Das 11. Gebot

Pastor Jörg Monier hat den Zollstock dabei – eigentlich ein ungewöhnliches Requisit für einen Geistlichen, der gerade seine Kirche betritt.
„Ich hatte ja gedacht, dass es frühestens am 4. Mai neue Verlautbarungen in Sachen Corona geben würde.“ Was soll man sagen? Die Wege des Herrn sind unergründlich. In der Kirche in Nütterden stehen Pappkameraden – lauter Köpfe, auf denen die fotografierten Gesichter von Gemeindemitgliedern zu sehen sind. Jetzt wird Monier schon am Freitag wieder vor „wirklichen Menschen“ predigen. Trotzdem werden die Pappkameraden nicht ausrangiert. Aber davon später.

Das 11. Gebot

Ganz oben auf der Gottesdienst-Agenda: Abstand. Es ist quasi das 11. Gebot in Zeiten von Corona. „Mindestens 1,50 Abstand müssen zwischen den einzelnen Gottesdienstbesuchern eingehalten werden.“ Zu den Seiten und nach vorne und hinten. Da braucht es einen Zollstock. Grüne Karten hat Monier ebenfalls dabei. „Damit markieren wir die Plätze, wo die Teilnehmer des Gottesdienstes sitzen dürfen.“ Es stellt sich heraus, dass die Kirchenbänke in Nütterden geeignet sind, um jeweils zwei Menschen auf ihnen zu platzieren. Fast könnten es drei sein, aber: da fehlen ein paar Zentimeter. Der Pastor nimmt es genau und man kann es nachvollziehen. Somit wären die Seitenabstände geklärt. Was jetzt die Abstände nach vorn und hinten angeht, dürfen in jeder übernächsten Bank zwei Leute Platz nehmen. Moniers Hochrechnung ergibt: „Wir können somit gut 40 Menschen aufnehmen.“

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Wer zuerst kommt, muss nach vorne

Wer mehr oder weniger regelmäßig Gottesdienste besucht, weiß, dass die vorderen Bänke gern ungenutzt bleiben. Das ist in Zeiten von Corona notgedrungen anders. Jörg Monier: „Wer zuerst da ist, muss auch bis vorn durchgehen.“ Es soll ja keinen Begegnungsverkehr geben und eben der würde entstehen, wenn die Leute hinten zuerst Platz nehmen würden. „Alle Nachfolgenden müssten ja dann an denen vorbei“, sagt Monier. Nicht gut.
In Nütterden wird also am Freitag um 8.30 Uhr der erste Gottesdienst nach dem Shutdown stattfinden. „In Nütterden haben wir zudem am Wochenende zwei weitere Gottesdienste.“ Die werden Open-Air stattfinden. Wichtig dabei: Gottesdienstbesucher müssen ihre Sitzgelegenheit selber mitbringen. Und möglichst auch ein eigenes Gesangbuch. „Das ist eines der Probleme. Heutzutage haben längst nicht mehr alle, die zum Gottesdienst kommen, ein eigenes Gesangbuch. Aber ich habe meinen Leuten gesagt: So etwas gibt es beim Buchhändler eures Vertrauens“, sagt Monier und lächelt. Man sollte bei der Anschaffung zusätzlich darauf achten, dass es auch das Gesangbuch des eigenen Bistums ist.

Selbstbedienung

Wie sieht es mit der Kommunion aus? „Die werde ich austeilen. Mit Mundschutz. Vielleicht wird noch ein Kommunionhelfer assistieren.“ Kommunion, sagt Monier, sei etwas, das vom Überreichen lebe. Er hält nichts davon, eine Hostie auf ein Schälchen zu legen und damit quasi für Selbstbedienung zu sorgen. „Ich weiß, dass es Kollegen gibt, die das machen. Ich möchte das nicht.“ Apropos Selbstbedienung: Messdiener wird es (auf freiwilliger Basis) in den Gottesdiensten geben, aber eine ihrer Aufgaben (dem Priester zur Gabenbereitung Brot und Wein an den Altar zu bringen und dazu das Gefäß zum Händewaschen) wird entfallen.
Monier: „Da steht dann gleich neben mir ein Tisch, an dem ich mich selbst bedienen kann.“ Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen.

Kollekte am Ende

Eine Kollekte zur Gabenbereitung wird es ebenfalls nicht geben. Dafür können die Gottesdienstbesucher Geld in Körbchen legen, die in den jetzt ungenutzten Weihwasserbecken liegen. Wenn Monier die Kommunion austeilt, wird es übrigens Mundschutz tragen und die Hostien wortlos austeilen. So steht es in den Verordnungen. Und natürlich wird er sich, bevor er sich mit Mundschutz auf den Weg durch die Reihen macht, die Hände desinfizieren.

Open-Air

Die Gottesdienste in Mehr und Nütterden finden am Wochenende (siehe oben) Open-Air statt. In Frasselt wird die Samstagabendmesse in der Kirche stattfinden. Da muss Monier noch die Abstände ausmessen. Und was, wenn am Wochenende das Wetter nicht mitspielt? „Dann sollen die Menschen Regenschirme mitbringen“, sagt der Pastor.
Wird denn weiter gestreamt? „Wir sind angehalten, das nicht einzustellen, aber ich werde die Zahl der gestreamten Gottesdienste zurückfahren.“
Ach ja: Die Pappkameraden: Sie werden bleiben und die Plätze besetzen, auf denen die lebendigen (Abstand halten)Gottesdienstbesucher nicht sitzen dürfen … das 11. Gebot …

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