NIEDERRHEIN. Durch die Beteiligung der Hausarztpraxen nimmt das Impftempo deutlich zu: NRW liegt im bundesweiten Vergleich mit einer Quote von über 40 Prozent an erfolgten Erstimpfungen auf dem zweiten Platz. Im Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) wird mittlerweile in fast 5.200 Praxen geimpft – Tendenz steigend. „Der weitere Erfolg des Impfens in den Praxen ist maßgeblich davon abhängig, dass sie dauerhaft und zuverlässig mit mehr Impfstoff beliefert werden“, stellt der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann, klar. Immerhin fänden aktuell bereits etwa 60 Prozent der Impfungen in den Praxen statt. Ab Juni rechnet Bergmann mit einer deutlich besseren Versorgung. Dann sollen die Praxen in NRW mit rund 500.000 Impfdosen pro Woche beliefert werden. Trotzdem könne man nicht erwarten, dass jeder Impfwillige dann auch sofort einen Termin bekommt.

Aufhebung
der Priorisierung

Die Aufhebung der Impf-Priorisierung in den Arztpraxen zum 7. Juni ist aus Sicht der KV Nordrhein grundsätzlich zu begrüßen. Noch steht aber nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung. „Man muss berücksichtigen, dass jetzt auch eine ganze Reihe von Zweitimpfungen anstehen“, erklärt Dr. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der KV Nordrhein. Zudem gelte für die Hausärzte, dass man bestenfalls auch nach Wegfall der Priorisierung individuell entscheidet, welche Patienten zuerst an der Reihe sind, weil sie den Schutz dringend(er) benötigen. Dass die Impfbereiten mitunter „ungeduldig“ werden, sei verständlich. Aber nicht unbedingt zielführend. „Die meisten Patienten arrangieren sich damit“, sagt König, räumt aber ein, dass es durchaus auch Patienten gebe, die das nicht tun und die ohnehin ausgelasteten Praxen zusätzlich belasten.

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Die KV stellt auch klar, dass der Impfstoff von Astrazeneca kein „Ladenhüter“ sei. Er werde zwar etwas langsamer verimpft als Biontech/Pfizer, die Nachfrage sei aber nach wie vor höher als das Angebot. Dass sich Patienten einen Impfstoff aussuchen können, damit rechnet Bergmann nicht vor Juli. „Vielleicht etwas eher, wenn es um die Vektor-Impfstoffe geht.“ Dass medizinische Kriterien berücksichtigt werden müssten, sei selbstverständlich.
Nicht zu stemmen sei für die Arztpraxen das Nachtragen von erfolgten Impfungen – für diejenigen, die keinen Impfpass besitzen oder ihn vergessen haben. „Das würde das Impftempo drosseln“, sagt Bergmann. Auf Bundesebene werde gerade über mögliche Lösungen beraten. Im Gespräch ist etwa, ob Apotheker die Daten nachtragen könnten. Das Impfen selbst sollten sie seiner Meinung nach nicht übernehmen. „Das ist eine zentrale ärztliche Aufgabe“, findet der KV-Vorsitzende. Er rechnet nicht damit, dass sich der bürokratische Aufwand in naher Zukunft mildern lässt. „Gerade bei diesen neuen Impfstoffen ist die Aufklärung der Patienten unumgänglich“, sagt Bergmann. Ebenso die täglichen Meldungen. Allerdings könnte er sich vorstellen, dass man im Herbst – vor weiteren Kampagnen – auf Bundesebene überlegt, wie man die Abläufe vereinfachen kann.

Online-Register

Aktuell befragt die KV Nordrhein die angeschlossenen Fachärzte, inwieweit sie sich am Impfgeschehen beteiligen wollen. „Bei den Hausärzten liegt die Beteiligung bei über 90 Prozent“, ist Bergmann zuversichtlich, dass die Impfkampagne mit dem Einbinden der Betriebs- und Fachärzte noch mehr Fahrt aufnehmen wird und damit vor allem die Versorgung von Menschen sichergestellt wird, die keinen festen Hausarzt haben. Viele Hausarztpraxen könnten dafür zurzeit aus logistischen Gründen kaum noch neue Patienten aufnehmen.
Die KV Nordrhein hat deswegen eine Umfrage zur Erstellung eines Online-Registers unter ihren Vertragsärzten gestartet, die sich vor allem an Fachärzte in Nordrhein richtet. Darin wird gefragt, wer für Impfungen in seiner Praxis noch Kapazitäten frei hat, um Impfwillige aufnehmen zu können. Das Online-Register dieser Praxen wird die KV Nordrhein so zeitnah wie möglich veröffentlichen und gesondert darüber informieren.

Sobald die Europäische Arzneimittelagentur Impfstoffe auch für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren freigibt, wird deren Impfung vermutlich ebenfalls bald in den Fokus rücken. „Hier sind die Kinder- und Jugendärzte gefragt“, so Bergmann. Eine Priorisierung sei in dieser Altergruppe nicht im Gespräch. Jugendliche ab 16 Jahren werden mit Freigabe der Impf-Priorisierung schon ab dem 7. Juni die Möglichkeit haben, sich in ihrer Kinderarztpraxis einen Impf-Termin zu holen. Für sie ist der Impfstoff von Biontech bereits freigegeben.

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