Pfarrerin Rahel Schaller, Heinz van de Linde und Ruth Warrener (vl) laden herzlich zum Gedenken und zur Lesung ein.NN-Foto: CDS

GOCH. Die Euthanasie, die Ermordung von psychisch kranken und behinderten Menschen ist ein weiteres dunkles Kapitel des Nationalsozialismus. Die Lebensgeschichte eines Gocher Opfers hat die Stolperstein-Initiative nun aufgegriffen und lädt am Mittwoch, 6. November, zu einer Lesung ins Kastell ein: „Hubert Kleintjes – In den Fängen der NS-Psychiatrie“.

Zuvor gibt es um 17 Uhr ein Gedenken am Stolperstein für Hubert Kleintjes, an der Hubertusstraße 18. Um 17.30 Uhr wird am Stolperstein Hinterm Engel 20 seines ebenfalls ermordeten Cousins Anton Kleintjes gedacht. Beide Zeremonien haben Oberstufenschüler der Gesamtschule Mittelkreis mit ihrer Lehrerin Julia Laqueur vorbereitet. Zu diesem Gedenken ist jeder Interessierte herzlich eingeladen. Die Ankunft im Kastell ist für 18.15 Uhr vorgesehen. Wer beim Gedenken nicht dabei sein kann, kann auch direkt ins Kastell kommen.

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Hubert Kleintjes, der 1907 geboren wurde, galt im Gegensatz zu seinen Geschwistern als „dumm und faul“ – so die Aussage seiner Eltern, die sich in den Akten wiederfindet. Er war Hilfsarbeiter bei den Margarinewerken und wurde nach einem Wutanfall entlassen. Kleintjes schlug sich dann mit Gelegenheitsarbeiten durch und wohnte weiterhin bei seinen Eltern. Die Situation war angespannt und eskalierte, als er seine Eltern bedrohte. „Er wurde von seinem Vater und der Polizei in die Psychiatrie eingewiesen“, berichtet Ruth Warrener von der Stolperstein-Initiative, „das war am 24. Mai 1934.“

Warrener wurde 2014 von Elvira Bublitz, einer Verwandten von Hubert Kleintjes, gebeten, sein weiteres Schicksal zu recherchieren. „Sie hat Kontakt zu mir aufgenommen und mir den Einblick in die Krankenakten ermöglicht“, erzählt Warrener. Elvira Bublitz hatte seinerzeit auch die Stolperstein-Verlegung für Hubert und Anton Kleintjes angeregt, die Anfang Dezember 2014 stattfand. Mit der Einweisung von Hubert Kleintjes in die „Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau“ setzte sich eine unerbittliche Maschinerie in Gang. Denn im Januar 1934 war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft getreten. Und sein Cousin Anton Kleintjes war mit der Diagnose „Schizophrenie“ ebenfalls in Bedburg-Hau untergebracht.

„Also wurde bei Hubert Kleintjes genauer hingeschaut“, berichtet Ruth Warrener. Ihm drohte die Zwangssterilisation. Hubert Kleintjes wehrte sich dagegen; das Erbgesundheitsgericht in Kleve prüfte den Fall und kam zu dem Schluss, dass keine Veranlassung für diesen Eingriff vorlag. Doch das Erbgesundheits­obergericht in Düsseldorf, das der Leiter der Anstalt angerufen hatte, hob diese Entscheidung auf. Kleintjes wurde am 9. August 1935 zwangssterilisiert. Trotzdem durfte Kleintjes die Psychiatrie nicht mehr verlassen. Vielleicht habe sein Verhalten den Ausschlag gegeben, so Ruth Warrener: „Er hatte sich massiv gewehrt, ich bewundere seine Hartnäckigkeit.“ Schließlich wurde Hubert Kleintjes im März 1940 in die Landespflegeanstalt Brandenburg verlegt und dort ermordet, ebenso wie sein Cousin Anton. Vielleicht, so erklärt Ruth Warrener die Idee der lesung, berühre das Schicksal eines einzelnen Menschen eher und mache den Schrecken greifbarer.

Die Lesung, die um 19 Uhr im Kastell beginnt, verknüpft Original-Zitate aus der Krankenakte von Hubert Kleintjes mit anderen Dokumenten, zum Beispiel Gerichtsurteilen. Die Texte hat Ruth Warrener zusammengestellt, die eine Einführung zur Lesung gibt. Es lesen Heinz van de Linde, Holger Zenker und Petra Brischke. Zum Schluss spricht auch noch Elvira Bublitz. Chris­toph Krott wird das Ganze musikalisch begleiten. Im Anschluss gibt es noch die Möglichkeit zum Gespräch.

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