Corona und das Landgericht

Der Kreis Kleve hat den zweiten bestätigten Corona-Fall gemeldet (Stand Mittwoch, 11. März). Bei vielen Firmen und Betrieben wird an „Notfallplänen“ gearbeitet. Alexander Lembke ist Pressesprecher am Landgericht Kleve. Die NN sprachen mit ihm über Prozesse und Corona.
NN: Wahrscheinlich denkt man auch bei den Gerichten darüber nach, wie mit Corona und den Folgen umzugehen ist.
Lembke: Natürlich steht das auf unserer Agenda. Zunächst einmal ist natürlich zu sagen, dass wir alle Mitarbeiter über die hygienischen Vorsichtsmaßnahmen informiert haben. Dabei halten wir uns and die Empfehlung des Robert Koch Institutes.
NN: Also Niesen in die Armbeuge, Händewaschen, Abstand halten und so weiter.
Lembke: Ganz genau.
NN: Und darüber hinaus?
Lembke: Darüber hinaus führen wir natürlich einen behördenübergreifenden Dialog. Das heißt, wir sind im Gespräch mit Justizvollzugsanstalten, Zoll und den Polizeibehörden.
NN: Was sind die möglichen Szenarien?
Lembke: In den allermeisten Situationen geht es um fallbezogene Entscheidungen. Wenn also ein Richter zu einer Anhörung in eine JVA muss, in der bereits Quarantäne herrscht, dann ist darüber nachzudenken, ob der Richter in Schutzkleidung den Termin wahrnimmt oder es muss erwogen werden, Termine zu verschieben. Aber Sie merken schon, dass es schwierig ist, etwas Allgemeingültiges zu sagen.
NN: Nehmen wir an, ein Zeuge in einem Prozess ist mit Corona infiziert. Ist es denkbar, in einem solchen Fall eine Videovernehmung durchzuführen?

Land- und Amtsgericht haben ihren Hauptsitz in der Schwanenburg. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Lembke: Auch das lässt sich jetzt nicht allgemeingültig beantworten. Die Strafprozessordnung sieht natürlich das Mittel der Videovernehmung vor, aber auch da gilt: Der Einzelfall muss geprüft werden.
NN: Noch eine hypothetische Frage: Ist es denkbar – man hat das gerade im Zusammenhang mit dem “Sommermärchenprozess” in der Schweiz gehört –, dass die Öffentlichkeit von einem Prozess ausgeschlossen wird?
Lembke: Zuerst einmal ist natürlich die Öffentlichkeit bei einem Prozess ein hohes Gut, das nur in sehr engen Grenzen „ausgesetzt“ werden kann. Ich habe dazu mal im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachgeschlagen und unter Paragraph 172 folgendes gefunden: Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn 1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist, 1a. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist. Bei dem Punkt 1a geht es um die Gefährdung des Lebens und des Leibes. Da würde sich ein Spielraum für den eventuellen Ausschluss der Öffentlichkeit ergeben, aber noch einmal: Eine solche Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, die von der jeweiligen Kammer zu fällen wäre und allein die Tatsache, dass während der Verhandlung jemand hustet, wäre – für sich betrachtet – kein ausreichender Grund. Natürlich machen wir uns aber derzeit Gedanken, was im Fall einer auftretenden Epidemie zu tun ist.

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Das Landgericht Kleve im Internet

Audivisuelle Vernehmung

In der Strafprozessordnung findet sich unter Paragraph 247a eine Regelung zur „Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen: (1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.
Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. 4Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.
5§ 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. (2) 1Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. 2Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. 3Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

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