das Verfahrensende unter einem erhöhten Medienaufkommen. Die Betreiber der „Deutschen Schlüsseldienstzentrale” agierten schließlich nicht nur im Umfeld ihres Firmensitzes in Geldern, sondern bundesweit. Dazu warb das Unternehmen im Internet und in Telefonbüchern mit Anzeigen, die den Anschein eines ortsansässigen Schlüsseldienstes erweckten. „Diese existierten jedoch nicht. Stattdessen wurden die Anrufe in die Telefonzentrale nach Geldern geleitet”, sagte der Vorsitzende Richter Christian Henkel in der Urteilsbegründung.

Über 1000 Fälle dieser Art hatte die Staatsanwaltschaft Kleve zur Anklage gebracht: Ahnungslose Bürger beauftragten per Telefonanruf einen vermeintlich ortsansässigen Schlüsseldienst, ihre Türe zu öffnen. Die Monteure, die meistens eine lange Anfahrt hatten, stellten später überzogene Preise für ihre Arbeit in Rechnung und führten teilweise sogar unnötige Arbeiten aus oder beschädigten absichtlich das Türschloss, nur um die Rechnung weiter in die Höhe zu treiben. Das sah das Gericht nach einer „intensiven Beweisaufnahme” als erwiesen an.

„Die Kunden waren zu diesem Zeitpunkt nach wie vor im Glauben, einen ortsansässigen Schlüsseldienst vor sich zu haben”, beantwortete Henkel die Frage, warum die meisten Kunden die Rechnungen trotz allem bezahlten: „Es gab zudem Fälle, in denen Monteure die Kunden massiv bedrängt haben, wenn sie nicht zahlen wollten.”

Der nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ebenfalls erfüllte Straftatbestand „Wucher”, der dann erfüllt ist, wenn etwa eine Zwangslage ausgebeutet wird, konnte das Klever Landgericht den Angeklagten jedoch nicht zu Lasten legen. Laut Henkel fehle dafür der Nachweis eines Vorsatzes bei rund der Hälfte aller Fälle, weshalb dies nicht zu einer Verurteilung führen könne.

Sicher war sich das Gericht allerdings in dem Punkt, dass etliche Monteure schein-selbstständig waren, für die die DSZ die vollumfängliche Umsatzsteuer und sonstige Abgaben hätte leisten müssen. „Sie haben ein Gesamtvolumen von 66 Millionen erwirtschaftet, aber bei ihrer Umsatzsteuererklärung nur 36 Millionen Euro angegeben”, sagte Henkel und fügte hinzu: „Sie wollten Steuern verkürzen.” Insgesamt sei so unter anderem ein Steuer-Schaden von zirka 5,6 Millionen Euro entstanden.

Zur Rollenverteilung der beiden Angeklagten sagte Richter Christian Henkel, dass der 58-Jährige der Chef des ganzen Konstruktes gewesen sei. „Sie haben die Unternehmenspolitik und die Unternehmensstruktur bestimmt. Es lief alles über Sie. Sie hatten das letzte Wort”, sagte Henkel zum Beschuldigten, der zuletzt 2004 wegen desselben Delikts verurteilt wurde. „Sie sind nicht nur einschlägig, sondern einschlägigst vorbestraft. Sie besitzen unternehmerisch in hohem Ausmaß kriminelle Energie”, führte Henkel weiter fort.

Der 39-jährige Beschuldigte sei hingegen nur ein „Handlanger” gewesen, der vornehmlich lediglich auf dem Papier als Geschäftsführer eingetragen gewesen sei. Dies sowie die einschlägige Vorstrafe des 58-Jährigen erkläre auch das unterschiedliche Strafmaß.

Während der 58-jährige Gelderner weiterhin in Untersuchungshaft bleibt, durfte der 39-Jährige die Klever Schwanenburg ohne Handschellen eigenständig verlassen. Sein Haftbefehl wurde aufgrund der langen Untersuchungshaft und in Anbetracht der Strafe gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

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