KLEVE/KRANENBURg/GOCH. Veronika van Donzel ist Karnevalsfan. Eigentlich ist sie mehr als das, denn wenn sich in Kranenburg der Frühschoppenzug in Bewegung setzt, steht sie nicht am Rand, sondern gehört mit ihrer Fußgruppe „Bellydance and Friends“ zu den Aktiven.

„Wir sind seit 2009 dabei“, sagt van Donzel. Sie hat einen Ordner, in dem sich nicht nur Fotos, sondern auch die Zugaufstellungen seit 2009 finden lassen. „Wir laufen beim Zug immer vorneweg – und sind die Stimmungsmacher“, sagt sie. „Straßenkarneval ohne Fußgruppen – das kann es nicht sein. Die Fußgruppen sorgen – wie die Live-Bands auch – für die Stimmung. Wir haben den direkten Kontakt zu den Leuten am Straßenrand.“

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„Salz in der Suppe“

Als van Donzel kürzlich bei der Zugteilnehmerversammlung des Kranenburger Zugkomitees war, stellte sie fest: In diesem Jahr wird es im Zug nur drei Live-Kapellen geben. 2010 waren es noch zehn. „Das macht einen Unterschied. Wir tanzen Straßensamba. Wir sind flexibel und können auch zum Holzmichel tanzen, aber: Wir brauchen Livemusik. Wenn du gleich vor einem Wagen läufst, dann ist es da oft – gelinde gesagt – ziemlich laut. Das ist bei einer Live-Kapelle anders.“ Live-Kapellen und Fußgruppen – das Salz in der Karnevalssuppe? „Auf jeden Fall. Wie gesagt: Wir sind ganz nah an den Leuten dran.“ Fragt man van Donzel, warum die Zahl der Kapellen stetig kleiner wird, vermutet sie: „Dafür gibt es verschiedene Gründe. Manche sind einfach frustriert, weil sie gegen die Lautstärke der Wagen nicht ankommen. Das hört man oft.“

Dirk Wilmsen ist Mitglied im Zugkomitee der Krunekroane. „Von uns bekommen alle Teilnehmer einen Zettel, auf dem ziemlich genau steht, was zu tun und zu unterlassen ist. Da geht es auch um Lautstärke.“ Übrigens: Auch die Zahl der Fußgruppen ist zurückgegangen. Dirk Wilmsen: „Das ist eine Entwicklung, die nicht nur in Kranenburg zu sehen ist. Man ist ja auch in Kontakt mit anderen Zugkomitees und merkt dann: Denen geht es zumindest ähnlich.“ Der Karneval ist laut geworden. Je lauter die Musik, desto weniger Kommunikation findet statt.

Neben der Frustration über die Lautstärke gibt es einen weiteren Grund fürs „Aussterben“ der Livemusik: „Kapellen, die beispielsweise in Köln im Zug spielen, bekommen eine Aufwandsentschädigung, werden verpflegt und teils auch mit dem Bus abgeholt“, erzählen Wilmsen und van Donzel. Auch in Kranenburg bekommen Live-Bands eine Aufwandsentschädigung. Wilmsen: „Das sind aber höchstens mal 200 Euro.“ „Ich würde die noch aus eigener Kasse aufstocken, wenn sich eine Band findet, die uns begleitet“, hofft van Donzel, dass sich doch noch eine Lösung findet.

Mehr Livemusik würde man sich auch im Klever Rosenmontagszug wünschen. Bislang hat sich aber nur eine einzige Kapelle angemeldet. KRK-Vorsitzender Jochen van Heek kann den Frust über zu laute Musikanlagen gut verstehen. „Aber es gibt sicher auch noch andere Gründe“, sagt er: „Viele Musiker sind auch in anderen Vereinen aktiv und ziehen mit. Und andere möchten bestimmt auch einfach privat feiern.“ Das Problem mit der Lautstärke sei dennoch nicht von der Hand zu weisen. Gerade für Familien mit kleinen Kindern und ältere Leute könne die Lautstärke „unangenehm“ werden. „Wir können nicht mehr tun, als an die Vernunft der Leute zu appellieren“, sagt van Heek. Sanktionen würden durchaus verhängt: „Wir haben mal einen Wagen rausgezogen und für drei Jahre gesperrt, weil die ihr Urinal auf der Straße ausgeleert haben.“ Höhe, Breite, Anstand. Da könne man reagieren. Nicht ganz so einfach sei es aber, wenn es um die Lautstärke geht. „Eine korrekte Messung ist während des Zugs schwer durchführbar und dann müsste man auch Leute dafür abstellen“, gibt er zu bedenken. Er stellt auch klar: „Wir freuen uns über alle Zugteilnehmer, die Stimmung machen, aber wir sind nicht glücklich darüber, dass die Anlagen immer größer werden.“ Zumal sich die Gruppen im Wettstreit um die lauteste Musik gern gegenseitig übertrumpfen und dabei dann das rechte Maß aus den Augen verlieren.

Bitten

Doch vorerst bleibt es (so wie beim Glasverzicht) beim „Bitten“. Das städtische Ordnungsamt bittet darum, „die Lautstärke auf den Wagen beim Rosenmontagszug auf einen normalen Bereich zu reduzieren“. „Und wir machen bei unseren Vortreffen mit den Zugteilnehmern immer wieder darauf aufmerksam und bitten darum, Rücksicht zu nehmen“, sagt van Heek. Falls sich noch Musikkapellen finden, die mitziehen möchten, versichert er: „Wir achten darauf, dass kein großer Wagen gleich davor oder dahinter ist.“ Geld gibt es aber nicht. „Da haben die Zugkomitees in Köln oder Düsseldorf ganz andere finanzielle Möglichkeiten“, ist ihm die „Konkurrenz“ bewusst.

Miteinander

In Goch funktioniert es mit Lautstärke und Musik sehr gut, wie RZK-Zugleiter Andreas Strötges berichtet. „Wir achten darauf, dass Kapellen nicht direkt vor oder hinter einem Wagen mit Musik platziert sind. Außerdem gehen wir den Zug vor Beginn komplett ab und schauen, ob alle das bringen, was geplant ist.“ Dann lautet auch die klare Anweisung: „Wenn der Musikchef ein Zeichen gibt, wird runtergedreht!“ Wer sich da partout nicht fügen will, der wird konsequent an der nächstmöglichen Ausfahrt aus dem Rosenmontagszug herausgewunken. Der Lautstärke geschuldet, fahren in Goch inzwischen keine Wagen aus den Niederlanden mehr mit. „Wir hatten früher viele davon im Rosenmontagszug, aber man wollte sich nicht an unsere Regelung halten, da haben wir diese Teilnehmer leider verloren“, erklärt Andreas Strötges und beton gleichzeitigt: „Es kann aber immer nur ein Miteinander sein.“ Und das Gocher Konzept geht auf: Immerhin sieben Kapellen und Musikzüge waren 2023, im ersten Rosenmontagszug nach Corona, wieder dabei. (HF/VS/CDS)

Großes Bild: Musikkapellen bereichern die Rosenmontagszüge. NN-Foto: Archiv/Gerhard Seybert

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