GELDERLAND. Den Weg in die berufliche Zukunft zu finden, ist für Jugendliche besonders dann schwierig, wenn sie mit persönlichen Problemen oder Umständen umgehen müssen, die ganz unterschiedlich sein können. Abhilfe soll ab Donnerstag, 1. Februar, die neue Jugendberufsagentur schaffen. Bei ihr handelt es sich um ein gemeinsames Angebot der Agentur für Arbeit, des Jobcenters für Jugendliche und des Bereichs Jugend und Familie der Stadt Geldern unter zusätzlicher Beteiligung des Kreises Kleve.

Als im Sommer letzten Jahres die ersten Sondierungsgespräche stattfanden, war die Idee einer Jugendberufsagentur noch eine reine Gelderner Angelegenheit. Aber der Status als Schulstadt sorgte für ein Umdenken: „Wir haben auch viele einpendelnde Schüler aus den umliegenden Kommunen“, erklärt Markus Grönheim, Beigeordneter für den Bereich Jugend, Familie, Arbeit, Soziales und Integration.

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Kooperation ausbauen

Schnell stand fest, dass das Jugendamt Geldern die Sache allein nicht stemmen kann. Also wandte man sich in dieser Angelegenheit in Richtung Norden an den Kreis Kleve. Und weil die Agentur für Arbeit auch den Südkreis Kleve abdeckt, ging man mit der Idee auch auf sie zu – mit Erfolg.

Ab morgen schon wollen die beteiligten Partner als Netzwerk ihre Kompetenzen verstärkt bündeln, um so das bereits vorhandene Netz der Kooperation noch engmaschiger zu stricken und die Jugendlichen und jungen Erwachsenen dadurch bestmöglich mit ihren verschiedenen Problemen und in ihren unterschiedlichen Umständen aufzufangen. „Das Ziel ist, dass wir die Jugendlichen da abholen, wo sie gerade sind“, sagt Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser. Auch, wenn das außerhalb des Systems sei, ergänzt Andrea Schwan, Fachbereichsleiterin des Kreises Kleve für Jugend, Familie, Arbeit, Soziales und Integration.
Die ohnehin bereits vorhandene und vorgeschriebene Zusammenarbeit soll durch den nun unterschriebenen Kooperationsvertrag „systematisiert, ausgebaut und in Form gebracht werden“, erläutert Markus Grönheim.

An einem Tisch

Ein konkretes Beispiel dafür sind Fallkonferenzen, zu denen man zusammenkommen möchte. „Die können sich aus verschiedenen Anlässen ergeben.“ Zum Beispiel im Zusammenspiel mit der Aktion „Kein Abschluss ohne Anschluss“, wenn Schüler nach der Schule noch keine Perspektive haben. „Das sind Dinge, wo die Jugendberufsagentur mit ihren verschiedenen Professionen und Möglichkeiten als Partner zur Verfügung stünde.“ Es sei ein großer Vorteil, wenn alle Professionen mit ihren Teillösungen an einem Tisch zu einer Gesamtlösung beitragen könnten.

Problemfelder könne es jedoch viele geben, sagt Grönheim. Während manche Jugendliche in der Betreuung ihrer jüngeren Geschwister eingebunden seien, was möglicherweise einen weiterführenden Schulabschluss verhindere, könnten in anderen Fällen die Eltern nicht mehr so unterstützen, wie es auf der weiterführenden Schule notwendig wäre. „Das sind Themenfelder, wo zum Beispiel die Jugendhilfe aktiv einsteigen kann.“
Befinde man sich hingegen in einer Pflegefamilie oder einem Heim, ende die Jugendhilfe in der Regel mit 18 Jahren. „Dann muss man Übergänge gestalten. Und je früher man damit anfängt – vor allem unter Einbeziehung verschiedener Partnerschaften – desto sinnvoller ist es“, sagt Grönheim.

Übergänge erkennen

Andrea Schwan betont ebenjene Übergänge. „Wir müssen immer schauen, wo die Jugendlichen derzeit stehen.“ Dabei sei es egal, ob man sich bei der Jugendhilfe, im Jobcenter oder bei der Agentur befinde. „Wir wollen, dass wenn eine von diesen Fachkräften einen Bedarf erkennt, sie über das Netzwerk die anderen Kooperationspartner einschalten kann.“ Über die Fallkonferenzen könne man dann gemeinschaftlich abstimmen, welche Hilfen von welcher Seite notwendig seien und bewilligt werden könnten – unter Umständen auch mehrere auf einmal. „Das Ganze wollen wir mit einem Steuerungs- und Koordinierungskreis begleiten“, führt sie fort. Hierüber möchte man Erfahrungen austauschen, um festzustellen, wo zum Beispiel Maßnahmen noch besser abgestimmt werden müssen. „Damit sich das Ganze auch weiterentwickelt“, begründet Schwan.

Work in Progress

Auf die derzeitigen Partner soll die Agentur ebenfalls nicht beschränkt bleiben: Die Vereinbarung sieht nämlich vor, sie zum Beispiel durch Kompetenzen von Trägern der Wohlfahrtsverbände, Sprachkurs-Trägern, Jugendmigrationsdiensten sowie Jugendhilfeträgern zu ergänzen. Auf diese Weise wolle man Jugendlichen sowohl Wege als auch Hemmnisse ersparen, sagt Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Wesel. „Gleichzeitig lernen auch wir uns besser kennen, also was jeder fördern und unterstützen kann.“

Potenzial erkennt sie auch mit Blick auf Veranstaltungen. Zum Beispiel, um zudem die Eltern der Jugendlichen zu erreichen. Ein anderes Beispiel: Migration. „Es gibt Menschen, die unser duales System nicht kennen und noch nicht wissen, welche Möglichkeiten man hier hat.“

Zweite Agentur im Kreis

Tatsächlich ist die Jugendberufsagentur Geldern nicht die erste ihrer Art im Kreis Kleve. Jene ist bereits am 1. Januar in Kevelaer an den Start gegangen. Als praktisches Beispiel dient zudem Kamp-Lintfort. Barbara Ossyra erklärt dazu: „Keine Berufsagentur läuft nach Schema F, sondern entwickelt über das Tun mit den Partnern ein Eigenleben.“ Man müsse auch in jeder Region individuell schauen, wo man die Jugendlichen überall antreffe.

Wenn es um die Individualität der Gelderner Jugendberufsagentur geht, betont Markus Grönheim eine Besonderheit der Stadt: „Wir haben flächendeckend an allen Schulen Schulsozialarbeiter, die seitens der Stadt finanziert sind.“ Das spiele in die Möglichkeiten einer Jugendberufsagentur hinein, denn ein Sozialarbeiter werde nicht nur von Schulverweigerungen oder Ausstiegen erfahren, sondern könne sich sogar als Begleiter anbieten, um Probleme zu minimieren.

Barbara Ossyra ist sich jedenfalls sicher: „Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir alle noch besser zusammenarbeiten.“

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