Naturnah und nachhaltig

KRANENBURG. Es gibt Themen, die die Gemüter bewegen und Begriffe, die Diskussionen in Gang setzen. Einer dieser Begriffe lautet „Nationalpark“.

Eine Definition

Googelt man „Nationalpark“, findet sich unter anderem folgende Erklärung: „Ein Nationalpark ist ein ausgedehntes Schutzgebiet, das meistens nur der natürlichen Entwicklung unterliegt und durch spezielle Maßnahmen vor nicht gewollten menschlichen Eingriffen und vor Umweltverschmutzung geschützt wird. In der Regel sind dies Gebiete, die ökologisch besonders wertvoll oder von herausragendem landschaftlichem Reiz sind und im Auftrag einer Regierung verwaltet werden. Sie werden oft auch als Erholungsgebiete und für den sanften Tourismus genutzt. Die Definition eines Nationalparks ist nicht in allen Staaten gleich. Dennoch gibt es eine gemeinsame Idee: die Erhaltung großer, nicht durch menschliche Eingriffe veränderter Naturgebiete für die Nachwelt und als Symbol des nationalen Stolzes.“

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Ein Besuch

Ein Besuch bei Martin und Gerhard Rozyn. Vater und Sohn sind Tischlermeister und Holz ist für die beiden mehr als ein Werkstoff. „Wir fertigen unter anderem Dielen aus Eichenholz, das aus dem Reichswald kommt.“ Die Lieferwege: kurz. „Als ich damals damit angefangen habe, gab es bei den Leuten noch wenig Bewusstsein für lokale Produkte. Da sagte mancher: ‚Ich will Qualität und kein Holz aus dem Reichswald.‘ Das hat sich mittlerweile geändert. Die Menschen legen jetzt Wert darauf.“ Wenn der Nationalpark kommt, soll Schluss sein mit der Holzwirtschaft.

Eine Ansage

„Nicht, dass wir uns falsch verstehen“, sagt Martin Rozyn: „Das wäre für unseren Betrieb nicht das Ende, aber man muss sich doch fragen, was es bringt, einen Nationalpark zu haben und unser Holz dann irgendwo anders zu beziehen, so dass zwischen Ernte und Verarbeitung am Ende hunderte Transportkilometer liegen.“ Martin und Gerhard Rozyn wollen nicht als Anti-Nationalpark-Fraktion angesehen werden. „Es bringt nichts, wenn man gegenseitig mit dem Finger auf den jeweils anderen zeigt. Man kann ja das eine tun ohne das andere zu lassen. Aber dazu ist es wichtig, an einem Tisch zu sitzen und sich konstruktiv auszutauschen. Wenn Sie den Nachkriegsreichswald mit dem Reichswald von heute vergleichen, dann werden Sie feststellen, dass wir da längst auf einem sehr guten Weg sind: weg von der Fichtenmonokultur. Es ist doch so: Wenn wir nicht ans Klima denken, nützt auch der Naturschutz nichts. Wir sind längst dabei, nicht nur vom, sondern auch mit dem Wald zu leben.“

Ein Zustand

Der Reichswald, so Rozyn, sei seiner Einschätzung nach in einem guten Zustand. Die Biodiversität im Reichswald sei, so Rozyn, auch laut Dietrich Cerff (NABU-Naturschutzstation) gut. „Dass unser Reichswald in einem guten Zustand ist, ist kein Zufall, denn durch das regionale Forstamt wird der Wald seit Jahrzehnten naturnah und nachhaltig beforstet. Das können Sie auch als Besucher gut erkennen. Die nach dem Krieg angepflanzten Nadelbäume werden sukzessive durch Laubbäume ersetzt. Ich persönlich sehe das Nationalparkprojekt klimatechnisch als eher fragwürdig an. Dem Reichswald werden jedes Jahr circa 25.000 Festmeter Holz entnommen. (Der Zuwachs pro Jahr beträgt circa 50.000 Festmeter.) Bei Einführung des Nationalparks würde diese Menge an Holz nicht mehr zur Verfügung stehen. Da der Bedarf an Holz im Moment nicht sinkt, müsste dieses anderweitig ‚importiert‘ werden, was mit größeren Transportwegen einhergeht. 25.000 Festmeter Holz entsprechen circa 1.000 LKW-Ladungen. Die Einführung eines Nationalparks würde demnach eine Erhöhung des CO²-Ausstoßes durch den Transport und die Zersetzung des vermodernden Holzes bedeuten. Demgegenüber spart Regionalität effektiv CO² ein.“ Man müsse, so Rozyn, dem Klimawandel durch ökologisch-ökonomisch nachhaltiges Handeln entgegenwirken.

Ein Bewusstsein

Vielleicht aber würde ein Projekt Nationalpark das Bewusstsein der Bevölkerung für eben jenes ökologisch-ökonomisch nachhaltige Handeln schärfen. So, wie die Milch ja nicht aus der Kühltruhe im Supermarkt kommt, muss klar sein, dass auch das Holz nicht im Einrichtungshaus wächst. „Wie gesagt: Ich denke, es muss konstruktiver diskutiert werden. Es geht am Ende darum, dass eine zu tun, ohne das andere zu lassen.”

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