NIEDERRHEIN. „Seit Jahrhunderten trotzen sie Stürmen, Blitzeinschlägen, Schädlingen, Bränden und Kriegen. Zerzauste Kronen, gespaltene und ausgehöhlte Stämme bezeugen die unbändige Kraft der Natur, den zerstörerischen Einfluss des Menschen und die nachlassende Vitalität der Baumriesen im hohen Alter. Diese alten und mächtigen Bäume zogen den Menschen schon immer in ihren Bann.“ Christoph Michels aus Sonsbeck ist Autor des jetzt vom Remagener Verlag Kessel herausgegebenen Nachschlagewerks „Starke Bäume in Nordrhein-Westfalen“.

Elf Jahre Arbeit stecken in dem reich bebilderten 368 Seiten starken Buch. Darin stellt er mehr als 70 heimische und nichtheimische Baumarten in Nordrhein-Westfalen anhand von 267 außergewöhnlichen Bäumen in Kurzporträts vor – und berücksichtigt dabei auch die sich wandelnden klimatischen Bedingungen und globalen Einflüsse.

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Von Bäumen begeistert

„Bäume haben mich schon immer fasziniert“, sagt der 56-jährige Forstwirt. Geboren und aufgewachsen ist er in Goch. Fürs Studium zog er nach Bayern, kehrte dann aber wieder zurück in seine niederrheinische Heimat. Heute lebt er in Labbeck, arbeitet für einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb und betreut Forstreviere in Bönninghardt und Winnenthal. Die Idee zum Buch entstand im Jahr 2010. Damals besuchten Mitglieder der IG Edelkastanie im Rahmen ihrer Jahrestagung das von ihm betreute Forstrevier in Bönninghardt, das auf einer Fläche von über 70 Hektar das größte Edelkastanien-Vorkommen in Nordrhein-Westfalen aufweist. Durch die Begegnung mit zahlreichen Mitgliedern der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft wurde seine Leidenschaft für seltene und starke Bäume geweckt.

Auf seiner Homepage (www.starke-bäume.de) beschreibt Christoph Michels den Schlüsselmoment: „Ich stellte fest, dass ich selber einen Rekordbaum im Zuge einer forstlichen Nutzung schon hatte fällen lassen. Diese Birke war, obwohl äußerlich nicht erkennbar, von innen hohl und hatte nur noch einen Brennholzwert von 40 Euro. Daraufhin begab ich mich in den benachbarten Waldbestand der gefällten Birke, einem seit circa 140 Jahren nur extensiv genutztem ehemaligen Eichen-Niederwald. Nach einigem Suchen entdeckte ich dort tatsächlich die derzeit stärkste bekannte Sand-Birke in NRW. Dieses Erlebnis hat mich nicht nur nachdenklich gestimmt, sondern auch meinen Ehrgeiz geweckt, weitere bedeutende Bäume zu finden und das Bewusstsein der Eigentümer zu wecken.“

Was folgte, war im ersten Schritt die mühsame Recherche. „Es ist ein aufwändiges Hobby“, weiß Michels heute. Neben einer kleinen Veröffentlichung aus den 1990er Jahren und einem Buch von 1904 fand er – in gedruckter Form – nur wenig für seine Suche Hilfreiches. Er las sich durch Naturdenkmallisten, tummelte sich in Internet-Foren und stöberte nach Zeitungsartikeln, bevor es im nächsten Schritt an die Ausarbeitung eines „Reiseplans“ ging. „Die richtig starken Bäume habe ich im Winter im laublosen Zustand fotografiert“, sagt Michels. Dann sei der Habitus des Baumes, seine wesentlichen und typischen Eigenschaften, besser sichtbar.

Um die „Kandidaten“ für sein Buch einzugrenzen, hat er sich auf Bäume mit einem Stammumfang von sechs Metern konzentriert. „Es sind aber auch einige andere, außergewöhnliche Exemplare dabei“, räumt er ein. Wichtig war ihm auch, die Informationen zu den Bäumen möglichst für Jedermann verständlich zu verfassen. Auf botanische Details hat Christoph Michels bewusst verzichtet. Der größte Teil der beschriebenen Bäume ist öffentlich zugänglich, einige Exemplare stehen jedoch in Parkanlagen und Gärten, die eintrittspflichtig oder nicht zugänglich sind. Alle Bäume, die man besuchen kann, haben in ihrer „Visitenkarte“ einen QR-Code mit den Koordinaten hinterlegt.

Starke Bäume aus der Region

Eine Robinie am Xantener Krankenhaus. Foto: CM

Ins Nachschlagewerk geschafft haben es auch einige Bäume aus der Umgebung. So etwa die „stärkste bekannte Linde des linken Niederrheins“, die sich auf dem Capitelshof in Bedburg-Hau befindet. Das genaue Alter ist nicht bekannt. In einem Schriftstück aus dem Jahr 1930 wird aber erwähnt, dass sie schon um 1700 dort gestanden haben soll.

Die Riesen-Lebensbäume stehen in der Nähe des Tiergartens. Foto: CM

Nicht so alt, dafür mit 32 Metern aber fast doppelt so hoch, sind die beiden Riesen-Lebensbäume, die um 1890 auf einer Wiese westlich des Klever Tiergartens gepflanzt wurden. Mit dabei sind auch die Ahornblättrige Platane am Schloss Haag in Geldern, die Stiel-Eiche bei Haus Caen in Straelen, die vermutlich aus der Zeit um 1660 stammt, als das heutige Herrenhaus errichtet und ein Park auf dem umliegenden Gelände angelegt wurde und die Edel-Kastanie auf dem Heishof bei Weeze, deren Alter auf 250 bis 350 Jahre geschätzt wird.

Bei Kervenheim steht diese eindrucksvolle Eiche. Foto: CM

Eine weitere Edel-Kastanie in Pfalzdorf lässt den Autor vermuten, dass die in der Umgebung ungewöhnlich hohe Anzahl an Altbäumen dieser Art in Verbindung mit der Ansiedlung von Pfälzer Familien im 18. Jahrhundert steht. Aufgeführt wird unter anderem auch die um 1930 auf dem Kunnenhof in Veen gepflanzte Feldulme. Trotz ihres unscheinbaren Stammumfangs ist sie eines der stärksten Exemplare in Deutschland.

„Während meiner Recherchen bin ich mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen und war immer wieder positiv überrascht, wie viele sich für das Thema Bäume begeistern lassen“, sagt Christoph Michels. Dazu beigetragen hätte in den letzten Jahren sicher auch die Diskussion um den Klimawandel. „Und natürlich haben auch Leute wie Peter Wohlleben das Thema Wald stärker ins Bewusstsein gerückt“, ist Michels überzeugt. „Schräg“ finden die meisten Menschen Michels‘ Hobby jedenfalls nicht. „Im Gegenteil“, sagt er: „Das Interesse ist groß.“
„Starke Bäume in Nordrhein-Westfalen“ ist für 36 Euro im Buchhandel erhältlich und kann auch über die Seiten www.forstbuch.de sowie www.verlagkessel.de bestellt werden.

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