Steve oder: The proof of the pudding.

KLEVE. Steve Chadwick ist 47. Er hat Musik studiert und wohnt seit ein paar Wochen mit seiner Familie in Kleve. Vorher haben sie in Schweden – auf der Insel Gotland – gewohnt.
Chadwick, denkt man, ist nicht wirklich ein urtypisch schwedischer Familienname. Steve nickt – „Ich bin Engländer“, sagt er und sein Akzent kann als Beweis herhalten. Wenn Steve Deutsch spricht, legt sichdieses knuffigenglische Flair auf die Worte. Könnte eine kompliziertspannende Geschichte werden, denkt man: Und so ist es auch.

She’s the clever one

Steve kommt aus Nordwest England. Musik studiert hat er in Manchester, wo er seine Frau Marei kennenlernte. Die ist Berlinerin. Na bitte, denkt man: pretty international. Steves Frau ist Wissenschaftlerin: Conservation scientist. „She‘s the clever one“, sagt Steve. Und er ist der Trompeter. Wenn er seine Musikergeschichten erzählt, wird es spannend und irgendwann kommt man mit all den Jahreszahlen, Touren und Ländern durcheinander. Steve und seine Frau gehen für ein halbes Jahr nach Washington DC. Das Heimweh ist stärker: Rückkehr nach England: London. Steve arbeitet mit einer experimentellen Theatertruppe: neun Monate, sechs Abende in der Woche steht er auf der Bühne. Dazu das, was er „kleine Projekte“ nennt: Studio-Jobs, Unterrichts-Jobs, eine Tour mit dem Folk-Sänger Sam Lee: Köln, Hamburg, Nimwegen. Arbeit mit dem französischen Theaterkollektiv „La machine“. Tourneen – man verliert ein bisschen die Übersicht. Japan ist in jedem Fall auch dabei …

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The Magic Hat

London – glückliche Jahre. Längst besteht die Familie aus vier Köpfen: Vater, Mutter, zwei Söhne – Marei, Steve, Arno und Elmar. Spurensuche. Fundstücke im Internet: „The Magic Hat“ – eine Jazzformation mit Gitarre, Bass, Klavier, Schlagzeug und … Trompete. Youtube weiß Bescheid. Im Angebot: „The Macic Hat Ensemble“ auf Vinyl: „Made in Gorton“. Jazz pur. „London war fantastisch. Fünf Minuten zum nächsten Jazz-Club.“ Die Weltstadt hat Nebenwirkungen: Das Leben ist teuer. Trotzdem werden es acht Londoner Jahre.

Umzug nach Gotland

Dann: Schweden. Steves Frau hat ein Job-Angebot und nimmt es an: Umzug nach Gotland. Was jetzt folgt, ist irgendwie das Gegenteil von London: Steve und die Familie leben auf dem Land. Großes Haus. Zwei Hektar Land. Und vor dem Haus: Eine der schönsten Eichen auf der Insel. Es folgen: acht Jahre Schweden. Steve lernt die Sprache. „Abends, wenn du in den Pub gehst und mit den Leuten sprichst, weißt du schnell, ob du es drauf hast“, sagt er. Sein Deutsch jedenfalls ist mehr als nur in Ordnung. Nur in seltensten Fällen rutscht eine englische Vokabel ins Gespräch.

Puddingprobe

In Schweden beginnt er, Solo-Projekte zu planen. Eines davon: „Half man, half trompet“. Ein anderes: „Proof of the pudding“. Zwei Lesarten: „Wenn du Pudding prüfen willst, muss du ihn essen“, sagt Steve, „aber Pudding bedeutet auch so etwas wie Idiot.“ Aha. Das Publikum also ist zur Puddingprobe eingeladen. In Steve wächst der Gedanke, nicht einfach nur ein Jazzer zu sein: Es entsteht ein Künstlerbewusstsein. „Versteh mich nicht falsch. Es ist ja nicht so, dass Jazzmusiker keine Künstler sind, aber für mich war es jetzt wichtig, auch alleine etwas zu schaffen. Ich habe gemerkt, dass mir das viel bedeutet.“ Synchronität von Herz und Hirn. Performances: Half man, half trompet. Viele Töne, aber auch viel Technik. Viel Improvisation. Es geht um Gleichgewichte. Merke: Es muss auch in Stille enden können. Ein Finale braucht nicht immer den Bigbang-Abschluss.

Wageningen

Dann entschließt sich Steves Frau – einen Doktortitel hat sie längst – noch einmal zu studieren: Enviromental sciences. In Wageningen. Niederlande also. Wohnort Kleve. „Unsere Jungs sprechen schon Deutsch und Kleve liegt nicht weit von Wageningen“, sagt Steve. „Wir wollten nicht, dass die in ein komplett neues Umfeld kommen und dann noch eine neue Sprache lernen müssen. Die Familie findet eine Wohnung, wo Steve üben kann. Jetzt sucht er Anschluss. „Es dauert ja, bis man an einem neuen Ort herausfinden wie die Dinge laufen – wo es eine Musikszene gibt.“

Made in Kleve

Und wovon lebt man? Steve schreibt Musiken für eine US-Law-Firm, die mit Videos Gesetze erklärt. Jazz-Sessions in Arnheim. Zwischendrin ist er in Schweden – Schulprojekte: Trompetenbau mit Kindern. „Ich schicke dir Musik“, sagt Steve. Gerade plant er ein neues Projekt. Im Zentrum: Ein Musiker, Steve, umgeben von vier Verstärkern in größerem Abstand. Er spielt, aber was zu hören ist, verändert sich. „Du kennst das: jemand sagt etwas, dann wird es über andere weitergetragen und am Ende kann es passieren, dass etwas ganz anderes herauskommt.“ Stille Post, denke ich. Im Hintergrund: Musik vom „Magic Hat Ensemble“: Made in Gorton. Demnächst dann: Steve Chadwick – Made in Kleve.

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