GOCH. 50.000 Menschen seien am 25. Mai 1986 bei der Einweihung des Gocher Geschichtsbrunnens am Steintor dabei gewesen, erinnert sich der Künstler Udo Sander, der den Brunnen seinerzeit geschaffen hat. Stifter war der Heimat- und Verkehrsverein Goch; gefeiert wurde damals das erste Mai- und Brunnenfest in der Weberstadt, bis heute eine feste Größe im Veranstaltungskalender.

Nach 35 Jahren musste der Brunnen nun dringend generalüberholt werden. Durch Mikrorisse drang Wasser ins Innere ein und drohte den Brunnen zu beschädigen; der ehemals helle Sandstein war verschmutzt. Dank des Sponsorings durch die Bürgerstiftung Niederrhein (Johann Klein Stiftung) und die Stadtwerke Goch konnten die notwendigen Arbeiten durchgeführt werden. Ein Steinmetz aus Kevelaer strich den Brunnen mit einem wasserabweisenden Silikonharz an und versieglte die Risse. Außerdem wurde der Stein per Sandstrahl gerei­nigt. Coronabedingt hatten sich die Restaurierungsarbeiten und die Übergabe des Brunnens an die Öffentlichkeit verzögert, beides hätte bereits 2020 stattfinden sollen.

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Das konnte nun nachgeholt werden. Bürgermeister Ulrich Knickrehm freute sich, den Brunnen in der vergangenen Woche wieder an die Gocher und die Besucher übergeben zu können; besonders, dass dies im Beisein von Udo Sander „meinem alten Kunstlehrer“, stattfinden konnte, so Knickrehm. Er würdigte den Einsatz der Sponsoren.
„Wir sind dem Heimatverein dankbar, dass er uns aufmerksam gemacht hat“, so Dr. Stephan Mann, Fachbereichsleiter Kultur und Integration. Die Restaurierung werde nun einige Jahre überdauern: „Wasser zehrt eben auch am Stein; es ist ein lebendes Objekt.“ Angemahnt habe der Steinmetz die „jährliche leichte Überarbeitung“, wie Adolf Schreiber, Sprecher des Vorstandes der Bürgerstiftung Niederrhein weiter berichtete. „Wasser ist ein Thema, das uns sehr nahe liegt“, betonte Sandra Denissen, Prokuristin der Stadtwerke Goch, „das haben wir gerne unterstützt.“

Formgebung

Bei der Gestaltung des Geschichtsbrunnens hat Udo Sander geschichtliche und zukunftsweisende Elemente benutzt. Im Sockel weisen archaische und klassische Formenelemente auf die geschichtliche Frühzeit im Gocher Siedlungsraum hin; in der Schale sammelt sich das Wasser aus der Figurensäule – ein Sinnbild für Quelle, Kreislauf und Leben. Das an drei Stellen herausrieselnde Wasser symbolisiert die Niersarme mit dem Stadtgraben, die Wiege der mittelalterlichen Stadt Goch. Die Frösche stehen für Landschaft und Heimat. Die Gitter erinnern an die vielfältigen Machtwechsel der Geschichte: „Das Steintor war ja auch ein Gefängnis“, so Udo Sander. Für erlittene Plagen, Seuchen und Krankheiten stehen die Ratten. An die vielen gebildeten Frauen, die als Nonnen im Zisterzienserinnen-Kloster Graefenthal lebten, erinnert ein Frauenkopf. „Im Museum Goch existiert in der Sammlung ein Abguss vom Original aus dem Kloster“, erklärte Udo Sander beim Ortstermin. Im dortigen Kreuzgang gebe es eine identische Abbildung.

Nun strahlt der Brunnen wieder hell. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Die Stoffbahn lässt sich zweifach deuten: Entweder als Schleier oder als Hinweis auf die Bedeutung von Goch als Zentrum der Weberei und des Tuchhandels im Mittelalter. Ein Sinnbild für Bürgerfleiß und Bürgerstolz sind die Treppengiebel. Am oberen Ende der Säule findet sich eine Spiralform. Sie ist ein altes Symbol für Leben; zusammen mit dem liegenden Rad kann sie auch als Sinnbild für das Autobahnnetz, die neuzeitliche Lebensader, an die Goch angeschlossen ist, gesehen werden. Und sie ist gleichzeitig ein Symbol für die Zukunft der Stadt.

Zukunft ist zudem ein Stichwort für die künftige Entwicklung des Bereichs rund um das Steintor und damit auch die Frage, was dann mit dem Geschichtsbrunnen passiert. „Es gibt einen Antrag des Heimat- und Verkehrsvereins, diesen Bereich neu zu gestalten“, erläuterte Bürgermeister Knickrehm, „damit soll die Gleichwertigkeit bei der Benutzung der Fläche durch Autos, Fußgänger und Radfahrer erreicht werden.“ Da sei auch die Frage zu diskutieren, ob der Brunnen verlegt werden müsse. „Aber das ist jetzt kein Thema“, betonte Ulrich Knickrehm.

Großes Foto: Sie freuen sich, dass das Wasser im Gocher Geschichtsbrunnen wieder fließt (vl): Willi Vaegs (stellvertretender Vorstandsvorsitzender Bürgerstiftung Niederrhein – Johann Klein Stiftung), Dr. Stephan Mann (Fachbereichsleiter Kultur und Integration), Adolf Schreiber (Sprecher Vorstand Bürgerstiftung Niederrhein – Johann Klein Stiftung), Bürgermeis­ter Ulrich Knickrehm, Sandra Denissen (Prokuristin Stadtwerke Goch) und Udo Sander (Akademischer Künstler und Bildhauer). NN-Foto: Rüdiger Dehnen

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