Tratsch im Treppenhaus

Komisch ist das schon: Morgens zitierst du Busch, Wilhelm Busch, und nachmittags stehst du in einem Treppenhaus – es geht um Mailart, und das Erste, was dir ins Auge fällt: ein Gedicht von Busch. Wilhelm Busch.
Der Reihe nach. Thomas Brokamp ist Lehrer. Er wohnt in Kleve in der Spyckstraße, Spyckstraße 29. Ein schönes altes Haus mit einem ebenso schönen alten Treppenhaus. Brokamp wohnt zur Miete: Parterre. Aber:

Man könnte ja …

Es gibt ein Leben über ihm. Zwei Etagen. Viel Treppenhaus also.
Da dachte sich der Mann aus dem Parterre: Man könnte ja vielleicht das Treppenhaus mal als Ausstellungsort nutzen. Also mal bei den Nachbarn nachgefragt. Kein Problem. So kam es, dass am Sonntag, 8. März, um 11 Uhr zur Vernissage ins Treppenhaus eingeladen wird. „Knoten & Co – Mail Art Illustrationen von Klaus Cordes“ heißt die Ausstellung, die – immer wieder sonntags zwischen 11 und 17 Uhr – bis zum 29. März zu sehen ist.

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Humor der feinen Sorte

Über 30 Exponate sind zu sehen. Immer geht es um ein Bild, einen Text und das mikroskopische Konterfei eines menschlichen Haares, das – ganz nebenbei bemerkt – auch das „Portrait“ eines Virus sein könnte.
Man muss viel Text in sich hineinarbeiten und vor allem über ein Gespür für den Humor der feinen Sorte verfügen. Blaupause für die Cordes-Gedichte ist ein Dreistropher von Wilhelm Busch:

„Als ich in Jugendtagen
Noch ohne Grübelei,
Da meint ich mit Behagen,
Mein Denken wäre frei.

Seitdem hab ich die Stirne
Oft auf die Hand gestützt
Und fand, dass im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.

Mein Stolz, der wurde kleiner.
Ich merkte mit Verdruss:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muss.“ (Wilhelm Busch)

Das Irgendwieschräge

Womit die Farbe vorgegeben wäre. Der Knoten aus den Busch-Versen wird in Cordes‘ Mail-Art-Exponaten durch das Haarmikroportrait vertreten. Dazu kommen jeweils Fotos. Das Endergebnis: Tratsch im Treppenhaus. Allemal besser als Knatsch im selben.
Es wird schnell klar, dass es um das Irgendwieschräge geht – um die Metamorphose des Busch‘schen Denkens. Plötzlich steht man vor Sakko und Kanzlerinnenraute und liest: „Als in Regierungstagen bei reichlich Grübelei sie meinte: die Gefahren, die sind längst nicht vorbei …“
Okay – hier wird jetzt nicht gespoilert. Man muss schon hingehen und sehen, wie Cordes die Dinge auf ganz ureigene Art zu Ende, nein: weiter denkt.

Fernab des Flachsinns

Da ist einer am Wort und seinen Möglichkeiten interessiert. Und ja – es gibt zu jeder Arbeit immer auch ein Bild (Foto), aber – den Schreiber tut‘s erfreuen: Im Kern des Ganzen steckt irgendwie die Sprache. Sie scheint die Sprung- und Triebfeder zu sein.
Wer also Lust auf Heiterkeit fernab des Flachsinnigen verspürt, sollte sich aufmachen ins Treppenhaus und ein bisschen Zeit mitbringen für reichlich Text. Es bleibt jedem selbst überlassen, vom zweiten Stock lesens an Höhe zu verlieren oder sich vom Ausgangspunkt Busch langsam in die Höhe zu lesen. Gleich links neben der Eingangstür – das sollte man wissen – findet sich Buschs Gedicht: der Tornister, mit dem man sich treppauf und treppab bewegt. In diesem Sinne: Viel Vergnügen.

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