GELDERN. Bereits im April lief das Kunstprojekt „Corona-Tränen“ der Stadt Geldern und des Künstlers Klaus Boegel an. Bürger konnten ihre Erfahrungen, Hoffnungen oder Ängste im Rahmen der Pandemie in Briefform einschicken. 50 Stück wurden anschließend in mundgeblasene Glas-Tränen verschlossen und hängen nun im Innenhof der Stadtverwaltung an einem Baum. Um die Geschichten hinter den jetzt versiegelten Briefen auf besonderer Art am Leben zu halten, wurde nun zum Abschluss eine Auswahl von rund 20 Briefen eingesprochen und in einer Audiodatei zusammengefügt.

Für die richtige Authentizität geschah dies im Jugendzentrum „check point“ mithilfe der Bevölkerung. Aber auch Boegel selbst las etwas ein. Es sind „berührende“ Geschichten, wie er sagt. Aufgrund der sensiblen und persönlichen Hintergründe ist es für ihn ein „sehr intensives Projekt. Ich bin froh, dass die Menschen bereit waren, sie belastende Gefühle aufzuschreiben. Mir ist bewusst, dass das keine einfache Aufgabe ist.“

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Boegel betont daher besonders die Gemeinschaftsarbeit hinter dem Projekt und hofft, dass es geholfen habe, die Emotionen etwas aufzuarbeiten und zu zeigen, dass niemand allein sei. Schließlich ließen sich Krisen vor allem gemeinsam bewältigen.

Aus allen Bevölkerungsschichten steuerten Menschen ihre Erfahrungen bei und erzählten von ihren Sorgen. Zum Beispiel Jugendliche, die sich um eine wichtige Phase ihres Lebens betrogen fühlen. Aber auch kleine Kinder von sechs Jahren oder alte Menschen schrieben, zudem Mütter, Berufstätige und Kranke. Aus der letztgenannten Gruppe kam eine besonders tragische Geschichte: Ein sterbenskranker Mann wollte in der ihm verbleibenden Zeit noch einmal auf Reisen gehen, konnte es aber aufgrund der Situation nicht. So zeigt sich in den Briefen, wie die Pandemie jeden auf spezifische Art trifft.

Eine Gedenkstätte

Rainer Niersmann vom Kulturbüro der Stadt zeigt sich vom Ergebnis begeistert. „Es sieht zum einen schön aus, aber die Sorgen auf diese Art aufzuarbeiten ist eigentlich auch Geschichtsschreibung.“ Da die Pandemie alle treffe, könne sich zudem jeder mit dem Projekt und den Briefen identifizieren. Boegel ergänzt: „Es ist eine Gedenkstätte im Herzen der Stadt und ein Ort zum Innehalten.“ An dem Baum befänden sich die Tränen zudem an einem Ort des Lebens. „Er wächst, er blüht und er ist ein Teil der Natur, des großen Ganzen“, sagt Boegel.

Die Idee der „Corona-Tränen“ entstand aus einem anderen Projekt, an dem Boegel viele Jahre gearbeitet hat: mit „Kunstmedizin“ als eine Art der Therapie wollte er in einem Wohnwagen unterwegs sein, um sich die Geshichten und Probleme der Menschen anzuhören. Im Anschluss daran plante er, seinen Besuchern kleine Flaschen mit unterschiedlichen Kunstinhalten mit auf den Weg geben. Die Finanzierung stand, die Partner waren an Bord, aber Corona zwang ihn zu zweimaliger Verschiebung. Dann kam die Idee mit den Tränen. „Das passte“, sagt Boegel über die Situation. Ganz zu Ende ist das Projekt für ihn aber noch nicht. So haben zwei Klassen des Lise Meitner-Gymnasiums Interesse bekundet, das Gespräch über das Projekt mit ihm zu suchen. Auch deswegen ist das Projekt für ihn ein voller Erfolg. „In Kunst steckt immer eine Botschaft und es ist sehr befriedigend, wenn die Leute darauf regieren.“

Die Tränen bleiben vorerst auf unbestimmte Zeit am Baum hängen. Die eingelesenen Briefe können Interessierte unter www.youtube.com/watch?v=UprWQ_8Aig0 hören.

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