Der alte Wassertum mit seinem runden Gemäuer und dem besonderen Licht ist für Beatrice Richter Herausforderung und Inspiration zugleich. NN-Fotos (2): MB

GELDERN. Bereits im 23. Jahr bietet das Gelderner Turmstipendium „einen niedrigschwelligen Zugang zur Kunst“, wie es Rainer Niersmann vom Kulturamt umschreibt. „Wir wollen auch die Menschen ansprechen, die sonst keine Museumsgänger sind“, ergänzt Peter Busch, Künstler und Initiator des Turmstipendiums. Denn im Wasserturm am Gelderner Bahnhof sei eben nicht nur „Mainstream“ zu sehen, sondern auch ungewöhnliche Kunst in einer ungewöhnlichen Umgebung. „Hier zu arbeiten ist ganz eine spezielle Situation“, weiß Beatrice Richter nach nur wenigen Tagen zu berichten. Die 32-jährige Künstlerin aus Düsseldorf nimmt seit 1. August das 23. Turmstipendium zusammen mit Judith Funke (59) aus Solingen wahr.
Richter und Funke kennen sich bereits aus Düsseldorf, haben dort einige Jahre gemeinsam in einem Großraumatelier gearbeitet. Funke wiederum kennt den Geldern Wasserturm, hat hier eine Ausstellung besucht. „Seitdem habe ich davon geträumt, hier einmal zu arbeiten“, verrät sie. Umso größer war die Freude, als die Zusage für das Stipendium kam. Im Anschluss lockte sie auch Richter nach Geldern: „Bea ist ein Glückstreffer“, freut sie sich über deren Zusage – zumal beide voneinander wissen, dass sie „ruhige Arbeiterinnen“ sind, wie Beatrice Richter erzählt: „Das passt.“
Denn die beiden Künstlerinnen arbeiten nicht nur gemeinsam im Turm, sondern wohnen, kochen und schlafen auch hier. „Allerdings sind sie auch schon ein paar Mal umgezogen“, sagt Peter Busch schmunzelnd: Schlafen die Stipendiatinnen normalerweise in den alten Eisenbahnwaggons, „war es dort wegen der Hitze nicht auszuhalten“. Während Funke in den Bauwagen umzug, schlug Richter „nach zwei schlaflosen Nächten“ ihr Quartier in der zweiten Etage des Turms auf – wo sie auch arbeitet.

Um Material, Form und Farbe geht es bei Judith Funke.

Eine Etage darunter lässt sich Judith Funke vom Turm inspirieren. „Das runde Gemäuer ist immer eine neue Herausforderung“, sagt sie, „dennoch lässt es sich hier sehr gut arbeiten.“ Bei ihren Arbeiten mit Tusche auf Papier und mit Gartenflies gehe es um Material, Form und Farbe, mitunter auch um den Kontrast zwischen der Zartheit ihrer Werke und dem massiven Betonbau. „Ich brauche viel Material“, erläutert sie: „Ich probiere aus, dann wird reduziert. Es geht um den Prozess, etwas entwickelt sich.“ Bei einem Werk beispielsweise geht sie von der Malerei im ersten Schritt „in die dritte Ebene“, arbeitet mit Flies dann auch räumlich. Doch ob es diese Arbeiten letztlich auch alle in die Ausstellung schaffen, die am Sonntag, 28. August, 12 Uhr, eröffnet wird, bleibt abzuwarten. „Es kann sein, dass einige wieder rausfliegen“, sagt Funke. „Es geht um Qualität, nicht Quantität.“
Ganz ähnlich sieht es auch Beatrice Richter. „Kunst bedeutet auch immer Mut“, sagt sie. Sei es der Mut zum ersten Schritt, ein weißes Blatt Papier zu bemalen – oder eben auch ein fertiges Werk auszusortieren. „Frustration und Scheitern gehören zur Kunst“, sagt Richter. Sie arbeitet ausschließlich mit Papier und Tusche in der Abklatschtechnik. „Durch die Verbindung aus Wasser, Tusche und Zellulose entstehen immer neue Strukturen.“ Eine schnelle Pinselbewegung sowie partielle Grafitelemente schaffen den Abschluss eines Werkes. Dabei bleiben ihr immer nur wenige Sekunden, um zu entscheiden, ob die Arbeit gelungen ist oder nicht. „Falls es nicht funktioniert, nehme ich die Rückseite eines Blattes für einen zweiten Versuch.“ Nur keine Ressourcen verschwenden. Klappt auch der zweite Versuch nicht, kommt das Papier in ihren Fundus für mögliche spätere Collagen. Scheitern gehört eben zur Kunst.
Von der außergewöhnlichen Umgebung des Turms wollen sich die beiden Künstlerinnen nicht ihre Arbeit diktieren lassen, doch ein gewisser Einfluss ist nicht abzusprechen. Sei es der Wind, der bei geöffneten Fenstern durch den Turm weht und Judith Funke auf die Idee zu einer „verwehten“ Installation brachte, oder das besondere Licht, das Beatrice Richter als „Geschenk“ bezeichnet. „Wir müssen letztlich etwas schaffen, das in diesem Raum funktioniert“, erläutert Funke.
Bei Richter bezieht sich dies auch auf das Format ihrer Werke: „In meinem Atelier in Düsseldorf arbeite ich viel im DIN-A4-Format, A5 hat nie richtig funktioniert. Hier im Turm aber ging es von Beginn an wie von selbst“, ist sie immer noch erstaunt.

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Die Ausstellung im Rahmen des 23. Gelderner Turmstipendiums ist vom 28. August bis 11 September im Wasserturm am Bahnhof zu sehen, immer samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr sowie nach Absprache unter Telefon 02831/1563.

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