n der Ausstellung im Gocher Rathaus: Johannes Janßen, Ruth Warrener und Rahel Schaller NN-Foto: Marjana Križnik

GOCH. Zum fünften Mal werden am kommenden Montag auf Gocher Straßen Stolpersteine verlegt. Der Kölner Künstler Gunter Demnig wird von 14 bis 16.10 Uhr Gedenktafeln für sechs Familien anbringen, die im Nationalsozialismus Opfer von Euthanasie oder Vertreibung  geworden sind. Angehörige, unter anderem aus Argentinien und den Niederlanden, reisen zu diesem Anlass an. Im Anschluss lädt die Gocher Stolperstein-Initiative um16.45 Uhr zu einem Kaffeetrinken mit Gedankenaustausch sowie zur Besichtigung der der Ausstellung „Flucht und Vertreibung“ im Rathaus ein.

Carla und Laura Machado werden von Argentinien nach Goch reisen, um den Ort kennen zu lernen, von dem aus ihr Großvater im Jahre 1936 als 16-Jähriger alleine nach Argentinien geflüchtet ist.
Ruth Warrener: „Heinz Sternefeld war der Sohn einer sehr wohlhabenden Gocher Familie. Er hat sich als Hafen- und Hilfsarbeiter durchgeschlagen. Am heutigen Standort von Kaufland hatte die Familie einst eine große Schuhfabrik besessen. Er starb 2009 in Argentinien.”

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Für die Inschriften auf den Stolpersteinen bedarf es Hintergrundinformationen. Ruth Warrener, Lehrerin an der Gesamtschule Mittelkreis, betreibt diese Forschung. 2005 rief sie das Projekt „Gegen das Vergessen“ ins Leben. Seither erforscht sie die Geschichte jüdischer Familien zwischen 1933 bis 1945. „Wir hatten dies alles seinerzeit herausgefunden und auf der Seite zugänglich gemacht. Aber das genügt nicht. Man muss für die Inschriften auf den Stolpersteinen Hintergrundinfos, wie etwa das Fluchtjahr, haben.“  Dazu gehöre, dass man die Familiengeschichte noch einmal aufschreibt. „Deshalb gibt es die momentan laufende Ausstellung im Gocher Rathaus ‚Flucht und Vertreibung‘. Dort werden die Familienschicksale derjenigen Familien, die jetzt Stolpersteine bekommen, dargestellt.“

Ruth Warrener: „Durch Kontakte zu den Familien habe ich viel Bildmaterial sammeln können und dies ermöglichte uns, die Schau mit Bildern zu dokumentieren. Das ist manchmal viel wichtiger, man gibt den Menschen ein Gesicht. Und die Familien sehen die Geschichte ihrer Familie auch nochmal.“
Johannes Janßen von der Gocher Stolperstein-Initiative erinnert sich, dass für ihn ein sehr bewegender Moment gewesen sei, als eine ehemals Vertriebene zu dem Ort zurückkehrte, an dem ihre Vertreibung stattgefunden hat. „Wir kennen vom Geschichtsunterricht immer nur die Geschichte, haben die Menschen aber nie gekannt. Wenn aber auf einmal einer vor dir steht, der das richtig erlebt hat, dann wird das viel realer.“

Als ein Enkel am Stolperstein für seinen Großvater gestanden habe, so Janßen, habe er gesagt: „Bis jetzt hat mein Onkel keinen Grabstein gehabt. Wir betrachten dies jetzt als seinen Grabstein.“
Bereits aus Australien, Israel und den USA sind Angehörige anlässlich der Verlegung eines Stolpersteins für ein Familienmitglied angereist. Pfarrerin Rahel Schaller: „Es ist schon sehr beeindruckend, das zu erleben: Für die Nachfahren ist das ein wichtiger Augenblick, die Wurzel der eigenen Familie, die hier gewesen ist, kennen zu lernen.“ Johannes Janßen fügt hinzu: „Das ist für die Familien kein Ausflug. Das ist ein Bedürfnis.“  Pfarrerin Rahel Schaller: „Nach der Stolpersteinverlegung werden wir uns im Rathaus treffen, um dort miteinander einen Ausklang zu haben. Viele möchten dann auch noch Kontakt zu Angehörigen aufnehmen.“

Johannes Janßen: „Die Ausstellung ist für alle sehr informativ, weil Dinge auftreten, an die man sonst nicht heran gekommen wäre. Es wäre erstrebenswert, das Material in Form eines Buches zu veröffentlichen.“
Es wird noch eine sechste Stolpersteinverlegung folgen. „Dann sind alle jüdischen Bürger  aus Goch dabei gewesen. Es kann sein, dass aus dem Bereich von Euthanasie-Opfern noch etwa kommt. Es sind bereits Angehörige auf uns zugekommen“, erzählt Pfarrerin Rahel Schaller. Ruth Warrener ergänzt: „Im Juni dieses Jahres haben wir insgesamt 103 Stolpersteine verlegt. Jetzt werden wir bei 83 sein.“
Johannes Janßen erzählt weiter: „Die 83 Steine beinhalten rund 10.000 Euro, die aus der Bevölkerung gespendet wurden. Für die letzten zehn bis 15 Steine fehlen uns noch Spendengelder.“

Zum Projekt:

Initiator des Stolperstein-Projekts (www.stolpersteine.eu/) ist der Kölner Künstler Gunter Demnig. Er bringt Messingtafeln im Bürgersteig vor den letzten Wohnorten von Personen ein, die Opfer des Nationalsozialismus oder politischer Verfolgung wurden. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und in mehreren anderen europäischen Ländern verlegt. In Goch lebten zwischen 1933 und 1945 circa 90 jüdische Bürger, an die seit 2013 auf diese Weise erinnert wird. Für die Finanzierung weiterer Stolpersteine werden noch Sponsoren gesucht. Ein Stolperstein kostet 120 Euro. Es können kleinere oder größere Summen gespendet werden. Weitere Infos unter: wp.ge-mittelkreis.de.

Zeitplan zur Verlegung:

14 Uhr: Familie Sternefeld, Vosstraße 96

14.25 Uhr: Familie Spanier, Herzogstraße 21

14.50 Uhr: Familie Stern, Bahnhofstraße 23

15.10 Uhr: Familie Epstein, Bahnhofstraße 26

15.40 Uhr: Familie Stern, Nordring 4

16.10 Uhr: Familie Sternefeld, Mühlenstraße 51

 

 

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