Abtauchen in eine andere Welt

„Manni‘s Kleines Museum“ ist eine Schatztruhe der Emmericher Geschichte – Verantwortliche wollen 2017 einen e.V. gründen

EMMERICH. Allzu viel Platz ist nicht mehr in den Regalen. Aktenordner reiht sich an Aktenordner, weit mehr als 100 sind es. In ihnen finden sich Zeitungsartikel, Fotos und andere Dokumente aus rund 120 Jahren Emmericher Stadtgeschichte. Manfred Otten hat sie seit den 1960er Jahren gesammelt – ein kleine Gruppe von Enthusiasten sortiert sie seit einigen Monaten im „Manni‘s Kleines Museum“ an der Steinstraße 9. „Wir haben etwa die Hälfte geschafft, weitere Kisten stehen im Hinterzimmer und im Keller“, verrät Kurt Berndsen. Er schätzt, dass es noch Arbeit für rund zehn Jahre gibt.

Seit der Eröffnung des Museums im Juli 2012 war hier das zweite Zuhause von Manni Otten. „Er kam morgens um 7 Uhr und ging abends gegen 22 Uhr“, erinnert sich Kurt Berndsen. Otten hatte zuvor den ehemaligen Sparkassen-Direktor Horst Balkmann und Emmerichs E-Bürgermeister Johannes Diks eingeladen, sich die Sammlung in seinem Keller anzusehen. „Horst Balkmann hat sofort gesagt, dass es schade wäre, wenn all die Dokumente verloren gingen“, erzählt Berndsen. Also habe man einen Raum gefunden, um sie aufzubewahren und den Emmerichern zugänglich zu machen. Die Eigentümergemeinschaft an der Steinstraße 9 stellten schließlich die Räume im Erdgeschoss zur Verfügung.

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[pull_quote_left]Die Türe stand immer offen, viele kamen zu einem Pläuschchen vorbei[/pull_quote_left]Hier begann Otten damit, die unzähligen Artikel und Fotos zu sortieren. „Die Türe stand immer offen, viele kamen zu einem Pläuschchen vorbei“, erzählt Barbara Böcker, eine der ehrenamtlichen Helferinnen. Als seine Gesundheit es schließlich nicht mehr zuließ, meldete sich eine Bekannte von Manni Otten bei Kurt Berndsen. „Ich habe dann über einen Facebook-Aufruf weitere Helfer gesucht“, sagt dieser. So fand er sieben ehrenamtliche Mitstreiter (drei weitere helfen bei „Sonderaktionen“), die seit Februar gemeinsam Ordnung in die Dokumente bringen. „Wir sortieren sie nach Datum und verschiedenen Kategorien, dann werden sie digitalisiert“, erläutert Berndsen. Jeder Artikel und jedes Foto werden dazu eingesannt. Berndsen schätzt, dass es mindestens 30.000 bis 50.000 Dokumente sind; „die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich höher“. Den erforderlichen PC hat Marco Hoferichter gestiftet. „So gesehen haben wir noch viel mehr Unterstützung“, zeigt sich Berndsen dankbar.

Straßen und Plätze, Personen, Gaststätten, Vereine, Firmen, Veranstaltungen – in Emmerich und den Ortsteilen (allein für diese Dokumente braucht es aktuell rund 60 Ordner) – „wenn man hier arbeitet, taucht man in eine andere Welt ab“, sagt Barbara Böcker, während sie einen weiteren Stapel mit Zeitungsausschnitten durchforstet. Vor allem aber ist es ein Blick in die Emmericher Geschichte. „Wir haben beispielsweise einen Artikel aus dem Jahr 1974, im Anschluss an die Fußball-WM“, erzählt Berndsen. „Beim Empfang für unseren Nationalspieler Rainer Bonhof war das Gedränge so groß, dass das Geländer der Rathaustreppe eingebrochen ist.“

Wer aber besucht das Museum an der Steinstraße? „Das ist ganz unterschiedlich“, sagt Berndsen, „es kommen Emmericher von 16 bis 80 Jahren, die in den Ordnern stöbern oder nur erzählen wollen.“ Auch melden sich Interessenten, die ein Buch über Emmerich schreiben und für ihre Unterlagen recherchieren. Passanten bleiben am Schaufenster stehen und betrachten die ausgestellten Dokumente und Erinnerungsstücke (jeden Monat gibt es ein neues Thema; aktuell sind es berühmte Emmericher, im Oktober ist es die Zerstörung der Stadt am 7. Oktober 1944). Berndsen weiß: „Für viele ist der erste Schritt hier rein am schwersten. Wenn sie einmal drin sind, kommen sie immer wieder.“

[quote_box_left]Öffnungszeiten
„Manni‘s Kleines Museum“ an der Steinstraße ist täglich – außer mittwochs und an Feiertagen – von 10 bis 12 Uhr geöffnet.
Unter dem Museum gibt es ein Kellergewölbe aus dem 18. Jahrhundert; „dort könnten vielleicht irgendwann einmal Veranstaltungen stattfinden“, blickt Kurt Berndsen in die Zukunft.[/quote_box_left]Seit Gründung des Museums wird es im jährlichen Wechsel von der Sparkasse und der Stadt finanziert. Das soll sich im kommenden Jahr ändern. „Wir wollen einen eingetragenen Verein gründen und uns darüber selbst finanzieren“, kündigt Berndsen an. „Dafür sind aber noch viele Gespräche nötig.“ Zuschüsse sollen durch Stiftungen und Förderer fließen. Auch eine engere Zusammenarbeit mit dem Rheinmuseum wird angestrebt, Herbert Kleipaß und Judith Selter waren bereits zu einem Austausch in „Manni‘s Museum“. Neben den vielen Ordnern gehören auch rund 350 Bücher und Bildbände über Emmerich zum Inventar des Museums. „Die Leute können zu uns kommen und sie durchblättern, es gibt auch einen Kaffee“, sagt Berndsen lachend. Manch einer bringt auch eigene Zeitungsausschnitte, Fotos und Geschichten aus Emmerich vorbei; so wächst die Sammlung weiter. Berndsen selbst hat für die Zukunft „eine Vision: Vielleicht gehe ich einmal ein Buch an. Es gibt noch genügend Themen, die über Emmerich noch nicht erzählt wurden.“

Manni Otten verstarb am 20. August diesen Jahres, „er wird hier im Museum und in Emmerich vermisst“, sagt Barbara Böcker. Sein Vermächtnis aber bleibt erhalten und wird, dank der Arbeit der ehrenamtlichen „Archivare“, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Team sucht übrigens weitere Verstärkung, vor allem mittwochs. „Die Arbeit macht viel Spaß“, versichert Böcker, und Berndsen ergänzt: „Anfangs waren wir acht Fremde, jetzt sind wir Freunde.“

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