„Das Abenteuer hat mich gereizt“

    Ursula Birkle ist nach fünf Jahren auf der „Aubi“ zurückgekehrt – und hat viele Fotografien und Geschichten mitgebracht

    NIEDERRHEIN. „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“ – sagt ein altes Sprichwort. Das kann Ursula Birkle unterschreiben. Um viele Erfahrungen reicher ist die 64-Jährige heute, nachdem sie fünf Jahre mit ihrem Mann und Katamaran „Aubi“ über die Weltmeere geschippert ist. Positive, wie auch negative. „Das Abenteuer hat mich gereizt“, sagt die patente Frau. Für ihren Traum hat sie alles zurück gelassen, ihre Sachen und die Wohnung verkauft, ihren Job als Immobilienmaklerin an den Nagel gehängt. „Das braucht viel Mut“, sagt sie. Aufbruch in ein neues Leben. Ohne Netz und doppelten Boden.

    Ursula Birkle war fünf Jahre auf Weltreise. Jetzt lebt sie an der Xantener Nordsee.Foto: privat
    Ursula Birkle war fünf Jahre auf Weltreise. Jetzt lebt sie an der Xantener Nordsee.Foto: privat

    Begonnen hat das Abenteuer im Juni 2011 im Klever Spoykanal, denn dort wurde das 15 Meter lange und 7,30 Meter breite Boot, das Schiffsbauer Thomas Coenen nach den Plänen von Armin Birkle gefertigt hat, erstmals zu Wasser gelassen. Es folgte allerdings sogleich der erste Dämpfer, denn wegen des Niedrigwassers verzögerte sich die Abfahrt gen Norden um mehrere Wochen. Viel Zeit, um sich mit der Technik anzufreunden und die 55 Quadratmeter große „Wohnung“ einzurichten. Doch dann ging es endlich los und „es war toll zu sehen, wie sich das Wasser verändert und immer weiter geöffnet hat“, erinnert sich Ursula Birkle an die ersten Tage auf hoher See. „Richtig schön wurde es dann in Norwegen – da gibt es Inseln, die man nur per Schiff erreichen kann“, schwärmt die Weltenbummlerin, die Tagebuch geführt und im Frühjahr dieses Jahres ohne ihren Mann, dafür aber mit rund 5.000 Fotografien alleine nach Deutschland zurückgekehrt ist. „Wir hatten einen Roller auf dem Boot und konnten so Land und Leute kennenlernen“, erklärt sie. „Manchmal habe ich auch nur heimlich Bilder machen können, weil man uns sonst sofort den Fotoapparat weggenommen hätte“, erinnert sie sich auch an viele unschöne Begegnungen, die sie „sehr nachdenklich gestimmt“ haben. Sie erzählt von Müllbergen, von korrupten Zöllnern, von Trinkgelagen und Prostitution am Hafen, von abgeholzten Inseln und zerstörter Natur. Sie erzählt auch von dem kleinen blinden Jungen, dem sie helfen wollte. „Die Eltern wollten das aber nicht – weil er so mehr Geld beim Betteln verdienen konnte“, wird sie vieles wohl nie vergessen können.

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    Aber es gab natürlich auch schöne Momente und Menschen, an die sie sich gerne erinnert. Da waren zum Beispiel die Fischer in Kolumbien, die ein großes Herz hatten oder die Menschen auf der Karibikinsel Dominica, die „nichts haben, aber trotzdem immer fröhlich und voller positiver Energie sind“. Oder die Frau mit den drei Waisenkindern. „Draußen hatte die Frau ein Schild aufgestellt. Die Leute sollten langsamer fahren, weil eines der von ihr angenommenen Kinder, ein kleines Mädchen, taub war. Das hat keinen interessiert. Die Frau war vollkommen auf sich allein gestellt.“ Es war kurz vor Weihnachten. „Ich wollte ihnen wenigstens eine kleine Freude machen, also habe ich den ganzen Christschmuck und den Tannenbaum vom Boot geholt und dort hingebracht.“ Die Freude über das unerwartete Geschenk war riesengroß. Und nicht nur das. „Die Nachbarn und das ganze Dorf sind endlich auf das Schicksal aufmerksam geworden – eine Woche später bekam das Mädchen ein Hörgerät.“ Oft seien es die vermeintlich kleinen Dinge, die einen Stein ins Rollen bringen und das Leben wieder lebenswerter machen.

    Imposante Erscheinung: Die „Aubi“, kurz bevor sie zu Wasser gelassen wird. NN-Foto (Archiv): Rüdiger Dehnen
    Imposante Erscheinung: Die „Aubi“, kurz bevor sie zu Wasser gelassen wird. NN-Foto (Archiv): Rüdiger Dehnen

    Viel zu erzählen hat Ursula Birkle auch von dem Leben auf einem Schiff, von der „Zwei-Mann-Gesellschaft“, dem eigenen kleinen Kosmos, der Himmel – oder auch Hölle – sein kann. „Es war hart“, sagt die 64-Jährige. Und meint damit nicht nur den anstrengenden Alltag auf dem Meer, wenn man sich alle vier Stunden am Ruder abwechseln und gegen meterhohe Wellen und starke Strömungen ankämpfen muss. Darüber hat sie auch ein Buch geschrieben. Das Manuskript hat sie an einen Verlag geschickt. „Vielleicht klappt das ja“, erhofft sie sich.

    Und gerade weil sie so viel zu erzählen hat, hat sie sich ein neues Laptop, Beamer und Leinwand zugelegt und möchte nun Lichtbildvorträge halten. In Büchereien, bei der VHS, in Altenheimen oder in Cafés – „ich bin da für alles offen“, sagt Birkle. Im Repertoire hat sie von Norwegen über Gibraltar und die Kanarischen Inseln vor allen Dingen viele kleine und große Länder jenseits des „großen Teichs“. Die Überfahrt hat 15 Tage gedauert. Der letzte Hafen: Mindelo. Dort, knapp 500 Kilometer von der Westküste Afrikas entfernt, gibt es die letzte Möglichkeit, frisches Wasser und Lebensmittel an Bord zu nehmen. Von da aus ging es direkt in die Karibik. „Das Leben da ist ganz anders – und alles spielt sich am Strand ab“, weiß Birkle und schwärmt von den bunten Farben und der Musik, die dort eine große Rolle spielt. „Das Reisen per Schiff eröffnet ganz andere Perspektiven – man sieht Dinge, die man als normaler Tourist nicht zu sehen bekommt.“ In Erinnerung geblieben ist ihr auch der Jahreswechsel. Schließlich steht der in den nächsten Tagen wieder an. „In Mexiko zum Beispiel, da wurde nicht geböllert. Aber es wird lang gefeiert – und ein Pflichttermin ist gegen 4 Uhr morgens das Beobachten des Sonnenaufgangs vom Strand aus: Das bringt nämlich Glück fürs nächste Jahr.“

    Wer Lust auf mehr Geschichten und tolle Fotografien hat, kann sich bei Ursula Birkle melden. Kontakt: Telefon 02801/ 9872524, ursula-birkle@gmx.de.

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